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Gesichter lieber dreidimensional erleben Freilich wird auch noch real Konversation betrieben - allerdings muss diese alle zehn Minuten unterbrochen werden, um mal eben die letzten Statusmeldungen im Facebook zu checken, um etwas zu "liken".

Gesichter lieber dreidimensional erleben

Schwerpunkt

Menschen, die das größte soziale Netzwerk "Facebook" boykottieren.

Ich möchte die Details meines Privatlebens nicht einer Firma übergeben, die der Meinung ist, Privatsphäre sei ein überholtes Konzept." Meint der 39-jährige Robert spontan auf die Frage, warum er Facebook nicht nutzt. Und Robert hat damit nicht unrecht: Die Meinung von Mark Zuckerberg, Gründer von Facebook zum Thema Privatsphäre spiegelt sich im Facebook-Konzept wider. Übrigens: Auch einer der wichtigsten Menschen von Google, Aufsichtsratchef Eric Schmidt hat zur digitalen Reputation eine interessante Meinung, die er in einem Interview einmal so formulierte: "Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es irgendjemand erfährt, sollten Sie es vielleicht ohnehin nicht tun."

Technik affin? Ja. Facebook? Nein.

Abgesehen von der Problematik mit der Privatsphäre trifft Robert Menschen, die ihm wichtig sind, lieber persönlich als virtuell. Eine ganz ähnliche Meinung dazu hat auch der 35-jährige Arzt Peter. Die beiden Männer sind aber keinesfalls als Technik-Verweigerer zu bezeichnen: Robert ist IT-Spezialist, nutzt Xing und LinkedIn für berufliche Kontakte und ist etwa drei Stunden täglich im Web unterwegs. Peter hat mit 26 Jahren beschlossen, dass er lieber mit Menschen als mit Maschinen arbeiten möchte und seinen hoch dotierten Software-Entwickler-Job an den Nagel gehängt, um ein Medizinstudium zu absolvieren. Heute nutzt er nur noch etwa 20 Minuten täglich das World Wide Web - hauptsächlich für medizinische Recherchen und
E-Mails.
Auch die logistische Sachbearbeiterin Katharina kann den beliebten Sozialen-Netzwerk-Seiten wenig abgewinnen: "Ich finde Facebook zu oberflächlich und möchte nicht zu viel Zeit im Internet verbringen, um Pseudo-Freundschaften zu pflegen. Außerdem stelle ich ungern persönliche Daten ins Netz." Nur etwa eine Stunde pro Woche nutzt die 34-Jährige das Internet. Damit liegt sie weit unter der Norm: Über 14 Stunden sind Herr und Frau DurchschnittsösterreicherIn monatlich online, wobei das im europäischen Schnitt (über 26 Stunden) noch recht wenig ist.

Abgeschnitten von Informationen

Die beiden jungen Männer räumen ein, dass sich auch Nachteile daraus ergeben, kein Facebook-Profil zu besitzen: Manche Informationen werden nur via Facebook ausgetauscht und sind daher nicht mehr (direkt) zugänglich. Katharina ergänzt, dass manche Informationen dadurch schneller und effizienter verbreitet werden können.
Kein Wunder: In Österreich sind 2,57 Mio. Menschen Faceboo-NutzerInnen, weltweit hat jeder zehnte Mensch ein Facebook-Profil. Bei einer solchen Durchdringung kann einem durch die Verweigerung dieses Kommunikationsportals - was Facebook im Wesentlichen darstellt - schon einmal die eine oder andere relevante Information aus dem Freundes- und Bekanntenkreis durch die Lappen gehen: Viele Einladungen zu Partys und sonstigen Events werden nur via Facebook administriert, die Geburt vom eigenen Baby wird für Freunde in Form von Statusmeldungen und dem ersten Foto bekannt gegeben und das Feierabendbier ausgemacht.

Zwischen Wirklichkeit und Fiktion

Die drei sind sich einig dabei, dass sie durch ihre Webnutzung ihren digitalen "Fingerprint" besser unter Kontrolle haben, und damit haben sie natürlich nicht unrecht: Das Web ist wie das ewige Eis: Was hier einmal an Informationen abgeladen wurde, ist nicht mehr so leicht zu eliminieren. Katharina sieht als weitere Gefahr, sich in einer Scheinwelt zu verlieren, persönliche Kontakte und Suchtgefahr nennt sie ebenfalls als Problempunkte. Tatsächlich spiegelt der virtuelle Auftritt in Facebook meist das coolere Alter Ego der tatsächlichen Lebensrealität wider. Zeugnis davon geben Statusmeldungen und Fotos von aufgeblasenen Onlinepräsenzen ab, die mit der realen Person etwa so viel zu tun haben, wie ein Elefant mit einer Maus.
Eskapismus - also die Flucht vor der Realität und Internetsucht müssen in diesem Zusammenhang ebenfalls erwähnt werden. Mittlerweile gibt es eigene spezialisierte Kliniken, um Internetsüchtige zu therapieren, meist sind es sogenannte jugendliche "Gamer" - Onlinespielsüchtige, die besorgte Eltern dort behandeln lassen. Von Facebook-Süchtigen und einer Therapie hört man zwar (noch) nichts, aber das permanente Abrufen von Statusmeldungen, Kommentieren und Hochladen von Fotos nimmt doch häufig zwanghafte Dimensionen an: "Dank Smartphones ist dies ja auch immer und überall möglich - und eigentlich ist es doch recht erstaunlich, wenn man im Cafe um die Ecke Freunde beobachtet, die anstatt in ein reales Gespräch vertieft zu sein, in ihre mobilen Endgeräte grinsen, weil sie gerade einen lustigen Kommentar von Susi gelesen haben und noch schnell ihrer virtuellen Fangemeinde mitteilen müssen, dass sie mit Tom und Helga gerade im Cafe um die Ecke sitzen und soeben den zweiten Cafe Latte bestellt haben. Freilich wird auch noch real Konversation betrieben - allerdings muss diese alle zehn Minuten unterbrochen werden, um mal eben die letzten Statusmeldungen im Facebook zu checken, um etwas zu "liken"." Das findet Peter doch etwas "absurd". Etwa 75 Prozent der österreichischen Gesamtbevölkerung nutzen das Internet - 42 Prozent davon auch über mobile Endgeräte, und wie man beobachten kann, ist das Abrufen von Nachrichten während realer Gespräche durchaus üblich.

Zeit für reale Treffen

Das pessimistische Bild, das durch die Interviewten gezeichnet wird, ist - trotz des individuell erlebten Nutzens von aktiven Facebook-NutzerInnen - nicht von der Hand zu weisen. Im Wesentlichen geht es um Ablenkung - oder wie es Peter zusammenfasst: "Ich will mich dem Zwang, permanent auf irgendwelche Statusmeldungen, Nachrichten und Freundschaftsanfragen reagieren zu müssen, nicht aussetzen. Wichtiger ist mir, dass ich Zeit für reale Treffen und auch mal Muße zum Nachdenken habe, denn das setzt bei mir viel eher kreative, neue Gedanken frei." So wählen ganz bewusst - nicht aus Angst vor der Technik oder mangels Zugang - manche Menschen einen Weg abseits von Facebook, trotz hoher Durchdringung: In der Altersgruppe der 18- bis 63-Jährigen, gehören rund 80 Prozent der ÖsterreicherInnen mittlerweile der Facebookpopulation an, über alle Altersgruppen gerechnet, liegt die Durchdringung immer noch bei über 30 Prozent. Zudem ist Facebook ein recht gleichberechtigtes Portal: Bemerkbare Nutzungsunterschiede von Mann und Frau gibt es nur bei den SeniorInnen, wo der Frauenanteil etwas geringer ist. Probleme haben die Interviewten ohne Facebook-Präsenz nicht: Laut eigenen Aussagen stört das ihr Sozialleben nicht - im Gegenteil sagen sie.
Katharina verortet sogar einen neuen Trend: Es ist durchaus hip, nicht in Facebook zu sein, denn selbst eingeschworene NutzerInnen der ersten Stunde äußern ihren Ärger über diverse Änderungen in der Nutzeroberfläche und bei den Privatsphären-Einstellungen. Zudem kommt noch dazu, dass es so etwas wie einen "Freundschaftszwang" gibt: "KollegInnen und entfernte Bekannte schicken Freundschaftsanfragen und bohren nach, wenn diese nicht innerhalb von Stunden bestätigt werden.

Einfacher ohne Facebook-Profil

Da ist es doch viel einfacher, gar kein Profil zu haben - dann muss man sich nicht entscheiden, ob man aufwendig erklären soll, warum man einen unsympathischen Kollegen nicht adden will oder mühsam Einstellungen vornimmt, um zu gewährleisten, dass genau dieser Kollege nur bestimmte Teile des Facebook-Profils sehen kann." Außerdem sagt Katharina, dass sie virtuelle Kommunikation ohnehin schwierig einschätzt: "Beim Chatten gibt es so leicht Missverständnisse."

:-) ersetzt kein Lächeln

Tatsächlich kann diese Form von Kommunikation ein wahrer Konfliktbeschleuniger sein: Im Vergleich zu einer realen Unterhaltung fehlen einige wichtige Komponenten: Mimik, Gestik und Tonfall können schwer über das Web vermittelt werden.
Auch wenn versucht wird, dies mit Akronymen - z. B. *lol* -> Laughing out Loud, oder Smilies - etwa  :-) - auszugleichen, geht viel an Ausdruck und Qualität verloren und eine unterschiedliche Vorstellung von Netiquette (Etikette im Netz) tut sein Übriges dazu. Facebook ist zwar eine Real-Name-Community, aber die Hemmschwelle, etwas Unhöfliches zu sagen, ist auch hier geringer, als in der Realität.

Internet:
VÖGB-Einführungsskriptum zu Web 2.0:
SK 07 als Download unter Kapitel
"Soziale Kompetenz":
www.voegb.at/skripten 
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