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Zukunftshoffnung Weiterbildung Ehemalige "Massenberufe", wie Fleischhauer-, Schuhmacher- oder SchneiderIn sind heute weitgehend ausgestorben.

Zukunftshoffnung Weiterbildung

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Neue Berufe tauchen auf und verschwinden. Beständig ist allein die Weiterbildung. Das betont auch Franz-Josef Lackinger, Geschäftsführer des bfi Wien.

Welche Berufe wird es in zehn, 20 Jahren geben? Der Blick in die Vergangenheit zeigt: Eine exakte Prognose, welche Ausbildungen auch in Zukunft gefragt sind, ist nicht möglich, sagt Franz-Josef Lackinger, seit Jänner 2011 Geschäftsführer des Berufsförderungsinstitutes bfi Wien. Wer etwa hätte die rasante Entwicklung von Web 2.0 und damit ganz neuer Berufe vor einigen Jahren voraussagen können? Mittlerweile befassen sich eigene Firmenbeauftragte ausschließlich mit dem Medienauftritt ihres Arbeitgebers.

Von Lochkarte zu PC-Führerschein

Seit seiner Gründung 1959 ist das bfi zu einer der größten Aus- und Weiterbildungseinrichtungen Österreichs geworden. Vieles hat sich verändert, seitdem das Institut im Jahr 1960 die Um- und Nachschulungskurse des ÖGB übernommen hatte. Einführungskurse in das Lochkartensystem wie anno dazumal gibt es heute nicht mehr. Die Programmierkurse, die erstmals 1962 angeboten wurden, haben sich inzwischen zu einem umfassenden Angebot im Bereich EDV ausgeweitet. Heute ist das bfi bundesweit jene Einrichtung, die den "Computerführerschein", der als Standard- und Basisqualifikation in der PC-Welt gilt, am häufigsten vergibt. Die ECLD, European Computer Driving Licence, ist ein europaweit anerkanntes Zertifikat, das das MS-Office-Paket-Wissen nachweist.
Seit 1990 ist das bfi Wien ein eigenständiges Bildungsinstitut (gemeinnütziger Verein). "Wir haben ein gutes Sensorium dafür entwickelt, was in der Berufswelt geschieht und welche Trends abzuleiten sind", sagt Franz-Josef Lackinger. Den oder die Berufe der Zukunft aber gebe es nicht. Der Trend ist: Jede Form der Ausbildung kann nur noch einen Grundstein legen, auf dem kontinuierlich weiter aufgebaut werden muss. "Das Weiterlernen wird dann zur Spezialisierung bzw. Aktualisierung in der jeweils eigenen Sparte", weiß der Bildungsexperte.
Verabschieden müsse man sich von der Vorstellung, allein durch einen Abschluss ausgelernt zu haben. Der Trend zur Weiterbildung ist nicht aufzuhalten. Um nicht auf der Strecke zu bleiben, ist von den ArbeitnehmerInnen persönliches Engagement gefordert. "Immer mehr Menschen haben einen zweiten oder dritten Bildungsabschluss, egal ob Meisterprüfung, akademischer Titel oder Lehrabschluss. Immer mehr verfügen über einen beeindruckenden Lebenslauf, mit Zusatztiteln, wie MBA, MA oder MAS, die dem Namen nachgestellt sind. Ein Trend, wo der Experte zur gesellschafts-politischen Vorsicht rät: Denn "nachgehängte" Titel sind meist selbst finanziert.

Weiterbildungsversicherung 

"Die notwendige aktualisierende Weiterbildung ist weitgehend privatwirtschaftlich organisiert, der Zugang ist sehr ungleich verteilt", so der Geschäftsführer des bfi Wien. "In kleineren Betrieben sind die Möglichkeiten schon geringer. Häufig entscheidet auch das Geschlecht über den Zugang zur betrieblichen Weiterbildung." Mehr als über Berufe der Zukunft nachzudenken, stelle sich heute erneut die Frage nach der Bildungsgerechtigkeit. Es gelte eine Organisationsform zu finden, bei der Betriebe, öffentliche und private Hand gemeinsam an einem Strang ziehen.
Ähnlich wie es Risiken in der Sozialversicherung gibt, gebe es heute auch Bildungsrisiken. "Das Risiko durch die Entwertung der jeweiligen Bildung den Arbeitsplatz zu verlieren, ist nicht zu unterschätzen. Es wird durch die heutige Form der Arbeitslosenversicherung nur zu einem geringen Teil ausgeglichen", sagt Franz-Josef Lackinger, der gerne die Idee einer Weiterbildungsversicherung in die Debatte einbringt. Die Zeit drängt. Die Dequalifizierung, eine Form des Dumpings von Bildungsabschlüssen, geht rasant vor sich. Wo früher etwa HandelsschulabsolventInnen im Bürobereich eingesetzt wurden, sind heute HandelsakademikerInnen gefordert.

Luxusschuster 

Auch ein Lehrabschluss alleine genügt heute nicht mehr. Technologien, Berufsprofile und Qualifizierungsansprüche ändern sich, ganze Branchen verschwinden. Das bfi Wien bietet immer wieder neue Ausbildungen zu neuen Berufsfeldern an. Aufgabe des Bildungsinstitutes ist es, durch Beobachtung des Arbeitsmarkts und enge Kooperationen mit der Wirtschaft und Wissenschaft rasch auf die Veränderungen im Berufsleben zu reagieren. Denn das öffentliche Bildungs- und Schulsystem ist nicht schnell genug. "Bis ein Ministerium einen Lehrplan genehmigt hat, kann der Beruf bereits nicht mehr existent sein", berichtet Lackinger. Manche neue Berufe sind langlebig, etwa der/die WellnesstrainerIn, die Ausbildung boomte mit dem österreichweiten Ausbau der Thermenlandschaften, und heute ist es eine Standardausbildung im Gesundheitsbereich. Andere Berufe verschwinden so rasch wie sie aufgetaucht sind. Ehemalige "Massenberufe", wie Fleischhauer-, Schuhmacher- oder SchneiderIn sind heute weitgehend ausgestorben.
"Im Bereich des Luxussegments aber gibt es eine Art Renaissance", berichtet der Kenner der Lage. Ein/e gute SchuhmacherIn ist in ganz Europa gefragt, weil es im schmalen Bereich von Luxushandwerk wieder modern geworden ist, Maßschuhe zu tragen."

Social skills

In den vergangenen Jahren sind viele neue Berufe und Berufsfelder entstanden. Unter www.bfi.at/links/berufsinformation finden sie zahlreiche Websites über die aktuellen Trends bei Aus- und Weiterbildung. Zum neuen Kursprogramm 2011 des bfi Wien gehören Angebote wie CAE-Virtuelle Produktentwicklung, Erneuerbare Energien, Internationale Rechnungslegung, Marketing and Business-Management oder Konfliktexperte/-expertin.
Gefragt sind 'Social skills’, soziale Fertigkeiten, die gerne Frauen zugeschrieben werden. Im technischen Bereich sind Frauen unterrepräsentiert. So unterstützt das AMS mit dem Programm FiT, Frauen in Handwerk und Technik, weibliche Arbeitssuchende auf der Suche nach neuen Perspektiven. Bei Interesse für einen handwerklich-technischen Beruf, etwa Produktionstechnikerin, Elektroenergietechnikerin oder Hörgeräteakustikerin können arbeitslose Frauen und Mädchen im Kurs "Technisch-handwerkliche Rampen" die technischen Grundqualifikationen erwerben.

Soziale Kompetenz hoch im Kurs

Soziale Fertigkeiten, meint Lackinger, werden in unserem Schul- und Hochschulsystem immer noch nicht ausreichend vermittelt. Teamorientierung, Konfliktlösung, rhetorisches Auftreten und Verhandlungsgeschick sind heute in fast jedem Beruf notwendig. Kommunikation und soziale Kompetenz sind bis heute kein Schulfach, in der Weiterbildung aber hoch im Kurs.
Weiter anhaltend ist der seit Jahren beobachtete Trend zu Fremdsprachen. Schulenglisch reicht schon lange nicht mehr aus, zwei Fremdsprachen auf gutem Niveau zu beherrschen ist beinahe schon Grundvoraussetzung, um sich auf dem Arbeitsmarkt behaupten zu können.
Besonders gefragt sind daher die Sprachlizenzen der österreichischen Berufsförderungsinstitute. Sie können derzeit in den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Slowakisch, Spanisch, Tschechisch und Ungarisch als Zertifikat der Fremdspra-chenkompetenz erworben werden.
 

Zertifizierungen 

Als Ergänzung zu staatlichen Schul- und Berufsausbildungen unterstützt das bfi die Anerkennung von informell erworbenen Kompetenzen, die im künftigen Europäischen Qualifikationsrahmen berücksichtigt werden. Gemeinsam mit dem Partner SystemCERT Zertifizierungs GmbH werden jetzt schon vorbereitende Ausbildungen angeboten, um praktische Fertigkeiten und theoretisches Wissen, etwa als QualitätsmanagerInnen, operative Führungskraft oder FachtrainerIn, international vergleichbar zu machen. Heute geht es weniger um den Beruf als solchen, meint Franz-Josef Lackinger, sondern um ein gutes Ausbildungssystem der Zukunft.
Bei der Berufswahl könne man manchmal ums Eck denken. Auch ein Hafner kann wieder Zukunft haben. Weil es vielleicht wieder modern sein wird, Kachelöfen zu bauen. Generell gilt: Zukunft hat, wer kompetent für seine Kundinnen und Kunden arbeitet.
 

Internet:
Neue Berufe und Berufsfelder:
www.bfi.at/links/berufsinformation 
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