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Aus der Mitte nach rechts Was macht rechte Politik aus? Als "Paintball spielen" verharmloste Waffenübungen im Wald, ein als "Drei-Krügerl-Bestellung" verharmloster rechter Reckengruß, Parlamentsmitarbeiter, die rechtes Propagandamaterial im Internet bestellen?

Aus der Mitte nach rechts

Schwerpunkt

Rechte PolitikmacherInnen fühlen sich im Aufwind. Ist das ein "Modetrend" oder hat das tiefere Ursachen - und wenn: welche?

Dass etwa der verstorbene Kärntner Landeshauptmann (LH) Jörg Haider (FPÖ bzw. BZÖ), sein Nachfolger als LH Gerhard Dörfler (dzt. FPK), sein Nachfolger als FPÖ-Parteichef H. C. Strache, der Kärntner Vize-LH und Kärntner (BZÖ)FPK-Chef Uwe Scheuch, oder der aus der Riege des Bundes-BZÖ in den Medien als "Dobermann" bezeichnete Ex-FPÖler Ewald Stadler, oder der dritte FPÖ-Nationalratspräsident Martin Graf für rechte oder gar rechtsextreme Politik stehen, dafür braucht man nicht erst das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) zu bemühen.1 Laut Statistik des Innenministeriums stiegen zudem rechtsextreme Straftaten im vergangenen Jahr um 28 Prozent auf 580 an.2 Die Dunkelziffer dürfte viel höher sein. Viele rechte Straftaten werden von Polizei und Justiz als "dumme Bubenstreiche" verharmlost, gewalttätige Nazis in der Statistik z. B. bloß als "Fußballrowdies" vermerkt.

Was rechte Politik ausmacht

Was macht rechte Politik aus? Als "Paintball spielen" verharmloste Waffenübungen im Wald, ein als "Drei-Krügerl-Bestellung" verharmloster rechter Reckengruß, Parlamentsmitarbeiter, die rechtes Propagandamaterial im Internet bestellen usw. wie diverse Medien sensationslüstern "aufdecken"? Nein, das sind Indizien, sie verdecken aber, was rechte Politik bedeutet, woher sie kommt, was sie nährt und wohin sie zu führen imstande ist. Unter der politischen Rechten werden in der Wissenschaft konservative oder reaktionäre, d. h. rückwärtsgewandte Haltungen, Positionen und Strömungen in der Gesellschaft bzw. im politischen Spektrum verstanden. Diese reichen von gesellschaftspolitisch konservativen Haltungen über "rechtspopulistische" Positionen bis hin zum offen antidemokratischen, unterdrückerischen und offen Gewalt gegen Menschen rechtfertigenden und einsetzenden Rechtsextremismus. Ihre äußersten Extreme: Faschismus, z. B. im Nationalsozialismus oder Austrofaschismus - mit der offenen, massenhaften Ermordung von Menschen. Gemeinsamer Nenner: Ablehnung einer aktiv emanzipatorischen Gesellschaft(-sveränderung)3 Haben die Rechten anti-emanzipatorische Politik offen auf ihre Fahnen geheftet? Offene Rechte ja. Rechte im Nadelstreif (BZÖ) oder auch im Sport- und Freizeitoutfit (FPÖ) noch nicht, sie geben sich gar "heimatsozial" oder "volksnah". Betreiben und befördern umgekehrt die "Nicht-Rechten", also etwa die anderen im Parlament vertretenen Parteien wie ÖVP, SPÖ oder Grüne, eine echte, aktive emanzipatorische Politik? Kaum. Und: Gibt es eine "chinesische Mauer" zwischen rechter und nicht-rechter Politik? Nein. Rechtes Gedankengut und Handeln im Sinne von nicht-emanzipatorischer Politik ist bis weit in die sogenannte Mitte des (partei-)politischen Spektrums, sowohl des rechten und rechtskonservativen (FPÖ, FPK, BZÖ) bzw. des konservativen (ÖVP) als auch des sozialdemokratischen (SPÖ), seit Jahren angesiedelt. Galoppierend wurde dieser "Trend" durch den Neoliberalismus mit seiner ungehemmten Liberalisierung und Privatisierung, d. h. der immer zügelloseren Gewinnmaximierung auf allen Ebenen. Eine "Politik der Sachzwänge" hat dies befördert. Alle Regierungs und Oppositionsparteien haben diese Politik mehr oder weniger vertreten. Für die Masse der Bevölkerungen ist das negativ: Hunger, Not und Tod in der Dritten Welt, immer mehr prekäre Arbeitsformen, Einkommenseinbußen, Arbeitslosigkeit oder zunehmende Altersarmut in den Industriestaaten.4

Massiver Sozialabbau

Obwohl die heimische Gesellschaft reich ist wie nie zuvor, wird bei den arbeitenden Menschen massiv Sozialabbau betrieben. Was hat ÖVP-Vizekanzler Spindelegger mit Arbeitslosen und PensionistInnen vor? Er begrüßt den Vorschlag, ab 2013 Arbeitslosen- und Krankenstandszeiten nicht mehr auf die Pension anzurechnen. Gegen Erbschafts- oder Vermögenssteuern ist er vehement,5 obwohl vermögensbezogene Steuern nur 1,4 Prozent des Steuervolumens ausmachen.6 Sehr christlich-sozial.
Dass mit billigen Arbeitskräften aus dem Ausland in Österreich Lohndumping betrieben wird, wird durch eine "Ausländerpolitik", die MigrantInnen z. B. für Kriminalität und Inlandsarbeitslosigkeit verantwortlich macht, absichtlich überdeckt: Zugunsten der Wirtschaft, die ihr billiges und williges "Ausländerkontingent" immer bekam und gleichzeitig Produktionen ins billige Ausland verlagerte. Zudem ritterten die InnenministerInnen der letzten 20 Jahre mit den Rechten um die Wette, unter dem Vorwand der (v. a. islamischen) Terrorismusbekämpfung mit Rasterfahndung, Lauschangriff, Videoüberwachung, Vorratsdatenspeicherung usw., die Freiheitsrechte der Bevölkerung massiv einzuschränken.

"Sozialschmarotzer"

Die arbeitenden Menschen werden seit Haiders Zeiten als "Sozialschmarotzer", die in der "sozialen Hängematte" liegen, (Ex-Finanzminster Josef Pröll) diffamiert. Das System der Finanz- und Börsenspekulation, der Banker und Bosse mit dem 10-, 20- bis 100-fachen Jahreseinkommen eines Normalverdieners, die also nie im Leben so viel arbeiten können wie sie verdienen, die wirklich "arbeitsloses" Einkommen lukrieren, denen wird von der Politik aller Farben der Hof gemacht, und deren Untaten und Pfründe werden kaum angetastet. Im Gegenteil: So hat Finanzministerin Fekter die Reichen und Vermögenden gegen Kritik in Schutz genommen. Vielleicht auch deswegen, weil "die Politik" oft mit diesen Kreisen verfilzt ist, wie die diversen Korruptionsfälle zeigen. "Es hat viele Gauner in die Politik gespült", so LH Erwin Pröll populistisch markig.7 Richtig. Dass unter seinem Segen das Land Niederösterreich (ebenso wie andere) mit Steuergeldern spekuliert hat,  ähnlich wie Haider und Co. in Kärnten, hat er wohl vergessen. So eine Politik der Etablierten, die gleichzeitig gegen rechts redet, ebnet den waschechten Rechten und ihren Hintermännern den Weg.
Die Ursache ist, dass die kapitalistische oder neudeutsch die neoliberale Logik als der Weisheit letzter Schluss hingestellt wird. Das heißt, dem Profitmachen wird alles, also auch jedes menschliche Bedürfnis (Beispiel Ryanair: Reduktion von Bord-WCs von zwei auf eins oder gar deren Abschaffung ...) untergeordnet. Alles ist erlaubt, was Profit bringt, bis hin zu Mord, Totschlag und Krieg, z. B. im Namen von humanitärer Hilfe, wie dies etwa Jean Ziegler analysiert: "Der Westen missbraucht die Menschenrechte zumeist zu Herrschaftszwecken",8 "Obama führt zwei Kriege zugleich ... und bekommt den Friedensnobelpreis."9 Ganz "demokratisch" in die Bresche für die Banken und Konzerne sprang auch EU-Kommissar Barroso vergangenes Jahr, als er den streikenden ArbeiterInnen in Südeuropa ankündigte, dass Spanien, Portugal und Griechenland "Militärdiktaturen" drohen und "als Demokratien, wie wir sie kennen, verschwinden, wenn die Sparpakete nicht umgesetzt werden."10 Das offizielle politische und wirtschaftliche Establishment weist vehement von sich, auch nur irgendetwas mit rechter Politik zu tun zu haben. Ist die kapitalistische Profitlogik aber Richtschnur der Politik, richtet sich diese letztlich gegen die Menschen und ist damit "rechts". Egal ob dies als christlich-sozial, sozial-demokratisch oder heimat-sozial beschönt wird, am Ende steht für die Betroffenen: Entsolidarisierung (jeder soll selbst schauen, wo er bleibt, wer "fleißig" ist, wird es schon schaffen ...), Sozial- und Demokratieabbau, Hetze gegen den Nächsten, Rechtfertigung von Gewaltanwendung, Krieg.

Zu Schuldigen gestempelt

Den Etablierten wie den - oft noch nicht - an den Futterschüsseln sitzenden Rechten ist gemeinsam: von den wirklichen Verursachern für Not und Leid in der Bevölkerung lenken beide ab. Die Etablierten knebeln uns mit der Propaganda, dass wir, die ganze Bevölkerung, mit den Verursachern der Krise, den Banken und Konzernen, in einem Boot säßen und daher den Gürtel enger schnallen müssen. Die Rechten lenken mit ihrer Propaganda ganz von den Verursachern ab, indem sie Teile der Bevölkerung zu Schuldigen stempeln, z. B. die Arbeitslosen, die MigrantInnen, die FrühpensionistInnen, die Gewerkschaften, die zu viel verlangen usw.

Internet:
Mehr Infos unter:
www.doew.at
www.demagogenentzaubern.at
www.argedaten.at 
Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
w.leisch@aon.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

1 www.doew.at 
2 oesv1.orf.at/stories/505590
3vgl.: de.wikipedia.org/wiki/Rechte_Politik
4 www.armutskonferenz.at
5 ORF-Pressestunde, 18. 9. 2011: www.youtube.com/watch?v=b0hy--IElTs bzw.: Die Presse, 14. 10. 2011
6 Wahre LeistungsträgerInnen, www.oegb.at 
7 Heute, 11. 10. 2011
8 ORF, 30. 6. 2011, oe1.orf.at/artikel/280381
9
Jean Ziegler: Der Hass auf den Westen. Wie sich die armen Völker gegen den wirtschaftlichen Weltkrieg wehren. Goldmann, 2011
10 Daily Mail, 15. 6. 2010

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