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Worte die töten können Ein aufmerksamer Blick in einschlägige Boulevardzeitungen zeigt, dass stark emotional besetzte Worte im - eigentlich objektiven - Nachrichtenteil erstaunlich ungeniert eingesetzt werden.
Buchtipp

Worte die töten können

Schwerpunkt

Dieser Text ist vollgepackt mit kommentierender Sprache. Viele der verwendeten Worte sind emotional besetzt. Streichen Sie diese zum Selbsttest rot an.

Beschäftigte der Medienbranche sind Gatekeeper - so etwas wie TorwächterInnen - im modernen Nachrichtenüberfluss. Nur ein Bruchteil der Nachrichten schafft es tatsächlich in traditionelle Medien wie Zeitung (online oder analog), Fernsehen oder Radio. Unzählige OTS-Meldungen (Originaltext-Service) beispielsweise von Firmen, Parteien oder Institutionen, Presseagenturmeldungen - wie etwa jene der APA (Austria Presse Agentur), Polizeimeldungen und selbst recherchierte Geschichten erreichen täglich die Redaktionen. Damit nicht jede Tageszeitung den Umfang eines Telefonbuchs hat, müssen all die Meldungen gefiltert werden. RezipientInnenzeit ist ein knappes Gut - und damit fängt das Dilemma an.

Vernichtung versus Aufklärung

Allein die Auswahl der Nachrichten ist natürlich ein ungeheurer Machtfaktor. Die Verantwortung der Medien gegenüber der Gesellschaft wird auch darin deutlich, dass diese als "Vierte Gewalt" bezeichnet werden (neben Gesetzgebung - Legislative, Vollziehung - Exekutive und Gerichtsbarkeit - Judikative). Ohne Zweifel ist das Potenzial zu Aufklärung und Aufdeckung oder zur Weckung von tieferem Verständnis und Toleranz vorhanden. Das Potenzial zu Bashing, Hetze, Krisenbeschwörung und der Vorführung eines sogenannten Bauernopfers ebenso. Dazu sind nicht einmal handfeste Lügen notwendig, schon mit einseitiger oder schlampiger Recherche ist der moderne Pranger nicht weit.

Die Wahrheit ist relativ

"Das habe ich in der Zeitung gelesen" ist für viele Menschen gleichbedeutend mit der Wahrheit. Insofern nehmen Medien Einfluss auf so ziemlich alles. Zwei Beispiele:

  • Je nach Berichterstattung fühlen wir uns schuldig, wenn wir nicht zur Grippeimpfung gehen - oder wir halten die Grippeimpfung für eine reine Placebo-Übung.
  • Tagelang geistert durch die Medien, das Triple-A-Rating Österreichs sei in Gefahr, und schon spielt die Wirtschaft verrückt.

Hier wird deutlich, dass allein durch verstärkte Lancierung bestimmter Zitate dermaßen für Stimmung gesorgt werden kann, dass es zu weitreichenden Auswirkungen kommt. Aufgrund dieser Gewichtigkeit für das gesellschaftliche Wohlbefinden darf für die Medienzunft etwas mit dem hippokratischen Eid der Ärzteschaft Vergleichbares nicht fehlen. Daher gibt es den sogenannten Pressekodex - einen Ehrenkodex für JournalistInnen, der Verhaltensnormen regelt. Dieser weist je nach Land Unterschiede auf. Im Grunde enthält er recht einleuchtende Regeln, die normale MedienkonsumentInnen vermutlich ohnehin vertrauensvoll voraussetzen. Gängige journalistische Grundregeln sind beispielsweise:

  • Transparenz: Werbung, Kommentare, Berichte etc. müssen klar unterschieden werden.
  • Quelle/Genauigkeit: Mindestens zwei voneinander unabhängige Quellen sind nötig (d. h. jede erhaltene Information sollte eigentlich von der Journalistin/dem Journalisten nochmals überprüft werden). Insbesondere in Konfliktbereichen müssen die Stellungnahmen aller Beteiligten berücksichtigt und korrekt wiedergegeben werden. Unbestätigte Meldungen oder Gerüchte müssen entsprechend erkennbar sein.
  • Unangemessene sensationelle Darstellungen von Gewalt und Brutalität sollen vermieden werden.
  • Falschmeldungen müssen nachträglich richtig gestellt werden.
  • Recherche darf nicht mit unlauteren Methoden erfolgen (z. B. eingeschaltetes Diktiergerät ohne ausdrückliche Zustimmung) oder von Außenstehenden beeinflusst werden (z. B. WerbekundInnen).
  • Öffentliches Interesse ist abzuwägen - insbesondere auch im Bereich von Persönlichkeitsschutz. Intimsphäre muss gewahrt sein. Es soll keine persönliche Diffamierung, Pauschalverdächtigung oder Verunglimpfungen, Diskriminierung etc. geben.

Kritische Distanz zum Thema, d. h. JournalistInnen sollten so neutral wie möglich sein.

"Eine gemütliche Watschn …"

"Sind wir gescheit, bleiben wir blöd", und "Jeder Satz muss sein wie eine Watschen, aber eine gemütliche." So soll einst der mächtigste Medienmacher Österreichs seine RedakteurInnen angewiesen haben. Bei solchen Sätzen staunt der Laie und der Fachmann wundert sich - aber nur auf den ersten Blick - bei genauerem Hinschauen werden sie schnell verständlich: Es ist ein nicht leicht zu schaffender Spagat zwischen seriöser Berichterstattung und Massentauglichkeit. Komplexe Inhalte verständlich herunterzubrechen - und das auf beschränktem Seitenplatz oder in kürzester Sendezeit - ist freilich eine intellektuelle Meisterleistung. Keine Frage: Es gibt die JournalistInnen, die diese Aufgabe tapfer übernehmen. Dass davon im Kampf um die Quote oder Auflagenstärke ("Only bad news are good news") so einiges auf der Strecke bleibt, zeigt dennoch die Praxis. Dazu kommen die häufig doch recht narzistischen ChefredakteurInnen und die Eigentümerverhältnisse der Verlagshäuser, die Richtungen vorgeben. Das Ergebnis ist, dass beinahe eine Medienkompetenz auf wissenschaftlichem Niveau notwendig ist, um die medial servierten Nachrichten im Kontext richtig einschätzen zu können.
Regelmäßig werden ganze Berufsgruppen für unfähig und dumm befunden. In letzter Zeit ist es vor allem die Kompetenz von PolitikerInnen, die ins Visier der Medien geraten ist. Es ist gut, dass Medien kritisch berichten, besonders auch über PoltikerInnen - Stichwort "Vierte Gewalt". Aber wie reflektiert ist die kritische Berichterstattung nach oben genannten journalistischen Kriterien? Wenn stur und konsequent auf einzelne Personen eingeprügelt wird, beschweren sich Betroffene zu Recht über PolitikerInnenbashing (Bashing: heftige öffentliche Beschimpfung). Auch wenn es zugegebenermaßen den Medien manchmal leicht gemacht wird, ist es aber dennoch weder ein Zeichen von intelligentem noch von seriösem Journalismus, wenn mit primitiver Stimmungsmache gearbeitet wird. Kritisieren ist einfach, es besser machen umso schwerer. Es wäre ein schöner Anfang, wenn die selbsternannten ExpertInnen diverser Medien, die so manchen substanzlosen Beitrag in diese und jene Richtung abfeuern, ihr Geschriebenes einer selbstkritischen Prüfung in Bezug auf die eigene Integrität und Seriosität unterziehen würden.

Wörter sind potenziell Waffen

Auch bei strikter Trennung von "objektiver" (z. B. Bericht) und "subjektiver" (z. B. Kommentar) Darstellungsform kann allein durch die Wahl der Sprache eine vermeintlich objektive Nachricht eine unterschwellig kommentierende Wirkung haben. Die Wahl der Worte - "Wörter sind potenziell Waffen" - zeigt deutlich, wie stark Begriffe wirken: Mit Waffe wird gemeinhin Gefahr assoziiert, was bei den meisten Menschen bestimmte Emotionen auslöst. In diesem Beispiel ist die beeinflussende Wirkung leicht durchschaubar, in der Praxis allerdings werden kommentierende Akzente meist subtiler eingesetzt: Ein aufmerksamer Blick in einschlägige Boulevardzeitungen zeigt, dass stark emotional besetzte Worte im - eigentlich objektiven - Nachrichtenteil erstaunlich ungeniert eingesetzt werden. Doch mit etwas Medienkompetenz sind schnell in allen anderen Mediengenres solch wertende, teils gut versteckte, kommentierend wirkende Worte eingesetzt. Es ist ein Unterschied, ob von "Verlusten" oder "Negativwachstum", ob von einer "Lüge" oder einem "Missverständnis" die Rede ist. Sicherlich ist es schwierig Worte zu finden, die nicht bedeutungsschwanger sind, und objektiv genug, im Sinne von seriösem Journalismus eingesetzt werden zu können. Auch dieser Text ist vollgepackt mit kommentierender Sprache, da viele der verwendeten Vokabeln emotional besetzt sind. Zum Selbsttest ist der/die geschätzte LeserIn eingeladen, diese kommentierenden Worte rot anzustreichen, um sie einmal sichtbar zu machen.

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