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Bittersüß Im Vergleich zu Ländern wie Belgien und der Schweiz waren zwar deutlich weniger öster reichische Firmen auf der Messe vertreten, diese hatten jedoch erfreulich hochwertige Produkte vorzuweisen. Das Beispiel Zotter scheint Schule zu machen.

Bittersüß

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Auch an der Schokoladen branche geht die harte Realität nicht vorbei: Mit damit verdientem Geld wird Krieg finanziert und Kinder mühen sich bei der Ernte.

Als im Februar dieses Jahres die Internationale Süßwarenmesse in Köln stattfand - die größte Fachmesse für Süßwaren der Welt - herrschte hinter den Kulissen große Aufregung. Der Grund: Im westafrikanischen Land Elfenbeinküste, wo rund ein Drittel der weltweit geernteten Kakaobohnen wächst, herrschte Bürgerkrieg und wenige Tage vor der Messe war ein Kakao-Exportstopp ausgesprochen worden. Doch dies war mitnichten Thema bei der Pressekonferenz eines der größten "Player" der Schokoladenbranche, des Schweizer Konzerns Barry Callebaut. (Jahresumsatz 2009/10: 3,6 Milliarden, nach eigenen Angaben der weltgrößte Lieferant von hochqualitativem Kakao und Schokolade). Thema war die Zunahme von Fettleibigkeit und Diabetes in der sog. westlichen Welt und wie die Branche darauf mit immer kalorienärmeren Produkten reagiert. Auf konkrete Fragen, wie viel von dem, was wir für eine Tafel Schokolade zahlen dem Bauern bleibt, wurden die Antworten vage. Eine Aufschlüsselung sei nicht möglich, denn die Zahlen wären je nach Produktionsland total unterschiedlich. Nur eines war klar: Der Preis von Kakaobohnen hatte ein fast historisches Hoch erreicht. Multis wie Barry Callebaut tangieren jedoch sowohl hohe Preise als auch politische Unwägbarkeiten wie in den vergangenen Monaten in der Elfenbeinküste nur peripher. Denn die meisten Verträge werden lange im Voraus abgeschlossen und gegen den höheren Ka kao preis reagiert man schon eine ganze Weile kreativ mit neuen Kreationen, also Schokolade mit Zutaten, Füllungen. Und eine Firma dieser Größenordnung tut das praktischerweise durch den Ankauf von Firmen, die köstliche Füllungen, sei es Nougat oder Marzipan usw., herstellen. (Diese Art und Weise auf Kakaopreise zu reagieren hat übrigens Geschichte, indem man Nussschokolade erfand, umging man den teueren Kakaopreis.) Angesichts der aktuellen Unruhen in der Elfenbeinküste wurde jedoch ganz klar, wie sehr sogar ein Produkt wie Schokolade in Politik verstrickt werden kann.

Blutschokolade 

Seit 1978 ist das seit 1960 unabhängige Cote d’Ivoire, wie die Elfenbeinküste offiziell heißt, der weltweit wichtigste Produzent von Kakaobohnen. Der Handel mit Kakaobohnen war für den neuen Staat ein stabilisierendes Element, bis zur Krise Mitte der 1980er-Jahre. Der Preis sank dramatisch und 1989 erhielten die Bauern nur noch halb so viel für ihre Ernte wie einige Jahre zuvor. Der Anteil am Weltmarkt ging auf 20 Prozent zurück. Präsident Henri Konan Bedié, der 1993 Félix Houphonet-Boigny, der seit der Unabhängigkeit regiert hatte, nachfolgte, liberalisierte den Kakaomarkt. 1999 wurde Bedié in einem Putsch entmachtet, im Jahr 2000 gewann Laurent Gbagbo die Wahlen und gründete kurz darauf neben der bereits existierenden ARCC, Autorité de Regulation du Café et Cacao (Regulierungsbehörde für Kaffee und Kakao) vier neue Kakao-Institutionen, eine Kaffee- und Kakaobörse, eine Regulierungs- und Kontrollbehörde, eine Behörde für Investitionen und Entwicklung im Sektor sowie eine Garantiebehörde für Darlehen an Kooperativen. 2002 kam es zum Bürgerkrieg, ein Teil der Armee, die sog. "Forces Nouvelles" erhob sich gegen Präsident Gbagbo und brachte den nördlichen Teil des Landes unter ihre Kontrolle. Die UN setzte Friedenstruppen ein und der Konflikt wurde bis 2004 durch eine prekäre Machtaufteilung vorerst beendet. Nach einem weiteren Aufflammen des Bürgerkrieges einigte man sich auf Neuwahlen Ende 2005, die schlußendlich erst Ende 2010 stattfanden. Alassane Outtara gewann und bis er im April dieses Jahres sein Amt antrat, kam es erneut zu einem blutigen Bürgerkrieg. Dies war der Grund des eingangs erwähnten Exportstopps von Kakao - Outtara versuchte so, seinem Widersacher Gbagbo die Geldquellen zu entziehen.

Hot Chocolate für den Krieg

Bereits 2007 zeigte die britische Nichtregierungsorganisation "Global Witness" (die sich dem Zusammenhang von kriegerischen Aktivitäten und Rohstoffen widmet) in ihrem Bericht "Hot Chocolate", wie in der Elfenbeinküste Einnahmen aus dem Kakaohandel konkret zur Finanzierung kriegerischer Handlungen verwendet wurden. So erwirtschaftete Präsident Gbagbo mit Hilfe der von ihm geschaffenen neuen Kakao-Institutionen durch Korruption und obskure, intransparente Geldtransfers 58 Mio. Dollar für seine kriegerischen Ambitionen. Auch seine Gegner, die Forces Nouvelles, nutzten den wichtigsten Rohstoff des Landes für ihre blutigen Zwecke, indem sie einerseits verhinderten, dass Kakao, der im von ihnen kontrollierten Norden geerntet wurde, den Süden erreichte bzw. Zollgebühren auf Kakao erhoben. Dazu kam ein extrem repressives Klima - 2004 wurde der franco-kanadische Journalist Guy-André Kieffer im Zuge seiner Recherchen rund um den Kakaohandel ermordet. Sein Tod wurde nie vollständig aufgeklärt, der Schwager von Präsident Gbagbo, Michel Legré, war jedoch nachweislich darin verwickelt.

Noch immer Kinderarbeit

Kein Wunder also, dass genaueres Hinsehen bei vermuteten Machenschaften nicht so leicht fällt. Ein wesentliches Problem ist laut Mike Davis, Kakao-Experte von "Global Witness", dass die multinationalen Konzerne auf konkrete Nachfragen zu ihrem Geschäftsgebaren nicht offen Auskunft erteilen. Davis fordert, dass die multinationalen Konzerne viel transparenter sein müssen was ihre Zahlungen anbelangt, um sicher zu gehen, dass sie keine Kriegshandlungen finanzieren - im Vergleich zur Haltung von Konzernen in anderen von Rohstoffen befeuerten Konflikten seien, so Davis im Interview, die Süßwarenkonzerne "Dinosaurier", es mangelt massiv an Problembewusstsein.
Dies betrifft auch den Bereich Kinderarbeit. Schon Anfang der Nuller-Jahre verpflichteten sich die größten Konzerne im sog. "Harkin-Engel-Protokoll" bis 2008 für die Abschaffung von Kinderarbeit bei der Kakaoernte zu sorgen. Doch Reportagen wie "Bittere Schokolade" des dänischen Filmemachers Miki Mistrati zeigen, dass dieses Ziel gerade in der Elfenbeinküste keinesfalls erreicht ist. Das Problem besteht vor allem in mangelnden Kontrollen.
So war es nicht überraschend, dass Raphael Wermuth, ein Sprecher des Schweizer Konzerns Barry Callebaut auf die konkrete Frage, wie kontrolliert wird, dass es bei der Ernte keine Kinderarbeit gibt, lediglich antwortete, dass seine Firma Kinderarbeit gemäß der Definition der International Labour Organisation verurteile und schlußendlich nur die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Kleinbauern dies verhindern könne. Zudem meinte er, Barry Callebaut würde durch gezielte Projekte versuchen, nicht nur die Qualität der Kakaobohnen, sondern auch die wirtschaftliche Situation von Bauern zu verbessern.

Fairtrade - tu felix austria ...

Auf der Süßwarenmesse in Köln war Fairtrade ein wichtiges Thema. Kaum eine Firma, die nicht damit warb, bei genauerem Hinsehen wurde jedoch klar, dass es kaum Firmen gibt, die ausschließlich mit "fairen" Rohstoffen arbeiten.
Im Vergleich zu Ländern wie Belgien und der Schweiz waren zwar deutlich weniger österreichische Firmen auf der Messe vertreten, diese hatten jedoch erfreulich hochwertige Produkte vorzuweisen. Das Beispiel Zotter scheint Schule zu machen. Ein diesjähriger Neuzugang bei den österreichischen Fairtrade-Firmen ist die Firma "Frucht und Sinne" aus dem kleinen Ort Frankenmarkt in Ober österreich. Nachdem Christina und Thomas Kibler den heimischen Bauernhof mit rund 25 Kühen übernahmen, betraten sie außerdem berufliches Neuland. Sie fanden ihre Nische im Schoko-Markt, indem sie frische heimische Früchte gefriertrocknen und mit hochwertiger Schokolade umhüllen.

Fairtrade aus Österreich

Insgesamt arbeiten vier Leute in ihrem Betrieb und nahezu 30 Prozent ihres Umsatzes machen sie durch Reisegruppen - vor allem Tagesausflügler. Sie beliefern keine Supermärkte, sondern Confiserien und sogar Apotheken. Großen Anklang bei der Messe fand auch die Firma Pichler aus Sillian in Osttirol (nicht zuletzt deshalb, weil man Speck anbot). Hans Gerhard Pichler betreibt mit seiner Frau Petra und 22 MitarbeiterInnen eine Bäckerei, Konditorei, ein Café, eine Pension und stellt Schokolade her, mit der er mittlerweile rund 40 Prozent seines Gesamtumsatzes verdient. Die Umstellung auf Fairtrade ist im Gange. Hans Gerhard Pichler macht, wie er sagt, Schokolade aus Überzeugung und versucht stets neue Rezepte wie Apfelstrudel und Osttiroler Holunder-Schokolade.

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