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Wenn Frauen sich ändern, ändert sich alles! Vor zwei Generationen noch waren die Frauen in Ägypten in überwiegender Zahl schlecht oder gar nicht ausgebildet. Das hat sich still und leise geändert: Heute sind mehr als die Hälfte der in Ägypten Studierenden Frauen.

Wenn Frauen sich ändern, ändert sich alles!

Schwerpunkt

Dieser Ausspruch von Naomi Wolf trifft auf die arabische Welt besonders zu.

Am Tahrir-Platz in Ägyptens Hauptstadt hat etwas stattgefunden, was vorher im öffentlichen Raum schier undenkbar gewesen ist: Junge Männer und Frauen verbrachten Nächte gemeinsam, wachten, schliefen, lebten und arbeiteten Seite an Seite. Gleichberechtigt und auf Augenhöhe. Auf Twitter und Facebook sind sie aktiv wie nie zuvor, und sie sind nicht auf den rollenden Zug der Revolution aufgesprungen, sondern sie waren es, die die Treffen der Jungen organisierten, twitterten und bloggten und den Unzufriedenen so ein mächtiges Sprachrohr verschafften.

Die treibende Kraft der Revolution

Sie waren - allen voran in Ägypten - die treibende Kraft hinter der kulturellen Revolution. Das kam nicht von ungefähr: Vor zwei Generation noch waren die Frauen in Ägypten in überwiegender Zahl schlecht oder gar nicht ausgebildet. Kaum eine genoss eine universitäre Bildung. Das hat sich still und leise geändert: Heute sind mehr als die Hälfte, der in Ägypten studierenden, Frauen. Naomi Wolf: "Sie werden ausgebildet, um Macht in einer Art und Weise auszuüben, von der ihre Großmütter nur träumen konnten: Sie fungieren als Zeitungsherausgeberinnen, initiieren Kampagnen um die Führung in der Studierendenbewegung, organisieren Spendenaktionen und halten Konferenzen ab."
Besonders die sozialen Medien haben es Frauen ermöglicht, ihre Führungsrolle wahrzunehmen: Scheuen sie im realen Leben (noch) vor der Rolle der Sprecherin, der Anführerin zurück, so können sie im www zu starken Führungspersönlichkeiten werden.

Kampf gegen das Patriarchat

Die Bloggerinnen bestimmen so auch das Bild mit, das sich der Westen von der arabischen Revolution macht: Für Fatma Emam ist der Kampf gegen die Diktatur auch ein Kampf der Ägypterinnen gegen das Patriarchat. Auf ihrem Blog "Brownie" beschreibt sie den Konflikt in ihrer eigenen Familie, die sie daran hindern wollte an den Protesten am Tahrir-Platz teilzunehmen. Doch nicht einmal die Drohung, sie von ihrem Heim zu verstoßen, konnte sie aufhalten. Sie war nicht die einzige Frau die es so empfand, wie sie es stellvertretend für viele auf ihrem Blog schrieb: "Die Revolution findet nicht nur auf dem Tahrir-Platz statt, sondern in jedem ägyptischen Haus."
Doch die Revolution in Ägypten - und mittlerweile auch in anderen arabischen Ländern - ist nicht ausschließlich eine der ganz Jungen. Salwa Bakr, eine renommierte ägyptische Autorin beschreibt die Stimmung bei den Demonstrationen so: "Der Platz war von unzähligen Sicherheitskräften umzingelt. Irgendwo hier musste auch mein achtzehnjähriger Sohn sein. Trotz des Gedränges erkannte ich Dutzende aus meiner Generation. Wir, die an den Studentenprotesten von 1972 teilnahmen, die die Befreiung des Sinai von der israelischen Besatzung und bessere Lebensbedingungen für die arme Bevölkerung forderten. Verblüfft stand ich da und konnte es kaum fassen, dass sich Ägypten noch einmal erhebt, nach Freiheit und Brot verlangt und sich dem schlimmsten Regime seiner neuen Geschichte zu entledigen sucht." Salwa Bakr findet auch einen Grund für die starke Beteiligung der Frauen in der ägyptischen Revolution: Viele Tausend Frauen gingen auf die Straße. Frauen, die in dieser Revolution unbedingt vertreten sein wollten, nicht zuletzt, weil sie unter dem alten Regime herbe Rückschläge bei bereits Anfang des 20. Jahrhunderts erzielten Errungenschaften erleiden mussten. Wie etwa das Recht auf Bildung und das Recht auf Arbeit."

Internetradio aus Jordanien

Auch in den neuen Internetradios spielen junge, gut ausgebildete Frauen eine entscheidende Rolle: Seit Beginn der 1990-Jahre boomen Onlinemedien im Nahen und Mittleren Osten. Die meisten von ihnen sind vor allem am Geldverdienen interessiert und senden daher Werbejingles und fetzige Musik. Doch einzelne Sender berichten auch kritisch über die Vorgänge in den Heimatländern und nehmen so eine wichtige Rolle in der Information der Demokratiebewegungen ein: Denn die staatlichen Sender sind in allen arabischen Ländern mehr oder weniger der Zensur unterworfen. Pionierarbeit leistet der Sender "Al-Balad-AmmanNet" aus der jordanischen Hauptstadt Amman. Er wurde bereits im Jahr 2000 als Internetradio von dem palästinensischen Journalisten Daoud Kuttab gegründet und ist seit 2005 auch auf einer UKW-Frequenz zu hören. Anders als andere Sender muss "Al-Balad-AmmanNet" nicht über Werbungen Geld und Gewinne einspielen: Das Geld für den Radiobetrieb kommt von verschiedenen internationalen Organisationen, etwa der George-Soros-Stiftung, der Europäischen Union, der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung und anderen Organisationen. Der erfolgreiche Sender nutzte eine Gesetzeslücke, um via Internet on Air zu gehen. Und er sendete, anders als andere Medien, vor allem Nachrichten über Ereignisse, die die Menschen in ihrem täglichen Leben persönlich betreffen.

Wie kann sie nur mit Männern reden?

Das journalistische Kerngeschäft bei Radio "Al Balad" besorgen professionelle ReporterInnen. Sie werden in Eigenregie ausgebildet. So wie die ehemalige Arzthelferin Asma Rajaa. Die 26-Jährige verantwortet heute zusammen mit einer Kollegin eine wöchentliche Sendung mit Reportagen aus dem Jordantal. Asma Rajaa: "Wenn ich Interviews gemacht habe, hieß es immer: Was für eine Schande! Wie kann sie nur mit Männern reden? Zum Glück hat meine Familie zu mir gehalten. Aber unter dem Gerede haben sie ziemlich gelitten. Ich war halt die erste Journalistin im Dorf." Asa Rajaa und ihre Kollegin Munira Shattia berichten über alles was wichtig ist: schlechte Schulen, fehlende öffentliche Verkehrsmittel, Kindstötungen und Menschenhandel. Durch ihre Recherche wurde vor kurzem ein korrupter Bürgermeister ihrer Region überführt und tatsächlich entlassen. Anders als in Ägypten und anderen arabischen Ländern, spielten selbstbewusste Frauen in Tunesien schon lange eine wichtige Rolle: Dort ist die Gleichberechtigung weit fortgeschritten, Frauen stellen ein Drittel der Anwälte im Land, Abtreibungen wurden früher als in den USA legalisiert. Die Beteiligung zahlreicher Frauen an den Protesten war daher selbstverständlich.
Eine der wichtigsten Quellen zu den Protesten in Tunesien ist die Bloggerin Lina Ben Mhenni (atunisiangirl.blogspot.com). Sie reiste durch das Land, fotografierte die Toten und die Zerstörung und schrieb darüber auf Arabisch und Französisch, einige Beiträge sind sogar auf Englisch und Deutsch erschienen. Außerdem setzt auch sie sich speziell für Frauen ein, berichtet darüber, dass die Frauenrechte zwar gesetzlich garantiert, im politischen Leben aber nicht verwirklicht sind, und stellt andere Feministinnen vor. Tunesische Feministinnen blicken allerdings besorgt in die Zukunft ihres Landes. Sie befürchten eine Einschränkung der Frauenrechte, sollten sich nach den Wahlen im Juli islamische Kräfte durchsetzen. Anne Emmanuèle Hassairi von der feministischen NGO Assiociation Tunisienne des Femmes Démocrates ist besorgt, was die Zukunft für tunesische Frauen bringen wird. Sie nennt als Beispiel das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, über das die Frauen in Tunesien seit 1973 verfügen, das aber derzeit untergraben werde. "Einige Kliniken haben den medikamentösen Schwangerschaftsabbruch eingestellt, der im Jahr 2009 noch 55 Prozent aller registrierten Schwangerschaftsabbrüche ausmachte", sagt Hassairi. Auch in einem Land, das bislang keine nennenswerte Demokratiebewegung hervorbrachte tut sich etwas: In Saudi-Arabien demonstrierte Manal al-Scharif am 26. Mai durch Fahren mit dem Auto ihren Wunsch nach Veränderung und Entwicklung und landete dafür prompt im Gefängnis.

Chefredakteurin im Jemen

Der jüngste Hotspot in Sachen Demokratisierung dürfte der Jemen sein. Auf den Videos aus Sanaa sind zwar noch sehr selten Frauen zu sehen, und wenn dann streng verschleiert, die junge Chefredakteurin der "Yemen Times", Nadia Al-Sakkaf berichtet aber bereits seit 2005 kritisch über die Vorgänge in ihrem Land und ist auch ein Sprachrohr in der Welt für ein Land, das gerade "ein Erdbeben" erlebt.
Frauen spielen in diesen Bewegungen eine maßgebliche Rolle, und es bleibt zu hoffen, dass sie auch in nachrevolutionären Zeiten sichtbar bleiben.

Internet:
Mehr Infos in folgenden Blogs:
www.leilzahra.net 
atunisiangirl.blogspot.com 
egyptianchronicles.blogspot.com/
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