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Nazis online Sie sind überall. Neonazis werben in sozialen Netzwerken, auf Videoportalen und Blogs um Jugendliche. Es kann nicht geduldet werden, dass Rechtsextreme diese Dienste für ihre Hasspropaganda missbrauchen.
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Nazis online

Schwerpunkt

In den vergangenen Jahren haben Rechtsextreme europaweit ihre Umtriebe im Internet verstärkt, ihre Hassinhalte erreichen dadurch ein immer größeres Publikum.

Ein aktueller Clip auf Youtube: Fackelträger beim nächtlichen Marsch durch leere Straßen, die Gesichter mit weißen Masken verhüllt. Die Szenerie wird untermalt von dramatischer Musik. Dahinter stecken Neonazis, die vor dem "drohenden Volkstod" warnen und dabei rassistisches und antidemokratisches Gedankengut verbreiten. Das Video erzielte binnen weniger Wochen mehr als 20.000 Zugriffe.

Hasspropaganda in Sozialen Medien

Sie sind überall. Neonazis werben in sozialen Netzwerken, auf Videoportalen und Blogs um Jugendliche. Es kann nicht geduldet werden, dass Rechtsextreme diese Dienste für ihre Hasspropaganda missbrauchen. Betreiber wie YouTube und Facebook müssen ihrer Verantwortung nachkommen und mehr tun, um das zu verhindern.
Willi Mernyi, Gewerkschafter und Vorsitzender des Mauthausen Komitees Österreich (MKÖ) schildert seine Erfahrungen: "Facebook ist da recht schnell, genau wie ebay. Ein anderes Thema ist YouTube, die verstecken sich hinter Sprüchen, dass sie ja nur eine Plattform seien. Aber wenn beispielsweise Plattenfirmen Videos ihrer Künstler löschen wollen, stehen sie Habtacht und folgen der Aufforderung sofort. Allerdings ist YouTube schwer öffentlich angreifbar, weil man ja nicht Werbung für den von ihnen verbreiteten Dreck machen will." Vor allem bei stark emotionalen Themen sind die Zugriffszahlen sehr hoch: Ein rechtsextremes Musikvideo zum Thema Kindesmissbrauch brachte es bislang auf knapp 900.000 Klicks.
Ein Bericht der deutschen Infoseite jugendschutz.net zeigt: Je stärker sich die Aktivitäten der Rechtsextremen ins Web-2.0 verlagern, desto wichtiger ist es, dass große internationale Plattformen wie Facebook und YouTube Regeln aufstellen und effektiv durchsetzen. jugendschutz.net erreicht zwar in vielen Fällen eine schnelle Entfernung von strafbaren Inhalten aus dem Netz, es gibt jedoch zu wenige Vorkehrungen, damit diese oder ähnliche Beiträge nicht erneut hochgeladen werden.
Laut dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) sind das Verbotsgesetz und ähnliche Gesetze in anderen Ländern zwar auch im Netz anwendbar, aber der Zugriff ist schwierig bis unmöglich, da die Server einfach in Länder ohne solche Gesetze ausweichen. Juristisch ist das national nicht zu lösen, es ist zumindest eine EU-weite, besser noch eine globale Regelung anzustreben. Die UserInnen lehnen allerdings Einmischung und die Kontrolle des Internets unter der Parole "Free Speech" vehement ab. "Was für Zeitungen und elektronische Medien gilt, müsste auch für das Internet gelten. Das Internet soll keinen Sonderstatus haben!", sagt ein Mitarbeiter des DÖW.
Viele Macher solcher Seiten knüpften an der Lebenswelt sowie den Ängsten und Nöten der jungen Generation an. Sie instrumentalisierten Themen wie sexuellen Missbrauch, Finanzkrise oder Arbeitslosigkeit, um emotionalisierte Zukunftsdebatten anzufachen und fremdenfeindliche, antisemitische und antidemokratische Einstellungen zu schüren.

Rechtliches und politisches Thema

"Bei der Thematik gibt es mehrere Ebenen", erläutert Willi Mernyi. "Offen rassistische Seiten, wie Alpe-Donau-Info, die aus den USA ins Netz gestellt wurden, wurden lange nicht bekämpft, diese Seite ist jetzt aber endlich erledigt.
Dann gibt es Social Media, diese werden viel zu wenig bekämpft. Es gab zum Beispiel eine Seite auf Facebook 'Sperrt Mauthausen für Kinderschänder auf‘, die darauf baute, dass es gesamtgesellschaftlich keine Solidarität mit Kinderschändern gibt. Daraufhin hatte die Seite bald Tausende 'likes‘ zu verzeichnen, aber Facebook hat sie dann auf unser Betreiben gelöscht." Rechtsextremismus ist nicht nur ein rechtliches Thema, sondern auch ein politisches. Man kann eine Position der Betreiber erwarten, ist Mernyi überzeugt, "denn, es stimmt eines: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen."

Niemand soll das cool finden

Das MKÖ, das vom ÖGB zusammen mit der katholischen Bischofskonferenz und der israelitischen Kultusgemeinde gegründet wurde, macht viele Veranstaltungen, in denen vor allem Zivilcourage vermittelt werden soll. "Es soll niemand diese Schweinereien cool finden", erklärt Mernyi den didaktischen Ansatz: "Es ist nicht naiv zu glauben, dass es Veränderung zum Positiven geben kann, denn wenn heute Kids zum Beispiel Schwule ärgern nicht schlimm finden, aber Behinderte ärgern ablehnen, dann ist das eine signifikante Verbesserung zu früheren Zeiten, die natürlich nicht das Ende dieses Prozesses sein kann."
Der neoliberale Zeitgeist tue so Mernyi sein Übriges, denn "wenn ständig gepredigt wird, dass nur der Einzelne wichtig ist und die Gesellschaft unwichtig, dann hat man einerseits Leute, wie kürzlich bei den Ausschreitungen in London, die sagen: egal, dass das nicht mein Fernseher ist, ich will ihn, also stehle ich ihn, und andererseits Menschen, die einfache Antworten auf die Frage wollen, warum sie ihr Leben nicht auf die Reihe kriegen."
Daher sollte auch immer die gesellschaftspolitische Arbeit im Vordergrund stehen, die der ÖGB auch mit Nachdruck macht. In Deutschland machen die Gewerkschaften auch sehr viel, vor allem die IG Metall. Aber dort sitzen Nazis auch im Parlament, da gibt es auch tätliche Gewalt gegen GewerkschafterInnen. "Andererseits sitzen bei uns so Leute wie der Königshofer im Parlament, das ist auch nicht grade mustergültig. Aber wenigstens gibt es keine uniformierten Schlägertrupps, wie zum Beispiel in Ungarn", versucht Mernyi der österreichischen Situation Positives abzugewinnen.

Wer ist ein Neonazi?

Laut DÖW wird die FPÖ auf einschlägigen Seiten und auch auf Facebook und Twitter häufig genannt, überwiegend zustimmend. Sie verwehrt sich zwar vehement gegen die Vereinnahmung durch die Rechtsextremen, aber Fälle, wie Königshofer zeigen doch eine Affinität zu rechtsextremem Gedankengut. "Mit verbalen Abgrenzungen ist es nicht getan, was tut die FPÖ aktiv gegen diese Dinge, die sich in ihren Reihen abspielen? Der Ausschluss Königshofers hat das Problem sicherlich nicht gelöst", meint ein Mitarbeiter des DÖW.
Früher konnte man als BetriebsrätIn einen Neonazi leicht identifizieren, Bomberjacke, kurze Haare, Springerstiefel. Heute sind die Rechtsextremen nicht so leicht zu erkennen. In der starken oberösterreichischen Nazi-Szene sind die meisten gut angezogen, gehen einer geregelten Arbeit nach, sehen eher unauffällig aus, stehen also mitten in der Gesellschaft. Die Verknüpfung von Web-2.0-Bausteinen mit den "klassischen" rechtsextremen Angeboten sorgt für eine optimale Szenevernetzung. "Die Vernetzung funktioniert auch international gut, zum sogenannten 'Tag der Ehre‘ in Budapest, wo der gegen die Rote Armee gefallenen Schergen des Naziregimes gedacht wird, sind auch die Recken aus Österreich und Deutschland angereist", so das DÖW. Vielfach wird auf massive Hassparolen verzichtet. Stattdessen locken Neonazis mit Elementen einer modernen Erlebniswelt. Symbolik, sprachliche Codes und multimediale Ästhetik orientieren sich an jugendgemäßen Ausdrucksformen. Gepaart mit Themen, die junge Menschen bewegen, dockt die Agitation nicht nur an heutige Medienwelten an, sondern trifft auch inhaltlich auf Zustimmung außerhalb rechtsextremer Kreise.
Über 90 Prozent der Kids kommen über Nazimusik in die Szene. "Nicht jeder, der solche Musik konsumiert, wird auch ein Neonazi, aber die Musik ist so etwas wie die Einstiegsdroge für die Szene", weiß Willi Mernyi. "Da solche Musik verboten ist, ist sie eine Provokation, was gut ankommen kann, außerdem spielt die Kameradschaft eine große Rolle. Mittlerweile klappt auch das Verbieten der Konzerte in Österreich ganz gut, weniger weil die Polizei plötzlich überzeugter gegen die Neonaziszene vorgeht, sondern weil sie keine Scherereien will. Denn die gibt es bei solchen Veranstaltungen hundertprozentig."

Internet:
www.mkoe.at 
www.jugendschutz.net

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