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Ein solidarischer Pakt zur Lösung der Eurokrise Durch eine gewaltige Spekulationsblase, die schließlich platzte, war das globale Finanzsystem aufgrund undurchschaubarer Risiken und nicht bewältigbarer Verbindlichkeiten am Rande des völligen Kollapses.

Ein solidarischer Pakt zur Lösung der Eurokrise

Wirtschaft&Arbeitsmarkt

Acht Vorschläge für mehr Gerechtigkeit.

Seit Monaten jagt ein EU-Gipfel der Regierungschefs den anderen. Am 21. Juli 2011 wird beschlossen, dass sich erstmals der Privatsektor freiwillig beteiligen soll. Am 26. Oktober 2011 beschließen die Staats- und Regierungschefs einen Schuldenschnitt von 50 Prozent für Griechenland, eine Ausweitung des Rettungsschirms auf über eine Billion Euro durch eine Hebelung und eine Rekapitalisierung der durch den Schuldenschnitt bedrohten Banken. Vor allem aber wird die Verankerung einer Schuldenbremse in den Verfassungen der Euroländer vereinbart. Am 9. Dezember 2011 einigen sich die 17 Euro-Länder sowie sechs weitere EU-Staaten auf einen neuen Vertrag zur Bildung einer Fiskalunion. Eine einstimmige Vertragsbildung mit allen 27 Staaten der EU scheitert an Großbritannien, da der britische Premier David Cameron inakzeptable Bedingungen stellt. Durch Schuldengrenzen in den Verfassungen und automatische Sanktionen sollen die Vertragsparteien stärker kontrolliert und eine solide Haushaltsgrundlage für die Union geschaffen werden.

Beruhigung für Finanzmärkte

Vor dem Hintergrund der sich überschlagenden Ereignisse auf der politischen Bühne ist die wichtigste Frage in Bezug auf die Beschlüsse des EU-Gipfels bisher nicht eingehend diskutiert worden: Können die dort vereinbarten Maßnahmen tatsächlich die Probleme der Eurozone lösen? Die Antwort ist leider ein eindeutiges "Nein", da diese Maßnahmen nur bei den Symptomen ansetzen. Die Finanzmärkte sollen durch die Verpflichtung zu strengen Sparmaßnahmen beruhigt werden.

Die wahren Gründe der Krise

Aber die wahren Gründe für die derzeitige Situation liegen in den Voraussetzungen für die Finanzkrise von 2007/2008. Durch eine gewaltige Spekulationsblase, die schließlich platzte, war das globale Finanzsystem aufgrund undurchschaubarer Risiken und nicht bewältigbarer Verbindlichkeiten am Rande des völligen Kollapses. Nur durch umfassende Konjunkturprogramme und gewaltige staatliche Hilfen für das Finanzsystem konnte letzteres gerettet und die größte Weltwirtschaftskrise seit 80 Jahren abgefangen werden. Doch diese Kosten haben die Staatsdefizite rasant ansteigen lassen.
Dass nun nur noch von den Staatsschulden gesprochen und ständig die Notwendigkeit des Sparens betont wird, ist äußerst zynisch, da die hohen Schuldenzuwächse der Staaten ja zum Großteil auf die Kappe der "Bankenrettung" gehen und die Finanzmarktakteure an den hohen Zinsen für Staatsanleihen und den explodierenden Kursen der Kreditausfallversicherungen auch noch gut verdienen. Können die betroffenen Staaten freilich die Schuldenlast aufgrund der hohen Zinsen tatsächlich nicht mehr tragen und ein Schuldenschnitt ist unumgänglich, dann schlägt sich das in den Bilanzen jener Banken verheerend nieder, die im Besitz dieser Anleihen sind. Dann müssen diese Banken eventuell erneut von den Staaten gerettet werden. Was wiederum die Staatsschulden in noch größere Höhen treiben würde. Ein Teufelskreis also.
Kann dieser Teufelskreis durchbrochen und das europäische Gemeinschaftsprojekt bewahrt werden? Ja! Aber dazu müssen die Probleme bei der Wurzel gepackt werden. Die aktuelle Krise ist die langfristige Folge des Zusammenbruchs des Systems von Bretton Woods und des Abgehens von der fordistischen Allianz von Kapital und Arbeit, die nach dem Zweiten Weltkrieg eine lange Periode des Wirtschaftswachstums und der allgemeinen Wohlstandssteigerung ermöglichte.
Das darauf folgende neoliberale Paradigma mit seiner völligen Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte ließ die Gewinneinkommen rasant steigen, während die Lohneinkommen nur mehr bei den obersten zehn Prozent wuchsen. Dies führte zu einer massiven Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen sowie zu einer starken Schwächung der Realwirtschaft. Die Vermögenden investieren ihr Geld daher in immer abenteuerlichere Spekulationen, deren Kosten nach dem Platzen der Spekulationsblasen auf die Gesellschaft abgewälzt werden.

Acht Maßnahmen

Also kann nur die Orientierung an den Prinzipien einer solidarischen Wirtschafts- und Finanzpolitik zu einer Umkehr dieser Entwicklung führen. Folgende acht Maßnahmen sollten sofort umgesetzt werden, um zu einem solidarischen System zurückzukehren:

  • Griechenland werden wie geplant 50 Prozent der Schulden erlassen und außerdem keine weiteren Sparmaßnahmen vorgeschrieben. Vielmehr werden dem Land von den EU-Partnern weitere Mittel zur Verfügung gestellt, wenn es sich dazu verpflichtet, Maßnahmen zur Erhöhung seiner Staatseinnahmen zu treffen: Reformierung des Steuersystems sowie effizientere Finanzverwaltung. Griechenland stottert seine Schulden langsam durch das Erwirtschaften höherer Einnahmen nach Ankurbelung des Wachstums ab.
  • Die Staaten der Europäischen Gemeinschaft geben gemeinsame Staatsanleihen (sogenannte Eurobonds) heraus, um ihre Schulden zu finanzieren. Dazu sollte ein Europäischer Währungsfonds gegründet werden, der unabhängig vom Kapitalmarkt günstige Kredite an die Staaten der EU vergibt.
  • Um in Zukunft gefährliche ökonomische Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone zu verhindern, werden die EU-Staaten zu einer gemeinsamen Finanz- und Wirtschaftspolitik verpflichtet. Die Verfügung über die gemeinsame Wirtschaftspolitik darf dabei aber nicht in erster Linie in der Hand der EU-Kommission oder beim Europäischen Rat liegen, sondern muss durch eine Stärkung der europäischen Demokratie vorrangig beim EU-Parlament angesiedelt sein. Die Vorgaben für die gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik umfassen in Zukunft nicht nur Schuldengrenzen, sondern auch Vorgaben für eine harmonisierte Steuerpolitik, koordinierte Wachstumsziele, Obergrenzen für die Arbeitslosigkeit, eine an der Produktivitätssteigerung orientierte Lohnentwicklung und Zielkorridore für die Inflation.
  • Alle systemrelevanten Finanzinstitute werden europaweit unter staatliche Kontrolle gestellt. Danach werden diese Institutionen hinsichtlich uneinbringlicher Verbindlichkeiten aus missglückten Spekulationsgeschäften überprüft. Jene Institutionen (bzw. Teilbereiche dieser Institutionen), die sich dabei als insolvent herausstellen, werden in einem geordneten Verfahren abgewickelt und geschlossen.
  • Die tragfähigen Bereiche dieser Institutionen werden in kleinere Einheiten aufgeteilt und einer strengen öffentlichen Kontrolle unterworfen. Weiters wird ein Trennbankensystem eingeführt, das zwischen Geschäfts- und Investmentbanken unterscheidet. Besonders gefährliche Finanzinstrumente, wie Hedgefonds, strukturierte Wertpapiere (z. B. Collateralized Debt Obligations, CDOs) sowie Kreditausfallversicherungen, werden von supranationalen Behörden überwacht und streng limitiert.
  • Um die gesellschaftlichen Kosten für den Umbau des europäischen Finanzsektors zu finanzieren, werden neue Einnahmequellen herangezogen: eine europaweite Finanztransaktionssteuer, höhere Besteuerung von Vermögen (z. B. Grundstücke, Immobilien), stärkere Besteuerung für sehr hohe Einkommen, höhere Besteuerung von Kapitalerträgen.
  • Diese zusätzlichen Einnahmen werden außerdem dazu verwendet, durch Umverteilung die Ungleichheit zu reduzieren, die Staatsschulden abzubauen, den Sozialbereich auszubauen, in die Entwicklung nachhaltiger Energiegewinnung zu investieren und die öffentliche Infrastruktur zu verbessern. Dadurch werden neue Arbeitsplätze geschaffen, es kommt zu einer Stärkung der Konsumnachfrage und das Wachstum wird nachhaltig angekurbelt.

Um neben den Einkommen auch die Arbeit gerechter zu verteilen, wird die gesetzliche Normalarbeitszeit EU-weit deutlich reduziert und den Gewerkschaften ermöglicht, weitergehende Schritte der Arbeitszeitverkürzung in ihrem Einflussbereich umzusetzen.

Internet:
Zahler-Treibers Blog:
zahlertreiber.wordpress.com
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