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Schöne neue Arbeitswelt Zur Beschreibung gesellschaftlichen Wandels sind mittlerweile die unterschiedlichsten Titel, wie zum Beispiel "Arbeitsgesellschaft", "Dienstleistungsgesellschaft", "Risikogesellschaft", "Wissensgesellschaft" oder "Informationsgesellschaft" gebräuchlich.

Schöne neue Arbeitswelt

Schwerpunkt

Die technische Weiterentwicklung beeinflusst unser Arbeiten in besonderem Maße. Es sind Menschen, die diese Technik bedienen.

Wir sind gewohnt, Arbeit nicht nur mit Beschäftigung, sondern auch mit Existenz gleichzusetzen. Während Arbeitslosigkeit als zu vermeidendes gesellschaftliches Risiko eingestuft wird, wird steigende Beschäftigung bejubelt. Das Interesse an der Entwicklung des Arbeitsmarktes sowie an Szenarien des künftigen Arbeitskräftebedarfs, gekoppelt an entstehende Berufsfelder, Branchenentwicklungen und gefragte Qualifikationen ist dementsprechend groß. Die Antworten von ArbeitsmarktexpertInnen, aber auch sogenannten ZukunftsforscherInnen fördern dabei häufig vor allem eine Bestimmungsgröße zutage, die die Arbeitswelt maßgeblich prägen wird: die Weiterentwicklung der technischen Rahmenbedingungen des Arbeitens. Und sie haben recht, denn die Technik, die wir einsetzen, beeinflusst unser Arbeiten in besonderem Maße, das gilt seit dem Faustkeil - und für die Dampfmaschine genauso wie heute für den Computer.

Brave New Work

Die Erleichterungen in der Arbeit, die seit jeher mit technologischem Fortschritt verbunden sind, verleiten immer schon dazu, die künftige Arbeitswelt als "schöne neue Arbeitswelt" zu präsentieren. Rationalisierung, technische Arbeitserleichterung und neue Arbeitsorganisation werden gerne mit der Aussicht auf eine Befreiung des Individuums von der Last der Arbeit verknüpft. Gleichzeit wird Arbeit dabei visionär auch als zwanglos, vorwiegend dem Impuls der Selbstverwirklichung, Kreativität und Austausch folgend, neu interpretiert - eine Zukunft, die sich in der zunehmend vernetzten Welt immer stärker abzeichnet.
Doch weder die im Zuge der Industrialisierung verbreiteten euphorischen Zukunftsszenarien noch die seit den 1990er-Jahren durch Flexibilität und Selbstbestimmung charakterisierten populären Bilder moderner Arbeit - gipfelnd im Phänomen der "Ich-AG" - stimmen mit der Arbeits- und Lebensrealität des Großteils der Arbeitenden überein. Die Situation der ArbeiterInnen in der Industrialisierung bestätigt dies ebenso wie jene der heutigen "Präkarisierten" und "Working Poor". Auch wenn wir in den westlichen Industrieländern heute - vor allem auch dank der Gewerkschaftsbewegung - unter vergleichsweise viel besseren Bedingungen als beispielsweise im 19. Jahrhundert arbeiten, kann technischer Fortschritt allein nicht mit einer umfassenden Verbesserung der Arbeitsbedingungen gleichgesetzt werden. Das ist das Mindeste, was man von Prognosen über zukünftiges Arbeiten verlangen können sollte.
Nichtsdestotrotz: Das Interesse an der Zukunft unserer Arbeitswelt bleibt bestehen und ist angesichts ihres gesellschaftlichen Stellenwerts auch berechtigt. Was lässt sich also über die Zukunft der Arbeit sagen, und wie lässt sich an die Frage herangehen? Trotz aller Unabwägbarkeiten, die das Zukünftige bereithält, bieten sich einige grundlegende Aspekte für einen Ausblick an. Der Ausgangspunkt der Fragestellung ist jedenfalls das einzige, was mit ziemlicher Sicherheit als konstant angenommen werden kann: der gesellschaftliche Wandel, der sowohl aktiv vorangetrieben als auch passiv erlebt wird und in jedem Fall Anpassung erfordert, die als Herausforderung und Zwang erlebt werden kann.
Zur Beschreibung gesellschaftlichen Wandels sind mittlerweile die unterschiedlichsten Titel, wie zum Beispiel "Arbeitsgesellschaft", "Dienstleistungsgesellschaft", "Risikogesellschaft", "Wissensgesellschaft" oder "Informationsgesellschaft" gebräuchlich. Die wichtigsten Veränderungen, die in diesen Zeitdiagnosen zum Ausdruck gebracht werden, sind neben den schon erwähnten technologischen Entwicklungen auch ökonomische und soziokulturelle Umwälzungen in einer globalisierten Welt, die in einem Wechselverhältnis stehen. Die damit verbundene Vielfältigkeit und oft auch Widersprüchlichkeit von täglichen Aufgaben und Abläufen in verschiedensten beruflichen und privaten Bereichen stellen das Individuum - als ArbeitnehmerIn, UnternehmerIn, PolitikerIn etc. - vor immer neue Orientierungsnotwendigkeiten.

Offene Zukunft - offene Bildung

In Bezug auf die Arbeitswelt interessieren zunächst vor allem die ökonomischen Entwicklungen. Mindestens genauso häufig wie Technik als Motor des Wandels beschrieben wird, wird Bildung bzw. Ausbildung als Antwort auf Herausforderungen ins Treffen geführt und nach den künftig gefragten Qualifikationen gesucht. Zwar wird technisches Know-how weiterhin mehr oder weniger als Beschäftigungsgarant angesehen, alles in allem ist die Qualifikationsforschung aber von der fachlichen Zuspitzung auf künftige Qualifikationserfordernisse zusehends abgerückt. Stattdessen treten die viel breiter angelegten Kompetenzen in verschiedenen Bereichen - soziale, personale, fachlich-methodische und handlungsbezogene1 - stärker ins Zentrum der Betrachtung. Das ist wenig überraschend, denn angesichts veralternder Wissensbestände und verkürzter technischer Innovationszyklen verliert vor allem fachliches Wissen schnell an Gültigkeit. Zu eng gefasste fachliche Ausbildung wird zum Problem, da man verstärkt "damit rechnen muss, Falsches gelernt zu haben und später in Umstände gerät, in denen man es wieder verlernen oder doch umlernen muss".2

Ruf nach Weiterbildung

Hierin besteht einer der Ankerpunkte für den mittlerweile unüberhörbaren Ruf nach mehr Weiterbildung und nach dem viel beschworenen lebenslangen Lernen. Der großteils neoliberale Einschlag dieses Rufs, soll hier nicht unerwähnt bleiben. Wer sich durch Weiterbildung entsprechend anpasst, wahrt seine Arbeitsmarktchancen und beruflichen Perspektiven. Die finanziellen, betrieblichen und organisatorischen Rahmenbedingungen für Weiterbildungsmaßnahmen hinken den Rufen bislang allerdings hinterher.
Die Zukunft ist offen. Auf Basis des bisher Gesagten sind allgemeine Einschätzungen zulässig, konkrete mittelfristige oder gar langfristige Prognosen, sind auf ihre Seriosität zu hinterfragen, umso mehr, wenn sie umfassende Szenarien neuer Arbeits- und Lebensweisen proklamieren. Ansetzen lässt sich bei aktuellen Problem- und Fragestellungen, die auch als Barometer für künftige Entwicklungen herangezogen werden können. Die Entwicklungen in verschiedenen natur-, aber auch sozialwissenschaftlichen Disziplinen können dafür eine gute Quelle sein. Nachvollziehbar ist demnach auch, dass die Zuspitzung auf konkrete Tätigkeitsbereiche und Berufsfelder höchstens für kurzfristige Prognosen taugt, da sie stark von der Konjunktur boomender Branchen bestimmt sein müssen. Diese können allerdings wie alle Trends genauso schnell Vergangenheit sein, wie sie am Horizont der vorausgesehenen Arbeitswelt aufgetaucht sind.
Aktuell befinden wir uns in einer Situation, in der vor allem die Einführung des Computers und der Medienwandel aufgrund der Entwicklungen des Internets die (Arbeits-)Welt entscheidend verändern. Gerade aber in einer Welt, deren Steuerung verstärkt in Technik ausgelagert wird, kommt dem Menschen - so viel Spekulation über die Zukunft sei an dieser Stelle erlaubt - eine besondere Stellung zu.
Davon ausgehend, dass Arbeit weiterhin hauptsächlich in Unternehmen unterschiedlichster Erscheinungsbilder organisiert sein wird, werden die "innovativen Unternehmen der nächsten Gesellschaft […] entdecken, dass Geistesgegenwart […] im Umgang mit Menschen, Maschinen und Ideen die knappste Ressource von allen ist. Und sie werden entdecken, dass nur der Mensch diese Ressource bereitstellen kann. Dies wird die innere Organisation von Unternehmen grundlegend ändern".3 Nicht nur hinsichtlich dieser "Ressource" wird daher Nachhaltigkeit ein Schlüsselthema der Zukunft sein. Dabei hängt es von der Definition dieser "Nachhaltigkeit" ab, ob der Wandel auch als Fortschritt bewertet werden kann. Die Kriterien dafür haben wir jetzt schon zur Hand, sie stecken unter anderem in den Begriffen Bildung, Demokratie, Ökologie, Gemeinwohl und Gesundheit.

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1 Vgl. John Erpenbeck/Volker Heyse (2004): Kompetenztraining. 64 Informations- und Trainingsprogramme, Stuttgart.
2 Niklas Luhmann (1997): Erziehung als Formung des Lebenslaufs, in: Lenzen, Dieter/Luhmann, Niklas (Hg.): Bildung und Weiterbildung im Erziehungssystem. Lebenslauf und Humanontogenese als Medium und Form, Frankfurt/M., Seite 11-29, Seite 13.
3 Dirk Baecker (2007): Studien zur nächsten Gesellschaft. Frankfurt/M., Seite 21.

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