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Billig mit Folgen Die Deponien gehen mittlerweile weltweit über von Plastikmüll, und weil sie das tun, findet sich Plastik mittlerweile tatsächlich überall: im Boden, im Wasser, in der Nahrungskette von Tieren, die daran zugrunde gehen, und in unserem Blut.

Billig mit Folgen

Schwerpunkt

Längst ist das Plastikzeitalter angebrochen, doch das Wundermaterial von einst erweist sich immer öfter als Bedrohung für Gesundheit und Umwelt.

Es gab eine Zeit, da fuhr man mit dem Auto in die Werkstätte und ein Mensch im Blaumann schraubte etwas auf, tauschte etwas Winziges aus (manchmal wurde es auch nur gereinigt, geschüttelt und beklopft) und schraubte es wieder zu. Das Auto war wieder repariert. Es gab eine Zeit, da konnte fast jeder einen Mixer, einen Haarföhn oder auch einen Wecker reparieren. Weggeschmissen wurde nur selten. Ersatzteil war etwas Kleines und Billiges, das sofort aus kleinen Laden gezogen wurde.

Plastik allüberall

Es gab eine Zeit, da hob man Lebensmittel in hygienischen Glasbehältern auf und kleine Kinder bekamen ihre Milch entweder von Mamas Busen oder aus einem Glasflascherl.  Es gab eine Zeit, da wurden Einkäufe in Körben und Kisten verstaut und Obst, Gemüse aber auch Fleisch und Wurst war in Papier eingepackt. Brot entweder gar nicht oder auch in Papier. Und Fisch sowieso. In manchen Ländern sogar dann, wenn er warm aus dem Fritter kam. Das hieß dann Fish and Chips und die Verpackung war gleichzeitig Teller und Lesestoff und bestand aus der Tageszeitung von gestern.
Heute ist alles anders: Versuchen Sie einmal drei Schrauben zu kaufen und nicht auch noch zwei Deka Plastikmüll dazu. Versuchen sie Obst im Supermarkt unter Vermeidung von Plastikfolien oder Raschelsackerln nach Hause zu bekommen. Und Fleisch tritt ohnehin so gut wie immer in seiner plastifizierten Form auf. Und wenn alkoholfreie Getränke nicht in Aludosen daherkommen, dann treten sie so gut wie immer in Plastikflaschen auf. Und sind sicherheitshalber auch gegen Entlaufen mit einer steifen Plastikfolie gefesselt.

Schädliche Weichmacher

Wir leben also in einer Plastikwelt und der Verpackungswahnsinn ist nur ein Teil der ganzen Wahrheit. Denn Plastik, das selbst für kritische Geister als sauberer und ziemlich sicherer Werkstoff erscheint, schadet weit mehr als nur durch das ständig schnellere Anwachsen der Müllberge: Sie bestehen aus Plastik und Plastik frisst die letzten Ölreserven gemeinsam mit dem Verkehr. Unsere Kinder leiden unter den verschiedenen Hilfsstoffen im Plastik. So besteht Weich-PVC aus bis zu 60 Prozent Weichmachern. Und obwohl die EU für diese erwiesenermaßen schädlichen Stoffe ein Anwendungsverbot für Babyartikel und Kinderspielzeug erlassen hat, gibt es bis heute kein Importverbot für Kinderspielzeug, das diese krebserregenden und keimschädigenden Weichmacher enthält.
Doch selbst bei Plastikgegenständen aus heimischer Produktion finden sich verbotene und bedenkliche Inhaltsstoffe, weil die Gegenstände oftmals nur in Europa gefertigt werden, das Ausgangsmaterial - Plastikgranulat - allerdings aus Fernost importiert wird und die Produzenten sich auf das Firmengeheimnis berufen, wenn es darum geht, für Klarheit und Konsumenteninformation zu sorgen.
Allein wie viel Plastik verwendet wird, um ein durchschnittliches österreichisches Frühstück zu verpacken: Da ist einmal das Plastik rund ums Brot oder Semmerl, das Plastik, in das die Wurst immer häufiger eingeschweißt wird - und der Käse; wer Saft auftischt, hat auch immer öfter eine Plastikflasche im Einkaufswagerl, Joghurt, Frischkäse und andere Milchprodukte sind ebenso in Plastik gewickelt, wie auch das Müsli nicht ohne Plastiksackerl auskommt. Obst und Gemüse werden immer öfter ausbruchssicher in Plastikhäute eingeschweißt, und dass man die Einkäufe im Plastiksackerl nach Hause trägt, ist leider auch noch gang und gäbe, obwohl sich erste Länder, wie zum Beispiel Italien, zu einem Plastiksackerlverbot durchringen.

Lange Historie

Doch Plastik hat eine lange Geschichte: Bakelit war der erste industriell hergestellte Kunststoff, der vom 1863 in Gent geborenen Chemiker Leo Hendrik Baekeland erfunden wurde. Baekeland verkaufte sein erstes Patent (für ein empfindliches Fotopapier) um eine Million Dollar an George Eastmann von Kodak in den USA und hatte von da an genügend Geld, um weiter an der Entwicklung von Kunststoffen zu arbeiten.
Die Elektroindustrie, die sich in diesen Jahren entwickelte, brauchte einen leistbaren Ersatz für den immer teurer und rarer werdenden Schellack, der von fleißigen Läusen produziert wurde. Bakelit wurde 1907 zum Patent angemeldet und löste einen wahren Entwicklungsschub bei Gebrauchsgütern ebenso wie bei technischem Gerät aus. Härte, Unempfindlichkeit und Formbarkeit machten den ersten industriell hergestellten Kunststoff zu einem idealen Werkstoff für Haushalts- und Elektrogeräte. Im 2. Weltkrieg spielten Kunststoffe im Flugzeugbau eine erste wichtige Rolle, und nach dem Krieg boomte der Werkstoff unaufhaltsam. Nur kurz wurde der Höhenflug des Plastiks vom 1. Ölschock unterbrochen: Der Ruf "Jute statt Plastik" verhallte schnell.

Kunststoff löst Stahl ab

1935 ließ du Pont unter dem Namen "Polyamid 6,6" eine Faser patentieren, die später unter dem Handelsnamen Nylon für Furore sorgen sollte. Ab nun war der Kunststoff kein Rohstoff für technische Geräte allein, sondern er begann die gesamte Produktwelt zu erobern. Und das tut er bis heute. 1984 überflügelte die weltweite Kunststoffproduktion erstmals die von Stahl. Lag die Weltjahresproduktion 1949 erst bei einer Mio. Tonnen, wurden 1990 bereits 86 Mio. Tonnen verbraucht. Der jährliche Zuwachs liegt heute bei rund fünf Prozent und geht vor allem auf das Konto der asiatischen Boomländer China und Indien.
Und das Wachstum geht nicht nur bei den allgegenwärtigen Verpackungsmaterialien munter weiter: Waren 1975 rund sechs Prozent an einem Auto aus Plastik, so sind es heute rund 14 Prozent. Stahl ist als Werkstoff also weiter auf dem Rückmarsch.
Nur, dass sich zur Begeisterung mittlerweile auch ernste Bedenken mischen. Denn was auf der einen Seite ein echter Produktvorteil sein kann: die Langlebigkeit; das ist auf der anderen Seite - nämlich am Ende des Produktzyklus - ein echtes Problem: die Entsorgung.
Die Deponien gehen mittlerweile weltweit über von Plastikmüll, und weil sie das tun, findet sich Plastik mittlerweile tatsächlich überall: im Boden, im Wasser, in der Nahrungskette von Tieren, die daran zugrunde gehen, und in unserem Blut.
Wir haben es offensichtlich mit dem Plastik sosehr übertrieben, wie mit keinem anderen Werkstoff seit der Mensch Dinge produziert. Da als erstes sichtbar wurde, dass Plastik für viele Jahre unverrottbar auf den Mülldeponien herumlag, bauten findige Chemiker Sollbruchstellen in die Makromoleküle der Kunststoffe ein. So kommt es, dass sich Plastik mittlerweile unsichtbar über die gesamte Welt verbreitet hat. Dass ein immenser Strudel aus kleingeschreddertem Plastikmüll in den Weltmeeren ganze Tierpopulationen bedroht, führt nun nach und nach zu einem Umdenken beim Gebrauch des Wunderstoffes.
In Polycarbonat bereitet Bisphenol-A gesundheitliche Bedenken, weil es laut neuester Studien Schuld an der Zunahme einer ganzen Reihe von Krankheiten sein könnte. Im menschlichen Blut werden mittlerweile eklatant erhöhte Mengen an Bisphenol-A nachgewiesen.
Die Tierwelt im Meer leidet zunehmend nicht nur an Überfischung, sondern an dem folgenschweren Irrtum, dem viele Meeresbewohner aufsitzen: Sie halten das durch die Kräfte des Meeres kleingehackte Plastik für Beute und schlagen sich die Bäuche voll. Und verhungern elendiglich mit vollem Magen.

Auf der Suche nach Alternativen

Langsam setzt ein Umdenken ein. Zum einen wegen der zunehmenden Verpestung durch nicht verrottendes Plastik, zum anderen durch die berechtigte Sorge, dass der Rohstoff für das Plastik zur Neige gehen und sich mittelfristig der Werkstoff Kunststoff rasant verteuern könnte.
Dem versuchen ChemikerInnen durch "Tuning" des Stoffes beizukommen - also mit weniger Rohstoff gleiche Wirkung erzielen, zum anderen Umweltbewegte und PolitikerInnen - indem sie Maßnahmen für einen vernünftigeren Einsatz von Plastik forcieren. Also Plastik nur noch dort, wo kein anderer Stoff vergleichbare Vorteile bietet, und Alternativen (zum Teil bereits aus nachwachsenden Rohstoffen) für die vielfältigen Einsatzgebiete in denen Plastik durch andere Stoffe ersetzt werden kann.

Internet:
Plastic Planet:
www.plastic-planet.at 
Schreiben Sie Ihre Meinungan die Autorin
d.gordon@ideenmanufactur.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

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