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Herbert Tumpel Die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der ArbeitnehmerInnen ist eine der zentralen politischen Aufgaben der Arbeiterkammern seit ihrer Gründung durch das Arbeiterkammergesetz.
Herbert Tumpel, Helmut Sauer, Elfriede Schober

90 Jahre Arbeiterkammer

Interview

BAK-Präsident Herbert Tumpel beantwortete zum runden Geburtstag der AK Fragen von TeilnehmerInnen der Sozialakademie.

Dieses Interview wurde gemeinsam mit Elfriede Schober und Helmut Sauer konzipiert, beide nehmen am 61. Lehrgang der Sozialakademie (SOZAK) teil. Das Interview konnte aufgrund des dichtgedrängten Terminkalenders von BAK-Präsident Herbert Tumpel nur schriftlich geführt werden.

Arbeit &Wirtschaft: Kollege Herbert Tumpel, die Arbeiterkammer feiert ihren 90. Geburtstag - sie ist unentbehrlicher Teil der Sozialpartnerschaft - wie siehst du aktuell die Rolle der Sozialpartnerschaft?

Herbert Tumpel: Der Grundgedanke der Sozialpartnerschaft besteht darin, dass die grundlegenden Ziele der Wirtschafts-, Sozial- und Bildungspolitik, wie Erhöhung von Realeinkommen, Wohlstand, soziale Sicherheit und gleichmäßige Teilhabe an Vollbeschäftigung und Bildung besser erreicht werden können.
Durch Zusammenarbeit, koordiniertes Handeln und bei Übereinstimmung wird das bei Zukunftsfragen auch möglich sein. Das ist Basis für den Erfolg der Sozialpartnerschaft, auch in der Zukunft.
Die Leistungsfähigkeit des österreichischen politischen Systems mit der starken Einbindung der Interessenvertretungen hat sich in der Wirtschaftskrise des Jahres 2009 neuerlich gezeigt. Die Krise hat aber ebenfalls gezeigt, dass sich auch die Sozialpartnerschaft nicht mehr nur mit nationalen Anliegen auseinandersetzen muss. Das ist die aktuelle Herausforderung.

SOZAK: Steuergerechtigkeit, das forderst du immer wieder vehement. Gerade die ArbeitnehmerInnen stöhnen unter der hohen Steuerlast. Welche Maßnahmen sind notwendig, damit auch ArbeitnehmerInnen eine Entlastung spüren?

Der Vizekanzler und die Finanzministerin sagen immer, wegen der höheren Staatsschulden durch die Krise wäre kein Geld für eine Steuerentlastung der ArbeitnehmerInnen da. Das stimmt so nicht. Alle wissen, die Steuerlast ist ungerecht verteilt. Arbeit ist in Österreich hoch besteuert, Reiche zahlen im internationalen Vergleich wenig Steuer. In einem gerechteren Beitrag der Reichen sehe ich eine Möglichkeit, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu entlasten.
Und um das Defizit abzubauen, darf nicht nur bei den Ausgaben gekürzt werden. Es gibt auch die Möglichkeit für zusätzliche Einnahmen, zum Beispiel durch eine rigorose Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Das ist kein Kavaliersdelikt. Da entgehen dem Staat Mittel in Milliardenhöhe.

Arbeit &Wirtschaft: Die EU-Kommission hat die Einführung einer Finanztransaktionssteuer angekündigt. Zufrieden?

Grundsätzlich ja, aber mit Vorsicht. Jahrelang hat die AK gemeinsam mit den Gewerkschaften in ganz Europa eine Finanztransaktionssteuer gefordert. Dass sie jetzt kommen wird, ist ein Erfolg von uns und ein gutes Beispiel für das richtige und wichtige Engagement der ArbeitnehmerInneninteressenvertretungen auf europäischer Ebene. Aber diese Steuer darf keine Beruhigungspille sein. Sie muss mehr sein. Sie muss die Finanzmärkte spürbar regulieren und darf keine Schlupflöcher für die Spekulanten lassen, die die Krise maßgeblich verursacht haben. Die Finanztransaktionssteuer muss auch die preistreibende Spekulationslust an den Börsen bremsen.

SOZAK: Die Lohnverhandlungen der Metallindustrie haben bereits begonnen. Wie stehst du zur heurigen Forderung nach einer Erhö-hung der Löhne, die deutlich spürbar sein soll?

Ich unterstütze die Gewerkschaften in ihrem Bemühen, damit die ArbeitnehmerInnen ihren gerechten Anteil am wirtschaftlichen Erfolg und mehr Lohn erhalten. Das ist nur gerecht. Für die Ausschüttung von enormen Dividenden ist immer Geld da. Das war vor der Krise so, während der Krise so und das ist auch heuer so.

SOZAK: Am 4. Oktober 2011 war  Equal Pay Day. Heuer arbeiten Frauen statistisch gesehen 89 Tage unbe-zahlt. Warum ist es aus deiner Sicht so schwierig, dass Frauen für die gleiche Leistung gleich bezahlt werden?

Die Ursachen für die Lohnunterschiede setzen sich aus vielen Faktoren zusammen. Es beginnt bei der Bildungs- und Berufswahl, reicht von der ungleichen Verteilung von Betreuungspflichten über die geringere Bewertung der Berufe, in denen überwiegend Frauen arbeiten, die schlechteren Chancen bei Teilzeitarbeit bis hin zu Nachteilen bei den beruflichen Karrieremöglichkeiten.
Es passiert einiges, aber es geht zu langsam. So wird etwa viel getan, um Mädchen entsprechende Angebote abseits traditioneller Berufs- und Bildungswahl zu machen. Damit das wirklich erfolgreich ist, muss sich aber auch das Einstellungsverhalten der Betriebe ändern.
Es gibt jetzt die gesetzliche Verpflichtung zu betrieblichen Einkommensberichten. Die müssen kommen, und es müssen die richtigen Schlüsse daraus gezogen werden. Aber eines ist offenkundig: Es wird nicht ausreichen, nur auf Freiwilligkeit zu setzen. Das zeigt sich etwa bei der Zahl der Frauen in Führungspositionen. Unsere jährlichen Untersuchungen zeigen, dass es auf freiwilliger Basis kaum zu Veränderungen kommt. Auch die Verpflichtung, bereits im Stelleninserat das zu erwartende Einkommen anzugeben, wird ignoriert. Derzeit können das die Unternehmen noch ungestraft tun. Erst ab dem kommenden Jahr wird es Sanktionen geben. Dann werden wir genau darauf achten und bei Nichteinhaltung unsere Unterstützung anbieten, dass dies auch zur Anzeige kommt.

Arbeit &Wirtschaft:  Kollege Tumpel, 90 Jahre AK, was wünscht du dir für die AK zum runden Geburtstag?

Die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der ArbeitnehmerInnen ist eine der zentralen politischen Aufgaben der Arbeiterkammern seit ihrer Gründung durch das Arbeiterkammergesetz.
Dieses Ziel haben wir seither gemeinsam mit den BetriebsrätInnen, mit den Gewerkschaften und dem ÖGB konsequent verfolgt. Aber der Kampf um soziale Gerechtigkeit muss immer wieder aufs Neue geführt werden. Verteilungsgerechtigkeit war in der Vergangenheit ein zentraler Punkt für politische Auseinandersetzungen, ist das auch heute und wird es auch in Zukunft sein. Den Kampf um Verteilungsgerechtigkeit müssen wir aber nicht nur bei uns in Österreich und in Europa führen. Verteilungsgerechtigkeit ist ein globales Thema. Dabei geht es nicht nur um Gerechtigkeit bei Einkommen und Vermögen, da geht es auch um Werte wie Bildung oder Umwelt. Ich wünsche mir, dass wir diese gewaltigen Herausforderungen erfolgreich bewältigen.

Wir danken für das Gespräch.

Internet:
Homepage der Bundesarbeitskammer:
www.arbeiterkammer.at 
Biografie von BAK-Präsident Herbert Tumpel auf Wikipedia:
de.wikipedia.org/wiki/Herbert_Tumpel
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