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Meine WWWelt Mit Pasquale Manfredi und Salvatore D‘Avino schnappte die Polizei zwei flüchtige Mafia-Bosse. Manfredi konnte geortet werden, weil er über einen mobilen Internetstick sein Facebook-Profil bearbeitete. Badefotos brachten D‘Avino zu Fall.

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Rund 750 Mio. Menschen besitzen einen Facebook-Account. Soziale Netzwerke werden als Bühne und persönliche Nachrichtenagentur genutzt.

Die Demokratisierung des Internets hat einen neuen Namen: soziale Netzwerke. Erstmals haben alle BürgerInnen die Möglichkeit, sich in der (virtuellen) Öffentlichkeit ein individuelles Image zu basteln und es gekonnt zu präsentieren. Längst veraltet: Homepages, die noch vor 15 Jahren von Enthusiasten ins Netz gestellt wurden, werden seit Jahren nicht mehr aktualisiert. Denn kein Mensch liest mehr diese Datenleichen. Doch Interesse nutzt dem Ego. Soziale Netzwerke haben das Problem der ewigen Anonymität gelöst, dem "Dutzendgesicht" eine gigantische Bühne geschaffen. Die politischen Folgen sind bemerkenswert, wie der arabische Frühling beweist. Der BürgerInnenbewegung haben Facebook und Twitter einen gehörigen Auftrieb verschafft. Facebook ist das Netzwerk der breiten Masse, mauserte sich vom Geheimtipp zum Werkzeug für jede Altersgruppe und ist auch die Firma, die weltweit am schnellsten wächst.

16 Stunden/Monat auf Facebook

Wer eifrig netzwerkt sieht, was sich im nahen, fernen und virtuellen Freundeskreis zuträgt. Noch sind die meisten UserInnen motiviert, Meldungen bei Facebook einzustellen oder zu kommentieren - etwa 750 Mio. Menschen haben derzeit ein Profil. Mit geringem Aufwand können zusätzlich Fotos, Filme und Musik mit Freunden geteilt werden. Der/die durchschnittliche UserIn verbringt ganze 16 Stunden im Monat mit Facebook-Aktivitäten - ein unbezahlter Nebenjob. "Facebook ist leicht bedienbar und hat auch schon frühzeitig eine App für Handys auf den Markt gebracht", erklärt Systemadministrator Franz Schäfer. Er sitzt im Bundesausschuss der GPA-djp work@IT (die Interessengemeinschaft für Menschen in IT-Berufen), nutzt Facebook neben Google+ und Twitter.

Mit Daten lässt sich Geld verdienen

Mit den von BenützerInnen hinterlassenen Daten wird viel Geld verdient, Facebook geht auch hier an neue Grenzen. Manch Datenschützern graust: Die Gesichtserkennung punktet vordergründig mit dem Vorteil, Fotos nicht beschriften zu müssen. Doch die Erkennung basiert auf der Auswertung heikler biometrischer Daten. Zusätzlich werden E-Mail-Adressen und Telefonnummern gesammelt. Wer "Freunde sucht", das Passwort seiner E-Mail-Adresse angibt, stellt damit auch ungefragt Adressen von Menschen zur Verfügung, die überhaupt nicht bei Facebook sind. Immerhin hat der Konzern zumindest auf den Widerstand seiner NutzerInnen reagiert und mögliche Einstellungen überarbeitet. Nach wie vor lässt Facebook Profile von WerbepartnerInnen durchforsten, außer, es wird in der komplizierten Datenschutzerklärung verweigert. Schlau: Der Umgang mit den Benutzerdaten wird im Kleingedruckten oftmals verändert.
Wer sich das Ausspionieren nicht länger gefallen lassen will, kann das Netzwerk bald wechseln. Mit Diaspora soll ein dezentrales Netzwerk etabliert werden. Das von vier New Yorker IT-Studenten initiierte Projekt wird von den NutzerInnen selbst kontrolliert. "Diaspora soll mit gegenseitigem Austausch funktionieren. Weder hat es eine Zentrale, noch wird das System groß verwaltet, und es steckt auch keine Firma dahinter, die Zugriff auf die gesamten Daten hat", erklärt Franz Schäfer.
Ein sympathisches Projekt. Selbst Facebook-Gründer Mark Zuckerberg rühmt sich, Geld für Diaspora gespendet zu haben. Ursprünglich wollte er mit dem Projekt Wirehog ein ähnliches Netzwerk schaffen, doch der lukrative Weg siegte.
Der erste Eindruck von Diaspora, das sich noch in der Entwicklungsphase befindet, ist eher ernüchternd. Die Menüführung ist grober als bei Facebook, die Seite nicht besonders übersichtlich. FreundInnen suchen gestaltet sich derzeit mühsam und verlangt Geduld. Zumeist sind die BenutzerInnen mit Pseudonymen unterwegs. Fazit: "Verschollene" Kontakte über Diaspora aufzufrischen, wird schwierig werden.

Seit Juli auch noch Google+

Offenkundig um Benutzungsfreundlichkeit ist derzeit Google+ bemüht. Interessant ist, dass Google mit Orkut schon seit Jahren ein soziales Netzwerk im Firmenportfolio hält. Orkut ist vor allem in Brasilien (2004 über 20 Mio. NutzerInnen) und Indien beliebt. Bisher hatte Google die sozialen Netzwerke aber unterschätzt und wenig Wert auf eine weltweite Vermarktung gelegt. Seit Juli ist Google+ im Netz, rund zehn Mio. NutzerInnen haben sich in der Erprobungsphase angemeldet. Offenheit wird demonstriert, denn der Konzern wurde allzu häufig wegen seiner Datenpolitik kritisiert. Täglich diskutieren Entwickler mit UserInnen über die neuen Funktionen von Google+. Frei nach dem Motto: "Sagt uns, was wir besser machen können, wir hören auch zu." Den Unterschied zu Facebook macht das Circle-Konzept. Muss die Freundschaft bei Facebook erst bestätigt werden, kann den Personen in den Circles - wie bei Twitter - gefolgt werden. "Bei Politikern, die ich nicht persönlich kenne, die mich aber trotzdem interessieren, will ich keine Freundschaftsanfrage schicken. Wenn ich ihn in den Circle aufnehme oder per Twitter folge, bleibe ich über die wichtigsten Sachen trotzdem auf dem Laufenden", erklärt Schäfer.

Die virtuelle Bühne verführt

Ein weiterer Unterschied ist der Gruppenvideo-Chat. "Wenn sich Google+ durchsetzt, könnte es für Skype eng werden", weiß Schäfer. Skype wurde vor kurzem von Microsoft übernommen. Für Google, Apple oder Facebook ist es nun "Feindestechnologie". Noch steht für die meisten BenutzerInnen einfache Handhabung im Vordergrund. Die Auswertung der Datenspuren ist vielen Menschen bislang egal, das zeigt sich etwa auch an der Flut diverser Kundenkarten. So lange keine unmittelbaren, persönlichen Erfahrungen mit Datenspionage spürbar sind, erscheint der Datenklau als notwendiges Übel. Selbst Menschen, die aus ihrer Profession heraus sehr vorsichtig sein müssten, unterschätzen die Möglichkeiten der Datenüberwachung und -Verknüpfung. Mit Pasquale Manfredi und Salvatore D‘Avino schnappte die Polizei zwei flüchtige Mafia-Bosse. Manfredi konnte geortet werden, weil er über einen mobilen Internetstick sein Facebook-Profil bearbeitete. Auf Facebook geladene Badefotos brachten D‘Avino zu Fall - sein Versteck war keins mehr. Die virtuelle Bühne für No-Names und Mafiosi verführt zu gefährlicher Eitelkeit.

Viel Info auf 140 Zeichen

Auch nach den Unruhen in England kooperierten Firmen mit der Polizei. Viele der erbosten - oder auch berechnenden - Jugendlichen kommunizierten über den Blackberry-Messenger. Ähnlich der SMS- Übertragung sind die Botschaften aber verschlüsselt und ausschließlich mit Blackberry-Geräten zu empfangen. Ursprünglich als Manager-Spielzeug gedacht, sind die Messenger heute für fast jeden in Großbritannien leistbar. War die Decodierung für die Polizei anfangs schwierig, hat Blackberry die Verschlüsselung und andere Daten bald zur Verfügung gestellt.
Politisch interessanter sind Funktionen wie die Twitter Hashtags (#). Dabei wird die gesamte Kommunikation zu einem Thema angezeigt. Bei diesen Meldungen, höchstens 140 Zeichen lang, sind sich NutzerInnen bewusst, dass ihre Botschaften öffentlich und nicht privat sind. Besonders häufig hat Experte Franz Schäfer die Hashtags während des Aufstands in Ägypten und im Zuge der Wikileaks US-Depechen-Veröffentlichungen benutzt. "Ich habe wesentlich schneller als in den anderen Medien mitbekommen, was sich gerade tut." Obwohl nur in Kurzform, ist der Informationsgehalt bei wichtigen Themen sehr hoch, da extrem viele Leute Neuigkeiten beisteuern. "Außerdem kann freilich auf längere Artikel verlinkt werden", ergänzt Systemadministrator Franz Schäfer.

Umgang mit eigenen Daten lernen

Die Menschheit, insbesondere die Jugend, wird den sorgsamen Umgang mit persönlichen Daten lernen müssen. Als Schulfach ist Facebook oder ein absehbarer Nachfolger längst keine reine Utopie mehr. Langfristig könnten sich parallel zwei neue Netzwerke ausbilden. Ein rein privates, das nur die allerbesten FreundInnen und die Familie umfasst. Und ein Netzwerk, das eigenen Interessen entspricht (etwa politischen), weitläufiger ist und kaum noch Intimes enthält.
Vorhersagen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen, ein Zitat, das unter anderem Mark Twain zugeordnet wird und dem sich Franz Schäfer gerne anschließt.

Internet:
Nähere Infos:
www.netzwertig.com 
Die Radiosendung: Der Facebook-Mensch von Deutschlandradio Kultur: Bis 31.12.2011
downloadbar auf
www.dradio.de 
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aw@oegb.at 

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