topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Energie mit Zukunft? Deutschland: Eine "Stromlücke", die von der Atomlobby für den Fall des Ausstiegs angeführt wird, gibt es nicht. Seit 2002 gab es jährlich Strom-Export-Überschüsse mit Werten um 20 Mrd.Kilowattstunden - das entspricht der Leistung von ca. 17 AKW.

Energie mit Zukunft?

Schwerpunkt

AKW-Super-GAU in Japan, Klimawandel, CO2-Problematik und steigender Strombedarf lassen Wellen der Energiedebatte hochgehen. Geht uns die Energie aus?

Vorweg: Nein, uns geht nicht die Energie aus. Es ist genug Energie vorhanden, es kommt nur darauf an, wie sie erzeugt, verteilt und verbraucht bzw. eingesetzt wird. Und wenn AKW abgeschaltet werden? Z. B. Deutschland: Eine "Stromlücke", die von der Atomlobby für den Fall des Ausstiegs angeführt wird, gibt es nicht. Seit 2002 gab es jährlich Strom-Export-Überschüsse mit Werten um 20 Mrd. Kilowattstunden (kWh) - das entspricht der Leistung von ca. 17 AKW. Zu verdanken ist diese Entwicklung dem Ausbau der erneuerbaren Energien.1 Doch Konzerne haben bestenfalls nur ein begrenztes Interesse, aus der derzeitigen Verschwendung sowohl bei der Erzeugung als auch beim Verbraucherverhalten auszusteigen. 

Lügen, Lügen, Lügen

Erst Ende Mai bestätigte der japanische AKW-Betreiber Tepco, dass die Kernschmelze in drei der sechs Reaktoren bereits kurz nach dem Tsunami vom 11. März stattgefunden hat, im angeblich bebensicheren Reaktor 1 bereits nach fünf Stunden (also schon allein durch das Beben, nicht durch die Flutwelle). Offizieller Grund für das Verschweigen: Angst vor Panik. Der Effekt ist, dass die Menschen in der Umgebung und bis hin in den Großraum von Tokio mit 35 Mio. BewohnerInnen radioaktiver Strahlung ausgesetzt waren und weiterhin sind. Jetzt werden ExpertInnen damit zitiert, dass das Ausmaß der Strahlenbelastung erst in zwei Jahren endgültig zu bewerten ist.2 Inzwischen werden die Menschen als lebendige Versuchskaninchen der Atomindustrie missbraucht - mit unabsehbaren Folgen. Erst nach 25 Jahren wurden im Zuge des Fukushima-GAU öffentlich die Opferzahlen von 35.000 bis 200.000 Toten als Folge des Super-GAU von Tschernobyl, die von Global 2000 und Greenpeace ermittelt wurden, in den Medien einem breiteren Publikum zugänglich gemacht.
"Atomkraft war und ist mehr denn je ein weltumspannendes Geschäft, mit dem einige wenige Staaten und Konzerne Jahr für Jahr Milliarden einnehmen. Ein Geschäft, das zugleich der Durchsetzung geopolitischer Interessen dient und tief in den militärischen Komplex hineinreicht", so die Schlussfolgerung von "Profil", das das AKW-Geschäft so beziffert: "Allein in Europa dürften … jährlich 200 Mrd. Euro mit der Erzeugung und dem Verkauf von Kernenergie, der Aufbereitung und Deponierung von Atommüll umgesetzt werden." Geschäft und tödliche Gefahr hängen eng zusammen: Nach max. 30 Jahren Laufzeit sind AKW in der Regel abgeschrieben und werfen, z. B. ein deutsches AKW mit 1.000 Megawatt Leistung, einen Nettogewinn von ein bis zu zwei Mio. Euro ab - am Tag!3 Je älter und damit gefährlicher die AKW, desto profitabler für die Betreiber! Für die älteren - und in den nächsten Jahren zur Stilllegung anstehenden - AKW allein in Deutschland ergeben sich "Zusatzerträge" von ca. 200 bis 300 Mio. Euro jährlich, für die neueren Anlagen summieren sich die jährlichen Zusatzprofite auf 300 bis 400 Mio. Euro. Über alle (aktuell betriebenen) AKW und alle Betreiber summieren sich diese Profite für jeweils ein Jahr Laufzeitverlängerung auf ein Gesamtvolumen von 4,6 bis 6,2 Milliarden Euro, so die deutsche Heinrich-Böll-Stiftung.4 Nach wie vor gilt die offizielle Diktion, dass der Atomunfall von Fukushima eine "Naturkatastrophe" war, um zu verschleiern, dass AKW nicht sicher betrieben werden können. Die Menschen sollen Atomunfälle als Naturgewalt hinnehmen. Die Atombetreiber verbreiten Unwahrheiten, um ihre Macht möglichst lange behalten zu können.

"Billiger" Atomstrom?

Abgesehen von menschlichen und wirtschaftlichen Opfern des aktuellen Atom-GAU in Japan - WirtschaftsforscherInnen rechnen mit zumindest 134 Mrd. Euro, möglicherweise deutlich mehr, als Folge der Katastrophe5 - ist Atomstrom schon ohne Unfälle alles andere als billig. 5.500 Mrd. Euro ist der geschätzte wirtschaftliche Schaden, den eine Kernschmelze in Deutschland anrichten würde. Zum Vergleich: Das deutsche Bruttoinlandsprodukt liegt bei etwa 2.500 Mrd. Euro. Das sagen nicht AtomgegnerInnen, sondern das ist das Ergebnis einer bereits 1992 im Auftrag des FDP-Wirtschaftsministeriums durchgeführten Studie der Prognos AG. Um dagegen versichert zu sein, müsste jede kWh Atomstrom heute mit zusätzlich 2,7 Euro belastet werden, fast dem 77-fachen des Preises, den die Atomkonzerne angeben. Eine kWh Strom für Private kostet hingegen im Schnitt 0,023 Euro. Doch die Konzerne müssen ihre Atomunfälle nur bis 2,5 Mrd. Euro versichern. Also bleibt der Atomstrom "billig" - 0,035 Euro kostet eine kWh in der Produktion - und die Kosten und das Risiko für die Allgemeinheit hoch!6 Das Schweizer Bundesamt für Zivilschutz zieht ähnliche Schlüsse. Müssten AKW-Betreiber die gesamten Versicherungskosten tragen, wäre kein AKW mehr in Betrieb.7  Auch "neuer" Atomstrom wird in Zukunft noch teurer: Der Europäische Druckwasserreaktor, der in Olkiluoto (Finnland) gebaut wird, kostet schon sechs statt den geplanten 2,5 Mrd. Euro.8 

Stresstests 

Wie schon nach Tschernobyl dient das Sicherheitsgerede als Deckmantel für das tödliche Atomgeschäft. Neuester tödlicher Schmäh: "AKW-Stresstest", der dann so ausgeht wie bei den Banken: Die Gewinne sprudeln weiter und die Bevölkerung zahlt Mrd. für die Folgen.
Auch beim jüngst verkündeten Atomausstieg der Schweiz ab 2019 bis 2034 beschleichen einen Zweifel. Die Politik ist unglaubwürdig. Sie hat Gesetze beschlossen, die der Atomindustrie genehm sind. PolitikerInnen sitzen in den Direktionsetagen von Atom- und Stromfirmen sowie in AKW-Baukonzernen, wie z. B. auch der österreichische Ex-VP-Kanzler Schüssel im deutschen Atomkonzern RWE mit einem Jahressalär von 117.000 Euro, Ex-SP-Kanzler Gusenbauer im Baukonzern STRABAG, der auch bei AKW mitbaut. Politiker sind mit der Atomlobby oft eng verfilzt - wie immer wieder auffliegende Bestechungs- und Schmiergeldzahlungen beweisen.9 Österreich könnte spätestens nach Fukushima mit seiner 92-Prozent-Ablehnung der Atomenergie in der Bevölkerung und ohne AKW im Land ein Zeichen setzen: Austritt aus EURATOM und IAEA, deren erklärtes Ziel Atomnutzung ist und in die auch Österreich jährlich mindestens 20 (so Minister Berlakovich) und bis zu 40 und mehr Mio. Euro laut NGOs einzahlt.
 

Prioritätenwandel?

Ein Wandel in der Energiepolitik ist möglich. Das beweisen unzählige Studien, die bereits erstellt - und wieder schubladisiert wurden. Eine jüngst von u. a. der Gewerkschaft "vida" beim Institut für Höhere Studien (IHS) in Auftrag gegebene Studie "Energie [R]evolution Österreich 2050" zeigt, was möglich wäre: Bis 2050 seien in Österreich die Halbierung des Energieverbrauchs, ein 85-prozentiger Anteil erneuerbarer Energieträger sowie eine Einsparung von mehr als 90 Prozent an CO2-Emissionen möglich. Vor allem im Wohnbau und Verkehrssektor ließe sich der gesamte Energieverbrauch bis 2050 auf 540 Petajoule beinahe halbieren. Dazu braucht es einen starken Ausbau des öffentlichen Verkehrs, eine Ökologisierung des Steuersystems, die Festlegung verbindlicher Ziele für die Reduktion der Treibhausgase sowie die Ausschüttung der Sanierungsmilliarde für den Wohnbau.10 Beim bis 2014 laufenden Förderprogramm des Bundes zur thermischen Sanierung im Umfang von 400 Mio. Euro sieht die AK eine massive soziale Schieflage und kritisiert die Klientelpolitik für Unternehmen und Ein- oder ZweifamilienhausbesitzerInnen. Das Programm bleibt ökologisch und ökonomisch weit hinter den Möglichkeiten zurück.11 Das war noch vor dem GAU von Fukushima. Wir werden sehen, ob die nächsten politischen Entscheidungen auf EU-Ebene und in Österreich die Notwendigkeiten berücksichtigen, oder ob die Entscheidungsträger wieder vor Lobbyinteressen á la "Wutbanker" in die Knie gehen werden. 

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
w.leisch@aon.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 
 

1 www.klimaretter.info und taz, 2. 7. 2010
www.welt-auf-einen-blick.de/energie/strom-export.php
2 Presse, 25. 5. 11
3 profil Nr. 17/11
4 www.boell.de 
5 Presse online 24. 5. 11
6 taz, 7. 11. 10
7 Tages-Anzeiger, 24. 2. 2007
8 Vortrag von Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Reinhard Haas, TU Wien, am 3. 11. 2010 im Afro-Asiatischen Institut, Wien
9 Profil, Nr. 17/11
10 IHS-Studie Markus Bliem et al: Energieszenario Österreich 2050 Energie [R]evolution Österreich 2050 tinyurl.com/3oc9o5y
11 www.wirtschaftundumwelt.at/4311/4312/4316 

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum