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Arbeiten können, Arbeit haben Zum Beispiel sollen die Belastungen in den Betrieben laufend erhoben werden; der Umstieg auf weniger belastende Tätigkeiten soll gefördert werden. Wer im neuen Job dann weniger verdient als im alten, soll eine Förderung bekommen.

Arbeiten können, Arbeit haben

Aus AK und Gewerkschaften

Die Regierung hat bestellt, die Sozialpartner haben geliefert: ein Konzept, wie das öffentliche Pensionssystem finanzierbar bleiben kann.

In Bad Ischl treffen einander laufend Monarchisten in der Kaiservilla und einmal jährlich die Sozialpartner im Kongress- und Theaterhaus. Während die letzten Kaisertreuen in der Vergangenheit schwelgen, sind ÖGB, AK, Wirtschafts- und Landwirtschaftskammer zukunftsorientierter. Heuer fand der Bad Ischler Dialog der Sozialpartner am 10. und 11. Oktober statt, und es ging um die Altersversorgung, also um die Sicherung des öffentlichen Pensionssystems. Der Auftrag dazu kam von der Bundesregierung, und die Sozialpartner haben sich trotz naturgemäß widersprüchlicher Interessen auf gemeinsame Positionen geeinigt, damit das faktische Pensionsalter steigen kann. Jetzt ist wieder die Regierung am Zug. Setzt sie die Vorschläge der Sozialpartner um, wird das öffentliche Pensionssystem auch langfristig finanzierbar sein.

Hauptproblem Invalidität

Die Ausgangslage sieht auf den ersten Blick trist aus. Das Pensionsantrittsalter lag 2010 im Schnitt bei 58,2 Jahren (Männer 59,1 und Frauen 57,1) - deutlich schlechtere Werte als im Schnitt der OECD-Länder. Dazu kommt: Die Menschen werden älter, durch steigende Lebenserwartung und weil in den kommenden Jahren geburtenstarke Jahrgänge ins Pensionsalter kommen werden. WKÖ-Präsident Christoph Leitl warnt: "Künftig wird laut Hochrechnungen auf zwei Erwerbstätige ein/e PensionistIn kommen. Heute beträgt das Verhältnis noch 4:1." Auf 1.000 Personen im Erwerbsalter zwischen 15 und unter 65 werden dann voraussichtlich 480 ältere und alte Personen entfallen (demografische Altersquote), heute sind es 260.
Die einfache Herangehensweise wäre, einfach per Gesetz das Pensionsalter hinaufzusetzen. Das bringt aber nichts, wie die Pensionsreformen 2000 und 2003 gezeigt haben: Das faktische Antrittsalter hat sich dadurch kaum verändert. Denn "um später in Pension gehen zu können, brauchen die Menschen zwei Dinge: Gesundheit und einen Arbeitsplatz. Es geht darum: Arbeiten können, Arbeit haben", sagte ÖGB-Präsident Erich Foglar bei der Präsentation der Sozialpartnervorschläge in Bad Ischl. Eine aktuelle Auswertung der Pensionsversicherung hat ergeben, dass ein Großteil der Invaliditätspensionszugänge aus Langzeitarbeitslosigkeit erfolgt.
Um das faktische Pensionsantrittsalter zu erhöhen, haben sich die Sozialpartner auf "ein ganzes Bündel von Maßnahmen geeinigt, die wie ein Getriebe ineinander greifen", so Foglar. Das Hauptproblem sei die große Anzahl an InvaliditätspensionistInnen, die das Durchschnittsalter drücken würden. Im Jahr 2010 wurden 18.000 Anträge auf Invaliditätspension gestellt, 7.465 wurden zuerkannt (85 Prozent davon befristet), rund 10.000 Anträge wurden abgelehnt. Anzusetzen gilt es zum Beispiel bei psychischen Krankheiten, die bereits Spitze bei den Anträgen auf I-Pension sind. 54 von 100 neuen Invaliditäts- bzw. ArbeitsunfähigkeitspensionistInnen zwischen 15 bis 49 Jahren müssen wegen psychiatrischer Erkrankungen in Pension gehen. Foglar: "Man kann nur bei der Gesundheit ansetzen, bei der Arbeitsfähigkeit und beim Arbeitsplatz. Ziel der Gewerkschaft war immer: Gesund in die Arbeit, gesund von der Arbeit. Die Menschen brauchen einen Arbeitsplatz, auf dem sie auch bis zum Regelpensionsalter bleiben können."

Schon bei den Jungen anfangen

Wenn man will, dass die Menschen länger arbeiten können, muss man bei denjenigen ansetzen, die noch gesund sind, also bei den Jungen. Die Bad Ischler Einigung der Sozialpartner sieht daher konkrete Maßnahmen für die 15- bis 49-Jährigen vor. Zum Beispiel sollen die Belastungen in den Betrieben laufend erhoben werden; der Umstieg auf weniger belastende Tätigkeiten soll gefördert werden. Wer im neuen Job dann weniger verdient als im alten, soll eine Förderung bekommen.
Damit der Umstieg gut vorbereitet ist, wollen die Sozialpartner, dass ArbeitnehmerInnen in belastungsintensiven Berufen schon ab 35 Jahren an entsprechenden Weiterbildungen teilnehmen, zum Beispiel alle zwei Jahre zwei Wochen lang. Wenn jemand 40 oder mehr Tage in einem Jahr in Krankenstand geht, soll die Krankenkasse Alarm schlagen und den Betroffenen eine verpflichtende Beratung zur Verfügung stellen. So kann spätere Invalidität vermieden werden.
"Die Menschen wollen nicht krank und arbeitslos auf die Pension warten - sie wollen gesund auf einem guten Arbeitsplatz ihren Lebensunterhalt verdienen", sagte AK-Präsident Herbert Tumpel, "daher muss man alles tun, damit die Menschen einen Arbeitsplatz haben und arbeiten können." Je besser die Ausbildung, desto besser die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Ein weiterer wesentlicher Faktor für die Bewältigung der demografischen Entwicklung ist das Ausschöpfen der Beschäftigungspotenziale bei allen Bevölkerungsgruppen, speziell bei Jugendlichen, Älteren, Frauen und MigrantInnen. Die Erwerbstätigkeit der Frauen muss durch noch bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Beruf auf skandinavisches Niveau angehoben werden.

Wer länger bleibt, kriegt mehr

Darüber hinaus soll es auch Zuckerl geben: Die Sozialpartner empfehlen Anreize für ArbeitnehmerInnen, die länger arbeiten als bis zum erstmöglichen Pensionsantrittsalter. Könnte jemand etwa die Hacklerregelung von den Voraussetzungen her antreten und tut das nicht, bekommt er fürs erste Jahr eine Prämie von 2.000 Euro, fürs zweite von 3.000 und fürs dritte Jahr von 4.000 Euro. Zusätzlich steigt die Pension entsprechend. Für die Arbeitgeber gibt es dieselbe Prämie. Auch eine "Teilpension" soll es geben: halbe Arbeitszeit, halbe Pension. Das Modell soll versicherungsmathematisch neutral sein und auf eine längere Beschäftigung abzielen. Ein weiterer Ansatzpunkt: Information. Alle ab 55 sollen wissen, wann sie frühestens in Pension gehen können, wie viel Pension sie dann bekämen - und um wie viel mehr, wenn sie länger im Job bleiben würden. Um die Pensionsrechnung einfacher und transparenter zu machen, wäre ein schnellerer Umstieg ins Pensionskonto ein wichtiger Beitrag, denn aufgrund der sich überlagernden Pensionsreformen der vergangenen Jahre ist das Pensionsberechnungssystem für die Einzelnen auch kaum nachvollziehbar. Die Pensionsberechnung muss vereinfacht werden, damit für die Versicherten klar darstellbar ist, dass sich ein längerer Verbleib im Erwerbsleben für die Pensionshöhe lohnt.
Werden die vorgeschlagenen Maßnahmen ausreichend finanziert und vollständig umgesetzt, kann nach Ansicht der Sozialpartner das faktische Pensionsantrittsalter unter Einrechnung schon beschlossener Maßnahmen in den nächsten zehn Jahren um zwei Jahre angehoben werden. Laut WKÖ-Präsident Leitl bringt es 1,5 Milliarden Euro Einsparung. Kurzfristig wird das Pensionspaket aber Geld kosten, zum Beispiel für den Ausbau der Rehabilitation oder für Prämien und Umschulungskosten. "Diese Investitionen sind aber zu rechtfertigen, weil sie in den kommenden Jahren eine deutliche Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters mit sich bringen werden", sagte Foglar.
Die zuständigen Minister, ebenfalls nach Bad Ischl gereist, unterstützen die Forderungen der Sozialpartner: Sozialminister Rudolf Hundstorfer, der ÖGB und Kammern um Vorschläge gebeten hatte, erklärte, die Maßnahmen würden sicher ausreichen, dass man im kommenden Jahrzehnt das Antrittsalter um zwei Jahre heben könnte. Auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner sprach von einem positiven Ansatzpunkt. Explizit unterstützt wurde von ihm das Prinzip Rehab vor Zwangsmaßnahmen. Umsetzungsgespräche auf ExpertInnenebene wurden in den beiden Ministerien bereits gestartet. Jedenfalls der konstruktivere Weg, als die zahlreichen Unkenrufe, wonach all die Sozialpartnervorschläge zu wenig seien und ohnehin nichts brächten.

Umsetzen statt nur kritisieren

Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB, kritisierte die Kritiker: "Deren Vorschläge zielen nur darauf ab, Pensionen zu kürzen, aber niemand hat Vorschläge gemacht, wie man Betriebe dazu bringen kann, die Menschen länger zu beschäftigen. Aber wenn jemand keinen Arbeitsplatz hat oder zu krank zum Arbeiten ist und nicht in Pension gehen kann, werden nur die Kosten zwischen Arbeitslosen-, Kranken- und Pensionsversicherung verschoben. Das wäre keine nachhaltige Reform."

Internet:
Alle Sozialpartner-Vorschläge für das Pensionssystem:
www.sozialpartner.at 
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