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Feucht-fröhliche Geschäfte Rund die Hälfte der AlkoholikerInnen greifen nach erfolgreichem Entzug innerhalb von zwei Jahren wieder zur Flasche. Das Risiko eines Rückfalls hängt allerdings weitaus weniger vom beruflichen Umfeld ab, als man annehmen würde.
Zahlen & Fakten
Buchtipp

Feucht-fröhliche Geschäfte

Schwerpunkt

Trotz Präventionskampagnen und Alkoholverboten in vielen Branchen, gehört der Kontakt mit Wein, Bier & Co. in manchen Jobs einfach dazu.

Neben dem Gastgewerbe machen auch andere Branchen gute Geschäfte mit Alkohol: Man trinkt mit Kunden/-innen und GeschäftspartnerInnen ein Gläschen oder mehr; auf Firmenevents, Messen und bei Weinproben werden Kontakte geknüpft. Alkohol entspannt, lässt Probleme vorübergehend vergessen und erleichtert die Kontaktaufnahme. Für die nötige gute Stimmung brauchen manche allerdings eine immer höhere Dosis - so kann regelmäßiger Alkoholkonsum langsam und relativ unauffällig zur Abhängigkeit führen.
Die Statistiken darüber, in welchen Berufsgruppen am meisten Alkohol konsumiert wird und wo es die meisten Probleme gibt, unterscheiden sich je nach Land und Erhebungszeitraum. Neben Stress und Überforderung (u. a. aus Angst vor Arbeitslosigkeit bzw. dem Druck, sich Probleme nicht anmerken zu lassen) kann auch Unterforderung (Alkohol als Kick im Kontrast zum eintönigen Arbeitsplatz) eine der Ursachen sein. Arbeitslose sind im Übrigen ebenfalls gefährdet. Zu den typischen Risikogruppen zählen Baugewerbe, Gastronomie, Ärzte/-innen und ManagerInnen. Im Falle von Alkoholverboten am Arbeitsplatz werden G’spritzter, Krügerl & Co. eben nach Feierabend konsumiert.

Hochs und Tiefs

Nicht selten bleibt die Krankheit lange unentdeckt, Betroffene schaffen es, ihren Job, FreundInnen und PartnerInnen zu behalten. Oder auch umgekehrt: Das soziale Netz hilft dabei, den Alkoholmissbrauch und die beruflichen Nebenwirkungen in Grenzen zu halten. Die Vorstellung von der Alkoholabhängigkeit als einheitlich verlaufende Erkrankung mit entsprechenden Konsequenzen stimmt nicht ganz. In Langzeit-Studien hat sich herausgestellt, dass es häufig zu einem Pendeln zwischen Trinkphasen und kontrolliertem Alkoholkonsum kommt.

Nebenwirkung Alk-Entzug

Gar nicht so wenige Alkoholkranke machen auf einer chirurgischen oder internen Abteilung eine Entwöhnung durch - in Zusammenhang mit Operationen oder anderen Erkrankungen. Das hat den Vorteil, dass es "diskreter" ist, als in einer allgemein bekannten Einrichtung für Suchtkranke. Allerdings sind die langfristigen Erfolgschancen in speziellen Einrichtungen (auch mit entsprechender Nachbetreuung) vermutlich größer. Ein Alkoholentzug bedeutet nicht zwangsläufig, dass man auch längere Zeit stationär behandelt wird und entsprechend lange im Krankenstand ist. Es gibt außerdem die Möglichkeit ambulanter Behandlung im Spital - und manche schaffen es auch nur mit Unterstützung der Anonymen Alkoholiker. "Die regelmäßige Teilnahme an unseren Meetings hat kaum negative Auswirkungen auf das Berufsleben", erklärt Erwin P. von den Anonymen Alkoholikern Österreich. "Und ob jemand seine AA-Zugehörigkeit im Betrieb outen möchte, bleibt ihm selbst überlassen."
Alkoholkrankheit ist auch in großen Betrieben meist ein riesiges Tabuthema. "Und wenn es doch jemand anspricht, dann passiert es leider häufig, dass die Betroffenen ihr Problem hartnäckig leugnen", erzählt Peter Traschkowitsch, Leiter des vida-Projekts Gewalt am Arbeitsplatz. "So wird manchmal einfach eine Zeit lang abgewartet und dann die Kündigung ausgesprochen, ohne auf das Problem einzugehen."

Störfaktor Alkohol

Rund die Hälfte der AlkoholikerInnen greifen nach erfolgreichem Entzug innerhalb von zwei Jahren wieder zur Flasche. Das Risiko eines Rückfalls hängt allerdings weitaus weniger vom beruflichen Umfeld ab, als man annehmen würde. "Wir alle leben in einem Riesenwirtshaus", so Univ.-Prof. Dr. Michael Musalek, Leiter des Anton-Proksch-Instituts (API) in Wien. "Wer nicht trinkt, gilt als Spaßverderber. Dass trockene AlkoholikerInnen mit Alkohol in Kontakt kommen, lässt sich daher so gut wie gar nicht vermeiden. Therapie kann also nicht in die Richtung gehen, dass man in Zukunft mit Alkohol überhaupt nichts mehr zu tun hat. Ziel ist vielmehr, Alkohol als Störfaktor zu empfinden. Dann kann durchaus auch ein Weinbauer abstinent bleiben. Für PatientInnen, die beruflich mit Alkohol zu tun haben und bei denen im Laufe der Therapie klar wird, dass das Verlangen danach sehr stark ist (Craving), sollte man einen Berufswechsel andenken."
In Zusammenarbeit mit dem AMS werden dann Alternativen erarbeitet. Mag. Sebastian Paulick, Pressesprecher AMS-Wien: "Für trockene AlkoholikerInnen, die beruflich mit Alkohol zu tun haben, gibt es keine einheitliche Regelung. Jeder Einzelfall wird geprüft, Umschulungen - für die im Übrigen kein Rechtsanspruch besteht - sind denkbar."

Tägliche Herausforderung

Individuelle Lösungsansätze sind wichtig. Erwin P.: "Köche/-innen beispielsweise müssen sich entscheiden, wie sie mit dem Thema Abschmecken mit Alkohol umgehen. Vielleicht wenden sie sich vertrauensvoll an Kollegen oder wechseln lieber in eine Krankenhausküche, wo ohne  Alkohol gekocht wird." In einschlägigen Internet-Foren ist der tägliche Kampf  gegen die Droge ständiges Thema. Wer anfangs noch überzeugt war, sein Leben wieder voll im Griff zu haben, gerät  nach einiger Zeit im alten Umfeld mit trinkfreudigen FreundInnen, KollegInnen und Kunden/-innen, Familienfesten u. Ä. unter Umständen doch ins Wanken. Spezielle Rückfallpräventionsprogramme und/oder Selbsthilfegruppen können hier Unterstützung bieten. Wichtig ist außerdem, dass eventuelle andere Erkrankungen auch nach der Therapie (weiter) beachtet werden. So leiden etwa bis zu 75 Prozent der Alkoholkranken unter  depressiven Symptomen.

Beruflicher Wiedereinstieg

Viele sind nach dem Alkoholentzug jenseits der Vierzig. Mit dem Projekt BRISANT (Berufliche ReIntegration Stationärer Alkoholabhängiger PatientInnen Nach Therapie) möchte das API die Lücke zwischen stationärer Entwöhnungsbehandlung und beruflichem Wiedereinstieg schließen helfen. In Zusammenarbeit mit AMS und WAFF werden spezielle Kurse für in Wien arbeitslos gemeldete alkoholkranke Frauen und Männer über 40 angeboten.

Internet:
AK - Alkohol am Arbeitsplatz
tinyurl.com/6zk9f32 
Broschüre vom Institut Suchtprävention/ pro mente OÖ mit rechtlichen Aspekten und Handlungsanleitungen: Alkohol und illegale  Drogen am Arbeitsplatz
tinyurl.com/43y67q2
Schreiben Sie Ihre Meinung  an die Autorin
afadler@aon.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

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