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Katharina Klee Katharina Klee, Chefredakteurin

Standpunkt | Im Netz zappeln …

Meinung

Fisolengulasch - das war es, das würde ich mir kochen. Ich war mir an diesem Freitag nicht im Klaren, worauf ich wirklich Appetit hätte, dann las ich meine Facebook-Statusmeldung vom gleichen Tag 2010: "Ich gehe jetzt in die Küche und mache Fisolengulasch." So inspirierend kann Facebook sein. ;-)

Natürlich ist das sehr banal, aber es hat immerhin sechs Leuten gefallen und drei weitere haben Ergänzungsvorschläge gepostet. "Web-2.0-Tamagotchi" nannte Harald Katzmair im Interview für dieses Heft die sozialen Medien. Und so unrecht hat er mit diesem Vergleich nicht. Ich hatte ja auch so ein kleines elektronisches Spielzeug, das man regelmäßig füttern und streicheln musste, damit es nicht fiepsend zugrunde ging und mit Reset wiederbelebt werden musste.

Ego füttern

Ja, es stimmt: Heute füttere ich mein Ego übers Web 2.0: Da ein Foto online gestellt vom netten Abend, dort ein "Youtube"-Video geteilt mit einem fast vergessenen Lieblingssong, einen klugen Satz zum Twittern gefunden und einen Blogeintrag geschrieben. Das gefällt meinen "Freunden", "Followern", "Abonnenten", "Kommentatoren", sie zeigen mir Daumen hoch, antworten mit ihrem Lieblingssong, verbreiten meine Klugheit weiter oder kommentieren tröstend, anregend, ergänzend. Virtuelles Kuscheln. Ich bin nicht allein. Das kostet viel Zeit und bringt wenig. Denn schon ist meine Statusmeldung wieder in der Flut der anderen untergegangen, mein Tweet im allgemeinen Gezwitscher verklungen, mein Blogeintrag kaum mehr gelesen.

Geben und Nehmen

Im Web 2.0 wird sehr viel heiße Luft umgeschlagen und es ist nur begrenzt ein Netzwerkinstrument, da hat der Experte Katzmair schon recht. Die richtigen, wichtigen Netze, die uns Sicherheit geben und auffangen, die gibt es nur im wirklichen Leben, die müssen durch reale Begegnungen, durch Geben und Nehmen geknüpft werden. Aber heiße Luft sorgt für Auftrieb.Die meisten von uns verfügen über mehr als ein Netzwerk: Bei mir z. B. ist eines, das in der alten Heimat, das ich auch im Netz wiederbeleben konnte; so geht sich nun oft ein Kaffee im richtigen Leben aus, wenn ich meine Mutter besuche - angerufen hätte ich die alten SchulfreundInnen und Jugendlieben wohl kaum, so werden Wiedersehen unkompliziert eingefädelt und ich bleib am Laufenden. Das Web 2.0 gibt mir die Möglichkeit, mit den verschiedenen Freundeskreisen und Ex-KollegInnen Kontakt zu halten, und zwischen all den Wald-und-Wiesen-Postings gibt es immer wieder die mit Inhalt: eine echte Bitte, ein Schicksal, ein Fest, eine politische Aktion, eine wichtige Veranstaltung, eine unterdrückte Information, ein Appell, ein Lachen, eine Frage, die ich mir so noch nicht gestellt habe … Und Menschen wie Karim El-Gawhary, in dessen "Tagebuch der arabischen Revolution" nachzulesen ist, wie Web 2.0 zur politischen Mobilisierung und journalistischen Information genutzt werden kann. Andere Beispiele dafür finden sich in dem eben fertiggestellten Handbuch "Soziale Bewegungen und Social Media" - und am 19. und 20. Oktober gibt es Gelegenheit, das beim #sbsm-Camp im wirklichen
Leben mit wirklichen Menschen auszuprobieren.
Im Grunde ist es mit dem Web 2.0 wie mit dem Fisolengulasch - auf die richtigen Zutaten kommt es an und die sind individuell verschieden, wenn man Gehaltvolles will, muss man sich Zeit dafür nehmen, wirklich schmecken tut es nur, wer auch im wirklichen Leben mit mir zu Tische sitzt, eine Anregung kann es trotzdem auch für andere sein; alle Tage Fisolengulasch will kein Mensch, man kann sich dran überfressen und ein paar Fasttage von Zeit zu Zeit haben noch niemandem geschadet!

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