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Die Jugend von heute Die Generation Y - so bezeichnen Soziologen/-innen und TrendforscherInnen die nach 1980 Geborenen - ist mit Handy und Internet aufgewachsen und gilt als weltoffen und multikulturell. Wie passt da die Vorliebe für das Hotel Mama ins Bild?

Die Jugend von heute

Schwerpunkt

Mit fast 30 noch zu Hause im Hotel Mama und keinen fixen Job - verweigert eine ganze Generation das Erwachsenwerden oder lässt man sie nicht?

Time to leave home - schon 2007 thematisierte ein witzig-anzüglicher TV-Spot einer Möbelkette den Trend, dass Jugendliche immer länger zu Hause wohnen bleiben. Unerschwingliche Preise für Esstisch, Sesseln und Kästen dürften allerdings kaum der Grund dafür sein, dass etwa der typische Italiener erst mit 31 sein Elternhaus verlässt.
Deutsche werden durchschnittlich mit rund 25 und die Finnen "schon" mit 23 Jahren flügge. Frauen sind bei der Nestflucht meist etwas früher dran.
Die Generation Y - so bezeichnen Soziologen/-innen und TrendforscherInnen die nach 1980 Geborenen - ist mit Handy und Internet aufgewachsen und gilt als weltoffen und multikulturell. Wie passt da die Vorliebe für das Hotel Mama ins Bild? Das Phänomen hat wohl mehrere Ursachen, manche davon sind im Prinzip erfreulich.
Erstens: Die Kluft zwischen den Generationen ist deutlich kleiner geworden. Die meisten jungen Leute haben nicht mehr das Bedürfnis, ihr Elternhaus so rasch wie nur möglich zu verlassen, vielleicht unter anderem auch deshalb, weil sich viele infolge hoher Scheidungsraten nicht mehr mit beiden Elternteilen gleichzeitig matchen müssen beziehungsweise mitunter zwischen zwei "Elternhäusern" wählen können.
Zweitens: Auslandssemester und -praktika erfordern eine Flexibilität, die für junge Menschen mit fixen Mietkosten (oder gar einer eigenen Familie) nicht zu erreichen ist. Laut aktueller Eurobarometer-Umfrage waren etwa 28 Prozent der 15- bis 35-jährigen ÖsterreicherInnen schon zu Studien- oder Trainingszwecken im Ausland. Wobei im Übrigen Geldmangel der häufigste Grund ist, nicht ins Ausland zu gehen: 33 Prozent der jungen EuropäerInnen gaben an, sich einen Studienaufenthalt im Ausland nicht leisten zu können. Europaweit sind 53 Prozent der Befragten durchaus gerne bereit, im Ausland zu arbeiten.

Boomerang-Kids

Drittens erschweren steigende Kosten fürs Wohnen das Ausziehen; mit den durchaus üblichen 1.000 Euro Monatseinkommen bei Praktika und befristeten Dienstverträgen können selbst Gebildete vor allem in Großstädten nicht weit springen.
Nur 40 Prozent der unter 35-Jährigen SpanierInnen wohnen nicht mehr bei den Eltern, davon ist mehr als die Hälfte über 29. Das bedeutet, dass der weitaus überwiegende Teil der SpanierInnen unter 30 noch oder wieder zu Hause wohnt. Boomerang-Kids nennen die Briten das Phänomen, dass viele junge Menschen im Fall finanzieller Engpässe wieder zurück zu den Eltern ziehen.
Dass SüdländerInnen länger zu Hause wohnen als etwa SkandinavierInnen hat schon länger Tradition. In den vergangenen Jahren sind die Quoten allerdings überall gestiegen, das Verhältnis ist annähernd gleich geblieben. Die Unterschiede dürften nicht nur mit der für südliche Länder typischen katholischen Lebensplanung zusammenhängen, bei der man(n) direkt vom mütterlichen Herd zum Kochtopf der Gattin wechselt. Überall dort, wo Hausherren bei der Mietengestaltung ziemlich freie Hand haben, aber auch in ländlichen Gebieten, ist die Tendenz zum Eigenheim verständlicherweise größer - und das ist natürlich teurer als eine Mietwohnung. Last but not least wird in manchen nördlichen Staaten die "Nestflucht" in Form von Mietzuschüssen, Ausbildungsförderungen, Darlehen und Ähnliches staatlich gefördert.
Viertens sorgt natürlich auch die längere Ausbildungsdauer dafür, dass immer mehr junge Menschen immer später ausziehen. Seit 1981 hat sich die Zahl der MaturantInnen in Österreich verdoppelt, die AkademikerInnenquote beträgt rund 18 Prozent.
Fünftens: Leider sind diese AkademikerInnen zum Teil schlecht bezahlt, nicht wenige leben von einem befristeten Dienstverhältnis zum nächsten, von Gelegenheitsjobs oder beginnen notgedrungen eine zweite Ausbildung. Wer denkt schon an Familiengründung, wenn er/sie noch im Kinderzimmer wohnt oder sich bestenfalls einen Platz in einer WG leisten kann?

Lost Generation?

Fast auf der ganzen Welt hatte die Wirtschaftskrise für junge Menschen besonders dramatische Folgen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist deutlich stärker gestiegen als jene der anderen Altersgruppen. In Spanien ist fast jede/r zweite Jugendliche (44,6 Prozent) ohne Job! Angesichts solcher Lebensbedingungen ist es kein Wunder, wenn Betroffene auf die Straße gehen. Auch in vielen anderen Ländern sind die Jugendarbeitslosigkeitsquoten besorgniserregend hoch: Griechenland 36,1 Prozent, Slowakei 35,2 Prozent, Italien 28,6 Prozent, Schweden 24,1 Prozent.
Österreich steht mit offiziellen 9,4 Prozent hinter den Niederlanden und Deutschland noch relativ gut da, allerdings zählen Jugendliche in Schulungen nicht als arbeitslos. In Spanien war 2009 das Risiko der Arbeitslosigkeit für Jugendliche doppelt so hoch wie für Erwachsene. SpanierInnen unter 30 arbeiteten mehr als zweimal häufiger mit befristeten Verträgen (54,8 Prozent) als ältere ArbeitnehmerInnen (25 Prozent).

AkademikerInnen starten

Im Gegensatz zu den SpanierInnen scheinen die österreichischen Jugendlichen nach wie vor daran zu glauben, dass sie, "mithilfe individueller Problemlösungsstrategien Probleme am Arbeitsmarkt bewältigen können", so Bernhard Heinzlmaier, Vorsitzender des Instituts für Jugendkulturforschung. Global betrachtet könnte man durchaus besorgt sein, denn schließlich bedeutet die Tatsache, dass sich der reguläre Berufseinstieg für AkademikerInnen mit entsprechender Bezahlung immer weiter nach hinten verschiebt, auch, dass die Familiengründung immer später erfolgt oder womöglich ganz wegfällt. Letztendlich würde sich in einigen Jahrzehnten die Zahl armer und armutsgefährdeter PensionistInnen deutlich erhöhen, nicht nur durch (weibliche) AkademikerInnen, die nicht ausreichend Versicherungsjahre zusammenbekommen, sondern auch weil aus jungen Arbeitslosen meist prekäre ArbeitnehmerInnen und später verarmte PensionistInnen werden.

Made in Japan

Die Probleme der jungen Generation beschränken sich keineswegs nur auf Europa oder die westlichen Industriestaaten. In Japan etwa landen junge Menschen, die sich den herkömmlichen Traditionen nicht unterordnen möchten, immer häufiger auch trotz guter Schulbildung auf der Straße.
Schon Ende der 1980er-Jahre gab es jugendliche AussteigerInnen, die sich der bisher üblichen Reihenfolge Ausbildung und sofort danach lebenslange Zugehörigkeit zu einem Unternehmen verweigerten. Unter den sogenannten Freeters befanden sich auch viele AkademikerInnen. Die großen Konzerne verstanden geschickt, das anfangs coole Image dieser Gruppe zu nutzen und heuerten Freeters als geringfügig Beschäftigte oder mit Werkvertrag an.
Mittlerweile gibt es immer mehr Nachtwächter, Reinigungskräfte, Hostessen in Lokalen etc., die prekär beschäftigt sind. Nach wie vor gilt es in Japan aber als Schande, nicht zu einer Firma zu gehören. So nützen die Unternehmen die Scham und das schlechte Image der Freeters aus, um deren Honorare sukzessive zu reduzieren. ZeitarbeiterInnen und prekär Beschäftigte haben keine Rechte, ja, sie dürfen zum Teil nicht einmal die Papierkörbe der jeweiligen Arbeitgeber benützen.

Leben im Internet-Café

Wer sich nicht mehr als Parasiten-Single bezeichnen und von den Eltern durchfüttern lassen will, übernachtet in Internet-Cafés oder in einem Kabinen-Kino, wo es häufig verbilligte Nachttarife gibt.
Ausgerechnet die verheerenden Schäden durch das Erdbeben und den Tsunami haben dem Leben dieser jungen Menschen wieder Sinn verliehen. So mancher musiziert oder malt und sammelt Geld für die Opfer, manche nutzen ihre Internet-Kenntnisse, um Vermisste zu finden, oder sind als freiwillige HelferInnen in die Krisenregion gereist.
Ganz ähnlich wie die DemonstrantInnen in Madrid haben sie nach langer Zeit endlich wieder einmal das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun und können die Sorge um ihre berufliche Zukunft vorübergehend vergessen.

Internet:
Institut für Jugendkulturforschung
www.jugendkultur.at 
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