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Nachhaltigkeit ist nichtsfür Öko-Freaks Ökologische Nachhaltigkeit allein ist letztlich unmöglich, wenn ihr gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse zuwiderlaufen. Und sie wird inhuman, wenn sie nicht auf die Menschen und ihre Bedürfnisse Bezug nimmt.

Nachhaltigkeit ist nichts für Öko-Freaks

Gesellschaftspolitik

Oder: Warum die NSTRATneu die ArbeitnehmerInnen angeht.

Nachhaltigkeit (NH) wird zwar vielerorts als eines der zahlreichen sinnentleerten Modewörter unserer Zeit wahrgenommen, richtig verstanden berührt sie jedoch ein Grundproblem allen menschlichen Wirtschaftens: In welcher Weise können wir die Natur und ihre Ressourcen für unsere Zwecke nutzen, ohne jene längerfristig zu zerstören und damit unsere eigene Lebensgrundlagen und die der folgenden Generationen zu unterminieren? In dieser Form hat die Frage die Menschheit schon lange vor Beginn der industriellen Revolution beschäftigt und bildete in den 1970er-Jahren mit dem Bericht des Club of Rome "Die Grenzen des Wachstums" den Ausgangspunkt für den modernen Diskurs zu diesem Thema.

Ökologische NH allein unmöglich

Dieser hat sich mittlerweile weit über die ökologische Fragestellung hinaus entwickelt und erkannt, dass er ohne die Einbeziehung anderer Dimensionen, vor allem der sozialen und wirtschaftlichen, unzulänglich und abstrakt bliebe. Ökologische NH allein ist letztlich unmöglich, wenn ihr gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse zuwiderlaufen. Und sie wird inhuman, wenn sie nicht auf die Menschen und ihre Bedürfnisse Bezug nimmt. Dem hat in den 1980er-Jahren die "Brundtland-Kommission" der UN mit ihrer Definition "Entwicklung ist nachhaltig, wenn sie gewährleistet, dass die Bedürfnisse der heute lebenden Generationen befriedigt werden, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse zu beeinträchtigen" Rechnung getragen.
Die vielfach in der Öffentlichkeit noch immer vorhandene Gleichsetzung von NH mit Verhindern des Klimawandels greift daher bei weitem zu kurz. Schon rein ökologisch geht es um wesentlich mehr. Etwa um Ressourcenschonung, um Schutz und Erhaltung von Naturräumen und Landschaften (nicht nur im Fremdenverkehrsland Österreich), um lebenswerte Städte, die nicht unter Abgaswolken und Autolawinen leiden. Auf Soziales bezogen bedeutet NH vor allem die Erhaltung des gefährdeten gesellschaftlichen Zusammenhalts, die Sicherstellung von Chancengleichheit oder die Garantie, dass die Menschen von ihrer Arbeit auch leben können. Auch werden von nicht-nachhaltigem Umgang mit der Umwelt vorrangig die Schwächsten in Mitleidenschaft gezogen. Sei es, dass der Raubbau an der Natur Hand in Hand geht mit dem an den dazu vergatterten Arbeitskräften, sei es, dass die unteren Einkommensschichten von Preiserhöhungen bei knapp werdenden Brennstoffen und Nahrungsmitteln am härtesten getroffen werden. Schließlich ist auch entscheidend, von welchen Kräften die Wirtschaft bestimmt wird, und welche Anreize für umwelt- und menschen-freundliche Produktionsmethoden und Produkte sie erhält oder nicht erhält. Mit anderen Worten: NH darf nicht den Öko-Freaks und einigen betuchten Schöngeistern überlassen werden, sondern ist eine Angelegenheit von allgemeinem Interesse.

Einbindung der Sozialpartner

Auch in Österreich hat die NH-Diskussion in den vergangenen Jahrzehnten Fuß gefasst. Meilensteine auf der politischen Ebene im vorigen Jahrzehnt waren dabei die NH-Strategie der Bundesregierung aus dem Jahr 2002 (NSTRAT 2002) und die 2006 beschlossene "Österreichische Strategie Nachhaltige Entwicklung (ÖSTRAT)" als Handlungsrahmen für Bund und Länder sowie deren Neustrukturierung durch den Ministerrat (MR) im Jahr 2010. Durch Letztere wurde im Koordinierungsprozess ein Ko-Vorsitz von Bundeskanzleramt (BKA) und dem bisher allein dafür verantwortlichen Umweltministerium (BMLFUW) eingerichtet. Gleichzeitig wurde die Einbindung der Sozialpartner bekräftigt. Neben "klassischen" NH-Zielen wurden die Erreichung der Beschäftigungsziele, ein hohes Niveau an sozialer Sicherheit wie auch die Prävention und Bekämpfung von Armut als zentrale Anliegen der ÖSTRAT festgeschrieben.
Erst vor wenigen Wochen wurde in diesem Rahmen vom Ministerrat ein Arbeitsprogramm Nachhaltige Entwicklung für die kommenden Jahre beschlossen, das in weiten Teilen auch von den Bundesländern mitgestaltet wurde und mitgetragen wird. Die nächste wichtige Etappe im erneuerten ÖSTRAT-Prozess wird nun die erneuerte Fassung der NH-Strategie von 2002 (Arbeitstitel NSTRATneu) bilden, für die schon einige Vorarbeiten geleistet wurden und die im kommenden Juni vorgelegt werden soll.
Die Neufassung der NSTRAT 2002 scheint aus verschiedenen Gründen notwendig. Es gilt einmal, die neueren Entwicklungen im österreichischen und internationalen NH-Prozess auf wis-senschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Ebene einzuarbeiten. Darüber hinaus gehört auch den neuen Anforderungen, die sich aus der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der vergangenen Jahre für die NH-Politik ergeben, sowie den Erfahrungen aus dem ÖSTRAT-Prozess selbst mit einer strategischen Neujustierung Rechnung getragen. Schließlich kann die NSTRAT aus 2002 nicht verleugnen, unter welcher Regierungskonstellation sie entstanden ist, und weist schon daher viele nicht mehr zeitgemäße Züge auf.

Grundlegende Aufgaben

Die Übung steht vor folgenden grundlegenden Aufgaben:

  • Definition und Eingrenzung: Wie bereits skizziert, kann sich NH nicht auf ökologische Aspekte beschränken. Sie darf aber auch nicht zur Beliebigkeit ausufern, in der alles und jedes, was nur ein wenig über den Tag hinausgeht, untergebracht wird. Auf dieser Gratwanderung gehören vor allem Trends erkannt, die in längerer Perspektive schädliche Wirkungen auf Umwelt, Menschen und Gesellschaft haben. Außerdem ist es unerlässlich, darunterliegende Kräfte und Entwicklungen zu erfassen, die NH gefährden oder sogar verunmöglichen (etwa das aktuelle Wirken der Finanzmärkte).
  • Mehrdimensionalität in der Sache: Die drei bereits angeführten Dimensionen müssen nicht nur als gleichrangig anerkannt, sondern auch in ihren gegenseitigen Wechselwirkungen und bezogen auf ihre Konsequenzen für die Menschen begriffen werden.
  • Mehrdimensionalität der Umsetzung: NH kann nur realisiert werden, wenn gängige Politikmuster überwunden werden. Daher sind generationenübergreifende statt kurzfristiger, kreative statt trendfortschreibender, regionale und nationale Grenzen überwindende sowie offene, mehrere Lösungsmöglichkeiten einbeziehende Denk- und Handlungsansätze vonnöten.
  • Politikrelevanz: NSTRATneu soll die vorhandenen Probleme richtig darstellen und analysieren. Sie soll aber keine akademische Studie werden, sondern für Politik und Verwaltung umsetzbare Handlungsanleitungen und eine mittelfristige Perspektive anbieten.

Daneben gilt es auch, unterschiedliche gesellschaftliche Interessen auf einen Nenner zu bringen. Diese reizvolle, aber wahrhaft nicht leichte Aufgabe wird vom Komitee NHÖ, in dem neben den Bundesministerien auch die Sozialpartner vertreten sind, geleistet werden. Es wird vom ExpertInnenbeirat Forum NHÖ fachlich beraten. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass angesichts ihres gesellschaftlichen Gewichts und ihres Know-hows gerade die aktive Mitarbeit der Sozialpartner entscheidend für die praktische Relevanz der Strategie sein wird. Aufseiten der VertreterInnen der ArbeitnehmerInnen wird es dabei Voraussetzung sein, nicht von den als wenig positiv empfundenen Erfahrungen aus der NSTRAT-2002-Zeit auf die anstehende Aufgabe zu schließen.
Die Bundesregierung ist nun anders zusammengesetzt als vor neun Jahren. Der per MR-Beschluss festgelegte Ko-Vorsitz des BKA bei der Steuerung des ÖSTRAT-Prozesses hat bereits im vorigen Jahr zur beabsichtigten Verbreiterung der inhaltlichen Basis und zu geänderten strategischen Akzenten geführt. Sichtbarster Ausdruck dessen ist die Aufnahme der Themenfelder "Öffentliche Gesundheit, Prävention und Altern" und "Arbeit unter fairen Bedingungen für alle" im erwähnten Arbeitsprogramm. Dies wird auch für NSTRATneu gelten. Um dies zu verwirklichen, ist die Beteiligung der ExpertInnen aus den ArbeitnehmerInnen-Organisationen nicht nur willkommen, sondern notwendig.

Internet:
Mehr Infos unter:
www.nachhaltigkeit.at 
Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
robert.stoeger@bka.gv.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

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