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Das muss es uns wert sein In Österreich sind beinahe 450.000 Menschen pflegebedürftig. 88 Prozent davon sind über 60 Jahre alt und 16 Prozent sind in Pflegeheimen untergebracht.
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Das muss es uns wert sein

Wirtschaft und Arbeitsmarkt

Die Gewerkschaften vida und GPA-djp haben ein Finanzierungsmodell für solidarische Pflege und Betreuung entwickelt.

Die Finanzierung der Pflege und Betreuung ist in aller Munde. Fast allen ist mittlerweile klar, dass der Bedarf an und die Kosten für Pflegeleistungen jährlich ansteigen und daher rasch adäquate Finanzierungsoptionen auf den Tisch gelegt werden müssten. Leider sind viele der bisher diskutierten Vorschläge unterdotiert, weswegen die Gewerkschaften vida und GPA-djp einen eigenen Vorschlag zur Diskussion gestellt haben. Auf Basis von Preisen 2006 steigen die Gesamtkosten für Pflege und Betreuung laut einer Kostenschätzung des WIFO von derzeit etwa vier Mrd. Euro auf 5,6 Mrd. 2020 und 8,4 Mrd. 2030. In Relation zum BIP ist das ein Anstieg von 1,3 Prozent auf 1,96 Prozent in einem Zeitraum von 20 Jahren.

Fast 450.000 Pflegebedürftige

In Österreich sind beinahe 450.000 Menschen pflegebedürftig. 88 Prozent davon sind über 60 Jahre alt und 16 Prozent sind in Pflegeheimen untergebracht. Wichtig ist die Frage, welchen Betroffenen mit welchen Leistungen mehr geholfen ist. vida und GPA-djp bekennen sich zu einem Mischmodell aus Geld- und Sachleistungen. Der neu zu schaffende Pflegefonds soll nicht nur den Status quo finanzieren, sondern insgesamt eine Ausweitung der Leistungen für alle Pflegebedürftigen ermöglichen, sei es durch mehr Geldleistungen in den unteren Stufen, sei es durch ein bedarfsgerechtes Angebot an Sachleistungen als teilweisen Ersatz der Geldleistungen oder durch zusätzliche Dienstleistungen (zum Beispiel Ausbau der Tageszentren oder Forcierung alternativer Wohnmodelle).

Harter Job für wenig Geld

Im Jahr 2009 lagen die mittleren Einkommen im Bereich Gesundheit und Soziales bei 1.564 Euro. Das liegt um 17 Prozent unter dem Durchschnitt der Angestelltengehälter. Viele der betroffenen ArbeitnehmerInnen haben eine Teilzeitbeschäftigung und erhalten ein Einkommen und in der Folge Pensionen unter der Armutsgrenze. Viele Pflege- und Betreuungskräfte werfen ihren Job deswegen hin. So macht eine Kollegin jetzt etwa eine Lehre als Tischlerin, weil sie den anspruchsvollen harten Job in der Pflege nicht mehr für 1.100 Euro, die sie im Monat als Gehalt bekam, machen wollte. Als Tischlerin verdiene sie auch nicht weniger, meinte sie, und es gebe geregelte Arbeitszeiten statt unzureichend bezahlte Acht-Stunden-Nachtbereitschaftsdienste.
Bei der Finanzierung der Pflege ist daher unbedingt darauf zu achten, auch die Situation der Beschäftigten zu verbessern, zum Beispiel durch Anhebung der Gehälter, geregeltere Arbeitszeiten, Umsetzung der 35-Stunden-Woche und Abschaffung der Selbstständigkeit bei der 24-Stunden-Betreuung und bei der persönlichen
Assistenz. Die Pflege wird in Österreich zu 80 Prozent von Angehörigen und insbesondere von Frauen geleistet, was den Rückzug von Frauen vom Arbeitsmarkt negativ begünstigt. Es bedarf einer sozialen Absicherung von Menschen, die Angehörige pflegen, die ohne die Leistung eigener Beiträge - wie bei der Anrechnung von Kindererziehungszeiten - funktioniert. Während einer Pflegekarenz sollte außerdem Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestehen.

Das schwedische Modell

Hier sei auf das schwedische Modell hingewiesen, bei dem zur Pflege von Familienangehörigen vom Arbeitgeber bis zu 60 (120 bei Kindern) Tage Lohn fortgezahlt wird. Sinnvoll wäre auch der Ausbau der Kurzzeitpflege und des geförderten Urlaubes. Für die Kosten der Pflege wird derzeit auch auf das Einkommen der Angehörigen zurückgegriffen. Der Regress für (Ehe-)PartnerInnen ist in allen Bundesländern Realität, hinzu kommt aufgrund der immer knapper werdenden Mittel eine Diskussion über die Wiedereinführung des Regresses für Kinder. Die Steiermark nimmt die Kinder bereits wieder in die Pflicht. Die Einhebung eines Regresses ist unsolidarisch und daher prinzipiell in Frage zu stellen.

Das vida/GPA-djp-Modell

Am 29. Juni 2011 hatten die beiden Vorsitzenden der Gewerkschaften vida und GPA-djp, Rudolf Kaske und Wolfgang Katzian, ein gemeinsam ausgearbeitetes rein steuerfinanziertes Finanzierungskonzept präsentiert. Die für Pflege- und Betreuungspersonal zuständigen Gewerkschaften gehen von einem höheren Kostenbedarf als die WIFO-Schätzungen aus, weil nicht nur die Sach- und Dienstleistungen finanziert, sondern auch Arbeitsbedingungen und Entlohnung der Pflege- und Betreuungskräfte merklich verbessert werden müssen. Konkret wurde folgende Finanzierungsaufteilung vorgeschlagen:

  • 1 Mrd. aus einer Vermögenssteuer
  • 450 Mio. aus einer Erbschaftssteuer
  • 150 Mio. aus einer Erbersatzsteuer (Stiftungen)
  • 250 Mio. von besonderen Verbrauchssteuern
  • 200 Mio. aus einem Einkommensteuerzuschlag für hohe und besonders hohe Einkommen
    _________________________________________________________________________________

     = 2,05 Mrd. Euro

Vermögens- und Erbschaftssteuer

Bei einer Finanzierung durch Vermögens- und Erbschaftssteuer soll der Regress von Angehörigen abgeschafft werden, weil diese ja Steuern auf ihr Erbe zahlen und Vermögende Steuern auf ihr Vermögen. Somit besteht kein Grund mehr, bei Pflegebedürftigkeit das ganze Vermögen bzw. Erbe zu verwerten. Das erhöht sogar die Gerechtigkeit, weil nicht nur jene erben, die das Glück haben, keine langjährig pflegebedürftigen Angehörigen zu haben, denen ihr gesamtes Vermögen (die Erbmasse) für ihren Pflegeheimplatz abgenommen wurde. Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer nach dem ÖGB-Modell1 bringt rund drei Mrd. Euro. Der überwiegende Teil dieser Steuer soll als erstes für die Budgetkonsolidierung und in weitere Folge für die Entlastung des Faktors Arbeit verwendet werden. Ein Drittel der Einnahmen, also eine Mrd. Euro, sollen für die Pflege fixiert werden. Bei der Erbschaftssteuer Neu können bei einer Steuerfreigrenze von 150.000 (ferne Verwandte) bzw. 300.000 (nahe Verwandte) mit Steuersätzen von zwei Prozent bis 20 Prozent bis zu 450 Mio. Euro lukriert werden.
Nachdem auch bei der abgeschafften Erbschaftssteuer ein Prozent der Erben/Erbinnen für 50 Prozent des Steueraufkommens sorgten, ist diese Steuer alles andere als eine Belastung des sogenannten Mittelstandes. Im Gegenteil: Es ist eine Steuer für Privilegierte auf leistungsfreies Einkommen. Die Erbersatzsteuer stellt eine Art fiktive Erbschaftssteuer für Stiftungsvermögen dar. Da das Vermögen durch die Einbringung in die Stiftung dem Familienvermögen entzogen wird, unterliegt es bei nachfolgenden Erbfällen ja nicht mehr der Erbschaftssteuer. Die Erbersatzsteuer simuliert eine Vermögensübertragung durch Erbfolge im regelmäßigen Turnus von 30 Jahren, versteuert also jedes Jahr ein Dreißigstel des fiktiven Erbes. Im Sinne einer solidarischen Finanzierung macht es durchaus Sinn, auch Lenkungssteuern auf gesundheitsschädliche Produkte wie Tabak oder Alkohol zweckzubinden. Nachdem die Steuereinnahmen daraus von 2006 bis 2010 bereits um EUR 110 Mio. gestiegen sind, sind für 2011 sogar bereits annähernd zwei Mrd. an Einnahmen zu erwarten. Einen Teil dieser Mehreinnahmen (250 Mio. Euro) sollte man für die Pflege reservieren.

Einkommensteuer

Bei einem Zuschlag zur Einkommensteuer von 1,5 Prozentpunkten für Einkommen ab 60.000 Euro brutto bzw. fünf Prozent ab 150.000 brutto würden jährlich etwa 200 Mio. Euro mehr ins Budget fließen. Bei Einführung einer Vermögenssteuer nach dem ÖGB-Modell könnten als Ausgleich bis zu einer Mrd. Euro zweckgewidmet für die Senkung des Eingangssteuersatzes verwendet werden, davon würden auch die Besserverdienenden profitieren, vor allem aber die Mittelschicht.
Durch das vida/GPA-djp-Modell ließen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: einerseits würde die Steuergerechtigkeit erhöht, und andererseits ein finanzierbares Pflegemodell geschaffen, das uns allen nutzt.

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martin.bolkovac@gpa-djp.at 
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aw@oegb.at 
 

1 Bei einem Freibetrag von EUR 700.000 betragen die Steuersätze bis zu zwei Mrd. 0,5 Prozent, bis zu drei Mrd. ein Prozent und über drei Mrd. 1,5 Prozent. Erfasst wird land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Grundvermögen, Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Wertpapiere, Derivate, Spareinlagen.

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