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Gut vorbereitet Genauso verhält es sich mit den anderen vier Ländern: Dass Tausende Menschen aus Estland, Litauen, Lettland und Polen am 1. Mai mit gepackten Koffern an Österreichs Grenzen stehen, ist unwahrscheinlich.

Gut vorbereitet

Schwerpunkt

Arbeitsmarktöffnung: Massenansturm wird nicht erwartet, doch das Burgenland ist besonders betroffen. Denn bei den Ungarn ist die Bereitschaft zu pendeln groß.

Am 1. Mai werden die Grenzen für acht neue EU-Mitgliedsstaaten geöffnet. Das bedeutet: Staatsangehörige dieser Länder können von heimischen Betrieben uneingeschränkt beschäftigt werden, und UnternehmerInnen aus diesen Ländern können ihre Dienstleistungen in Österreich anbieten. Das östlichste Bundesland Österreichs grenzt an Ungarn, Slowenien und die Slowakei und ist von der Öffnung des Arbeitsmarktes besonders stark betroffen. Die Situation erhöht den Druck auf den burgenländischen Arbeitsmarkt und fördert Lohn- und Sozialdumping.

Europa wächst zusammen

Einige der neuen EU-Länder, für die ab 1. Mai 2011 die Übergangsregelungen der ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit auslaufen, sind den Einheimischen nicht ganz unbekannt: Tschechien, Ungarn, die Slowakei und Slowenien. Fragen wie "Wie viele Menschen aus diesen Staaten werden zu uns kommen?", "Wird Österreich von hunderttausend Menschen überrannt?" stellen sich viele ÖsterreicherInnen. "Extremismus ist selten nützlich. Deshalb bringt es auch wenig, Horrorszenarien auszumalen: dass Hunderttausende Menschen auf einmal nach Österreich strömen werden. ExpertInnen sagen, dass nicht mehr als 25.000 Personen zu erwarten sind, viele sind ohnehin schon da", beruhigt Bernhard Achitz, Leitender Sekretär im ÖGB. Genauso verhält es sich mit den anderen vier Ländern: Dass Tausende Menschen aus Estland, Litauen, Lettland und Polen am 1. Mai mit gepackten Koffern an Österreichs Grenzen stehen, ist unwahrscheinlich. ExpertInnen erwarten vor allem mehr PendlerInnen.
Wegen der regionalen Nähe werden in erster Linie Niederösterreich, Oberösterreich, die Steiermark und das Burgenland betroffen sein. Der größte Zustrom wird aus Ungarn erwartet. "Die Finanzkrise hat Ungarn stark getroffen. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 11,4 Prozent. Nach dem Fall der Übergangsfristen rechnen wir damit, dass die meisten Menschen aus Ungarn zu uns kommen werden. Was wir befürchten, ist ein Verdrängungswettbewerb zwischen ausländischen Arbeitskräften, die schon länger im Burgenland tätig sind, und jenen, die neu auf den Arbeitsmarkt drängen. Dadurch kann das Lohnniveau, vor allem in Niedriglohnbranchen, noch weiter sinken", sagt Gerhard Michalitsch, Landessekretär des ÖGB-Burgenland.
Zurzeit pendeln 12.000 ungarische KollegInnen zu ihrem Arbeitsplatz im Burgenland. Die Bereitschaft dazu ist bei den UngarInnen sehr groß. Das liegt vor allem daran, dass sich das Lohngefälle - im Gegensatz zu den anderen Staaten - zwischen Österreich und Ungarn nicht in dem Maße verändert, dass das Auspendeln oder Auswandern weniger attraktiv machen würde, aber auch an der geringen Distanz zum Arbeitsplatz.
Ausländische ArbeitnehmerInnen, die im Burgenland zu arbeiten beginnen, kennen ihre ArbeitnehmerInnenrechte nicht. Das bedeutet, dass sie oft unter KV bezahlt oder zu gering angemeldet werden. Oft wissen sie auch nicht, dass sie Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld haben, oder dass Überstunden bezahlt werden müssen. In Österreich ist Lohn- und Sozialdumping größtenteils unterbunden. Die Öffnung des Arbeitsmarktes kann das aber verstärken, also schlugen die Sozialpartner umfassende Maßnahmen vor. Das neue Gesetz soll spätestens am 1. Mai in Kraft treten. "Wir haben ein flächendeckendes Kollektivvertragssystem, dennoch sorgen wir uns, dass nach dem 1. Mai Personen kommen werden, die unter dem vorgeschriebenen KV-Mindestlohn und zu schlechteren Arbeitsbedingungen zu arbeiten bereit sind", sagt Achitz bei der Landesvorstandssitzung im Burgenland.
Das soll durch Verwaltungsstrafen für Entlohnung unter KV verhindert werden. "Das in Europa einzigartige Gesetz wird sowohl für österreichische als auch für ausländische Unternehmen gelten, die ihre Leistungen hier anbieten", so der EU-Sprecher des ÖGB, Wolfgang Katzian: "Damit ist garantiert, dass ausländische Unternehmen sich an unsere Spielregeln halten müssen, auch heimische Betriebe, die in Einzelfällen glauben, sich zulasten der ArbeitnehmerInnen nicht an Kollektivverträge halten zu müssen." Bei Verstößen drohen Strafen bis zu 50.000 Euro, einer Nivellierung des Lohnniveaus nach unten durch die weitere Arbeitsmarktöffnung werde durch ein neues effizientes Kontrollsystem Einhalt geboten.

"IGR-Zukunft im Grenzraum"

Der ÖGB Burgenland hat bereits vor Jahren mit Vorbereitungen auf die Arbeitsmarktöffnung begonnen - mittlerweile hat er mit grenzübergreifenden Projekten eine Vorreiterrolle bei der Arbeitsmarktanpassung übernommen. Zahl-reiche Projekte wurden ins Leben gerufen, wie etwa das interregionale EU-Projekt des ÖGB "IGR - Zukunft im Grenzraum". Seit dem Jahr 2004 gibt es eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen dem ÖGB und der ungarischen Gewerkschaft MSZOSZ. Neben den regelmäßigen Treffen zwischen GewerkschafterInnen und BetriebsrätInnen bietet der IGR zweisprachige Rechtsberatung und Info-Veranstaltungen in verschiedensten Branchen an - das Themenspektrum reicht von Arbeits- bis hin zu Familien- und Pensionsrecht. "Im Burgenland sind zehn MitarbeiterInnen mit dem Projekt befasst. Unser Ziel ist es, die ungarischen ArbeitnehmerInnen im Burgenland so gut über ihre Rechte zu informieren, dass sie diese auch beim Arbeitgeber einfordern können", erzählt Michalitsch. Das Büro im östlichsten Bundesland hat wenig Kontakt zu den anderen Nachbarländern. Einerseits, weil die Zahl der slowenischen und slowakischen Beschäftigten relativ gering ist, andererseits, weil sich die ÖGB-Landesorganisationen in der Steiermark und Niederösterreich um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit diesen zwei Staaten kümmern.
"Vergangenen Herbst haben wir ein Kursprogramm für BetriebsrätInnen und VertreterInnen von arbeitsmarktrelevanten Behörden wie dem Arbeitsmarktservice und der Gebietskrankenkasse gestartet, das die wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Situation in Ungarn näherbringen soll. Dabei sollen Netzwerke geknüpft, rechtliche Hintergründe verstanden und Vorurteile abgebaut werden. Ein weiterer Schwerpunkt sind Koordinationstreffen zum Thema Gesundheit oder ArbeitnehmerInnenschutz. Das sind alles Maßnahmen, die dabei helfen sollen, Lohn- und Sozialdumping einzudämmen", berichtet Michalitsch. Der IGR ist seit 2004 als Beratungsstelle unter ungarischen Beschäftigten bekannt - teils durch Mundpropaganda, Medienberichte oder Bekannte. Die Betroffenen kommen meist zur Erstberatung und erkundigen sich, was ihnen eigentlich zusteht. Der IGR führte seit seiner Entstehung 28.300 persönliche, schriftliche oder telefonische Beratungsgespräche durch. Die meisten davon finden in den Bereichen Bau, Landwirtschaft und Transport statt. Mittlerweile hat der IGR Beratungsbüros vor Ort in allen Bezirken. "Wenn es vom Arbeitnehmer gewünscht ist, wird ein Interventionsschreiben verfasst, gemeinsam mit den Gewerkschaften und der Arbeiterkammer werden Arbeitsrechtsprozesse geführt.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die meisten ungarischen Beschäftigten ihre Rechte - wenn sie darüber Bescheid wissen - auch einfordern", sagt der Landessekretär. "Das Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping ist ein wichtiges Instrument im Zuge der Arbeitsmarktöffnung. Damit sind ArbeitnehmerInnen vor Unterentlohnung und Ausbeutung, aber auch seriöse Betriebe vor wettbewerbsverzerrender Billigkonkurrenz geschützt", zeigt sich Michalitsch erfreut über das neue Gesetz, betont aber, dass es eine Aufstockung der Finanzpolizei im Burgenland braucht.

Internet:
IGR - Zukunft im Grenzraum
www.igr.at 
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
amela.muratovic@oegb.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

INFO&NEWS
Informationsveranstaltungen
Nickelsdorf/Hegyeshalom - 2. Mai: "Arbeitswelten im Umbruch" - Diskussionsveranstaltung
Eisenstadt - 4. Mai: "Grenzüberschreitender ArbeitnehmerInnenschutz" - Pressekonferenz und Baustellenbesichtigung mit BM Rudolf Hundstorfer
9.-13. Mai: "Info-Tour entlang der Grenze"

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