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Unentbehrlich und unbedankt Die Betreuung von Kindern, SeniorInnenen oder Menschen mit besonderen Bedürfnissen hat eines gemeinsam: Es werden immer mehr Arbeitskräfte gebraucht, doch das Berufsumfeld ist alles andere als ideal.

Unentbehrlich und unbedankt

Schwerpunkt

Betreuung und Pflege haben eines gemeinsam: Es werden immer mehr Arbeitskräfte gebraucht, doch das Berufsumfeld ist alles andere als ideal.

Eine zeitgemäße Sozialpolitik verteilt keine Almosen, sondern verschafft Menschen das Recht auf Betreuung, Behandlung oder auf einen Einstieg ins Erwerbsleben. Ein modernes Sozialsystem sollte dabei auf die Bedürfnisse und bisherigen Versäumnisse - oder neu entstandenen Probleme - der Gesellschaft eingehen. Der soziale Zusammenhalt einer Gesellschaft beruht nicht zuletzt auf einem ausgebauten und sicheren Sozialstaat.

Bedarf an Pflegenden steigt

Doch ohne entsprechende Kranken- und Altenpflege hat eine Gesellschaft, die immer älter wird, keine Zukunft. Kranken- und AltenpflegerInnen sind tragende Säulen des Sozialsystems. Derzeit gibt es in Österreich circa 37.000 Beschäftigte in der mobilen und stationären Pflege und Betreuung. Sie sind in Alten- und Pflegeheimen und in der mobilen Betreuung tätig - die meisten von ihnen sind Frauen. Der Bedarf steigt. Zwar wird heute noch mehr als die Hälfte aller Pflegearbeit von Familienangehörigen übernommen (80 Prozent der Heimpflege wird von Frauen geleistet; 50 Prozent von Frauen, die zwischen 50 und 69 Jahre alt sind), doch: "Über die Jahre wird dieser Anteil zurückgehen. Es wird mehr Einpersonen-Haushalte geben und der Anteil der Frauenerwerbstätigkeit wird steigen. Somit muss das öffentliche Angebot ausgebaut werden", weiß Philip Gastinger vom Referat Wirtschaft der Gewerkschaft vida. Bis 2020 werden 13.000 weitere Pflegekräfte - umgerechnet auf Vollzeitarbeitsverhältnisse - in Österreich gebraucht.

Pflegeberufe sind Zukunftsberufe

"Die Beschäftigten sind mit der Wahl des Berufes sehr zufrieden, aber mit den Rahmenbedingungen hapert es", erklärt Willibald Steinkellner, Vorsitzender der vida-Sektion Soziale, Persönliche Dienste und Gesundheitsberufe. In einer von der AK Niederösterreich und der Ärztekammer Niederösterreich in Auftrag gegebenen Studie waren 23 Prozent der befragten ArbeitnehmerInnen aus den Gesundheitsberufen sehr zufrieden und 62 Prozent zufrieden mit ihrer Arbeit. "Die Befragten lieben ihren Beruf und haben sich mit ihren Bedingungen arrangiert", heißt es in der 2010 veröffentlichten Studie. Sie wissen, dass sie schwere Arbeit leisten und leiden unter den Belastungen oft stärker, als sie es zugeben wollen. Ein Hauptproblem ist, dass die Woche für Woche geleistete Arbeitszeit zum Teil deutlich höher ist als die vertraglich vereinbarte. Die hohe Zahl von Überstunden und Sonderschichten erschweren die Gestaltung und Planung der Freizeit, machen private Kontakte, das Familienleben und insbesondere die Vereinbarkeit von Beruf und familiären Betreuungspflichten schwieriger. Doch obwohl viele Arbeitskräfte gesucht werden, werden sie nicht adäquat - besonders im Vergleich zu anderen Mangelberufen - bezahlt.
Gesundheits- und Sozialberufe, aber auch die Kinderbetreuung gelten als klassische Frauenberufe. Die Hauptmotivation in einen sozialen Beruf einzusteigen liegt häufig darin, Menschen beizustehen und weniger in der finanziellen Absicherung. "Die KollegInnen, die in Gesundheits- und Sozialberufen tätig sind, haben eine hohe ethische Vorstellung von dem, was sie machen", weiß Steinkellner.
Erschwert wird der Einsatz der Gewerkschaften für höhere Einkommen dadurch, dass sich die Arbeitgeber aus dem privaten Pflege- und Betreuungsbereich quasi in einer Sandwichposition befinden. Ihr Hauptauftraggeber ist meist die öffentliche Hand. Drückt diese die Preise bzw. verweigert sie, für die erbrachte Leistung einen fairen Preis zu zahlen, geht das letztlich zulasten der Einkommen und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten.
Ein aktuelles Beispiel: Der Kollektivvertrag der Berufsvereinigung von privaten Arbeitgebern für Gesundheits- und Sozialberufe (BAGS), der für 60 Sozialberufe gilt, sieht für heuer eine Erhöhung der Löhne von zwei Prozent vor. Doch das Bundesland Salzburg weigert sich, diese weiterzugeben. Das Land will nur die Erhöhung des öffentlichen Dienstes übernehmen, gerade einmal 0,85 Prozent. "Daran sieht man, dass die Politik kein Interesse daran hat, dass die Gesundheits- und Sozialberufe mehr verdienen", sagt Willibald Steinkellner.

Kürzungen in der Steiermark

Am extremsten fällt das Sparen mit drastischen Kürzungen im Sozial- und Gesundheitsbudget in der Steiermark aus. Von den Betroffenen werden die Kürzungen freilich nicht kommentarlos hingenommen. Viele von ihnen, im April waren es über 500 Organisationen, haben sich in der Plattform 25 organisiert, die bundesweit durch Protestaktionen auf sich aufmerksam macht. So wie etwa die Lebenshilfe Steiermark.

Mehr als einzelne Härtefälle

"Die größten Probleme haben wir derzeit im Bereich vollzeitbetreutes Wohnen", sagt Monika Fließer, Betriebsratsvorsitzende bei der Lebenshilfe. In diesen Wohnungen leben Menschen mit Behinderung meist schon lange Zeit, manche schon an die 20 Jahre oder länger. Wenn der Dienst nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, würden viele Menschen ihre vertraute Umgebung verlieren, etwa weil sie in ein Heim übersiedeln müssten. Die Folgen wären nicht absehbar.
Die offizielle Politik spricht von einzelnen Härtefällen, die sie ja ohnehin beabsichtigen zu mildern. "Das ist eine Verharmlosung, es geht in der Steiermark um Hunderte Wohnplätze für Menschen mit Behinderungen, die zerstört werden, und um viele Hunderte gute Arbeitsplätze", fasst Monika Fließer zusammen. "Mit den Personalschlüsseln wie es die Sozialabteilung in ihrem Entwurf der Leistungs- und Engeltverordnung (LEVO) vorsieht, können wir die Einrichtungen nicht führen, das wäre verantwortungslos. Wir könnten nicht einmal die Gesetze wie das Arbeitszeitgesetz (AZG) oder Arbeitsruhegesetz (ARG) geschweige erst das Heimaufenthaltsgesetz einhalten", sagt Monika Fließer. Der Arbeitsaufwand für das noch verbliebene Personal wäre enorm, und gesetzliche Pausen oder freie Wochenenden wären nur ein theoretischer Wert. Burn-out-Syndrome und berufsbedingte Erkrankungen wären bald die Folge. Und was viele vergessen: Da alle Träger in der Steirischen Behindertenhilfe Personal abbauen müssen, können die Beschäftigten, die ihren Arbeitsplatz verlieren, im ganzen Bundesland keinen Arbeitsplatz in der Branche finden. Und das obwohl BetreuerInnen rein von den Bedürfnissen der Gesellschaft mehr denn je gebraucht werden.

Kinderbetreuung: Personalmangel

Mit schlechten Bedingungen kämpfen auch Kinderbetreuungseinrichtungen. Selma Schacht ist Vorsitzende des Betriebsrats des Vereins Wiener Kinder- und Jugendbetreuung. Gemeinsam mit ihren KollegInnen wehrt sie sich gegen schlechte Arbeitsbedingungen. "Chronischer Personalmangel macht es uns unmöglich, eine zeitgemäße pädagogische Arbeit zu leisten", merkt Selma Schacht an. Protest mit Wirkung: Bei den Kindergarten- und HortbetreuerInnen (jedoch noch nicht bei den FreizeitbetreuerInnen) wurden die Gehaltsstrukturen verbessert, im Gemeindebereich und bei vielen Vereinen wurde auch die bezahlte Vorbereitungszeit angehoben.
Freilich, eines der Grundprobleme wurde nicht gelöst. In Wien muss eine Kindergartenpädagogin gemeinsam mit einer Assistentin bis zu 25 Kinder betreuen, in der schulischen Tagesbetreuung muss ein/e BetreuerIn bis zu 25 Kinder allein beaufsichtigen. Bedingungen, die für alle Beteiligten sehr nervenaufreibend sind.

Protestmaßnahmen schwierig

Viele haben Bedenken, dass Protestmaßnahmen schwer durchzuführen sind. Streikende Pflegeheime oder Kinderbetreuungseinrichtungen wären auf Dauer eine Belastung für Kinder, KlientInnen und Angehörige. Schacht weiß aber aus eigener Erfahrung: "Betroffene, in unserem Fall Eltern, können sehr wohl in die Proteste miteingebunden werden. Sie haben natürlich ein Interesse daran, dass ein Notdienst während des Protestes aufrecht bleibt. Doch haben sich viele Eltern mit unseren Zielen solidarisch erklärt, da sie schließlich auch eine bessere Betreuung und Bildung - eben nicht nur Beaufsichtigung - für ihre Kinder wünschen", berichtet Selma Schacht. Bessere Bedingungen helfen allen: den ArbeitnehmerInnen, Betroffenen und ihren Angehörigen.

Internet:
Gewerkschaft vida
Soziale, Persönliche Dienste
und Gesundheitsberufe
tinyurl.com/62kb7cw
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