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Mehr als tausend Worte Gerade weil Bilder so viel Macht ausüben, versuchen PolitikerInnen dieses Mittel für ihre Zwecke zu instrumentalisieren und die Menschen somit zu beeinflussen.

Mehr als tausend Worte

Schwerpunkt

Die Gesellschaft verändert sich rasant - mit ihr auch ihr Abbild. Durch neue Technologien werden wir alle zu AugenzeugInnen von Katastrophen gemacht.

Tag ein Tag aus werden die Menschen mit Bildern überflutet. Ihre Wirkung ist ebenso mächtig wie undurchschaubar. Während vor fünfhundert Jahren die Erfindung des Buchdrucks die Macht der Schrift begründete, haben heutzutage - durch neue Technologien wie das Internet - digitale Bilder weltweit eine ähnlich epochale Wende eingeleitet. Bilder sind Dokumente, festgehaltene Zeit, Kultur. Doch Bilder wecken auch Emotionen, sie lösen Mitleid, Erbarmen, Wut, Unverständnis aus. Einst wurden Katastrophen und deren Opfer erst im Nachhinein durch Bilder dokumentiert, das machte es einfacher, sie zu vergessen und zu verdrängen. Beinahe live wahrgenommene Ereignisse verstärken das Erinnern. Und das ist erst möglich, seit die Menschen die größten Katastrophen auf CNN oder online miterleben können. Die Menschen werden durch die Aufnahme und geistige Verarbeitung der Bilderflut zu Zeit- und AugenzeugInnen. Mittlerweile ist die Wirkungsmacht der Bilder im Kopf so stark, dass sie nicht mehr verdrängt werden kann.

Die Macht der Bilder

Gerade weil Bilder so viel Macht ausüben, versuchen PolitikerInnen immer wieder dieses Mittel für ihre Zwecke zu instrumentalisieren und die Menschen so zu beeinflussen. Wie politisch konstruierter Medienschwindel funktioniert, zeigt der 1998 erschienene Spielfilm "Wag the Dog" mit Robert De Niro und Dustin Hoffmann. In diesem Film stellt sich kurz vor den Präsidentschaftswahlen heraus, dass sich der amtierende US-Präsident an einer Schülerin vergangen hat (oder haben könnte). Die Wahl ist nahezu unmöglich zu gewinnen, aber die SpitzenberaterInnen des Präsidenten haben eine Idee, um die Presse bis zur Wahl von der Affäre abzulenken. Sie inszenieren einen Krieg in Albanien und setzen auf Bilder, die Emotionen bei der Bevölkerung auslösen. Obwohl es sich um fiktive Spielfilmszenen handelt, wird anschaulich gezeigt, wie sogenannte "Spindoktoren" arbeiten. Der Film macht deutlich, welche technischen Möglichkeiten heute vorhanden sind, um einen politischen Schwindel in den Medien zu veröffentlichen und zu propagieren.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte

Es wird immer einfacher Bilder zu produzieren, aber auch zu manipulieren. Wir leben in einer Welt der Bilder. Bilder - vor allem Fotografien und Filme - sind in unserem Alltag allgegenwärtig und prägen unsere Wahrnehmung, sie brennen sich nachhaltig ins Gedächtnis ein. Flüchtlingstrecks am Ende eines Krieges, ein nacktes vietnamesisches Mädchen, das schreiend vor Angst auf einer Straße rennt, eine staubbedeckte Frau sucht nach dem Einsturz des ersten Zwillingsturmes Zuflucht in einem Bürogebäude - kaum haben wir das gelesen, stellt unser Gedächtnis das passende Bild dazu bereit. Wenn der Name einer berühmten oder berüchtigten Person fällt - ob Mutter Teresa oder Nelson Mandela, Saddam Hussein oder Josef Stalin - ist unser Bewusstsein sofort mit einem dieser Person zugeschriebenen Bild zur Stelle. Obwohl die meisten diesen Menschen nie begegnet sind, nicht einmal in ihre Nähe gelangt sind, glauben viele sie zu kennen, weil sie Fotografien gesehen haben, die nicht nur ihr Äußeres, sondern auch ihren Charakter eingefangen haben. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte - so heißt es. Aber Bilder sind nicht eindeutig und lassen viel Raum für Interpretationen. Dank moderner Medien lässt sich nur noch selten nachvollziehen, ob das Bild echt ist oder verändert wurde.

Bildmanipulationen 

Die Manipulationstechniken werden immer wieder verfeinert. Am häufigsten werden Bilder durch ihren Bildausschnitt, die Motivwahl, die Farbgebung und das Weglassen oder Hinzufügen von Bildteilen manipuliert. Aber auch Fotomontagen sind heutzutage sehr beliebt. Mithilfe des Computers gibt es unzählige Möglichkeiten der Bildmontage - oft wird aus zwei Bildern eines gemacht, ohne dass dieses als Fotomontage zu erkennen ist. Einige Bildmanipulationen haben sogar weltweit Schlagzeilen gemacht, auf der Website www.rhetorik.ch werden viele der verfälschten Bilder anschaulich dargestellt und erklärt, zum Beispiel:

  • Nicolas Sarkozy ist ein eitler Politiker. Der französische Präsident wurde beim Boot fahren mit nacktem Oberkörper fotografiert und eine Speckrolle am Bauch einfach wegretuschiert.
  • Während des zweiten Golfkrieges recherchierte der Reporter Brian Walski von der "Los Angeles Times" im südirakischen Basra und lieferte der Zeitung ein Bild: Ein Soldat der US-Army, inmitten einer großen Anzahl sitzender, kniender IrakerInnen, hält schreiend einen Mann, der ein anscheinend verletztes Kleinkind in den Armen trägt, vom Weitergehen ab. Das Foto erschien am 31. März 2003 auf der Frontseite der "LA Times". Nach der Publikation wurde aber bemerkt, dass einige der Personen zweimal im Bild auftauchen. Tatsächlich gab der Reporter zu, das Bild mittels Computer aus zwei Aufnahmen zusammengesetzt zu haben. Er wollte damit den Eindruck desselben verbessern. Journalistische Ethik verbietet aber die elektronische Veränderung von Bildern, und das war ein Grund für die Zeitung, Walski zu entlassen.

Eine Frage der Perspektive

Aber auch vor der Zeit der Computer wurden Bilder manipuliert, etwa während der Sowjet-Ära. Damals war anscheinend die Kunst der Bildübermalung sehr fortgeschritten. Ein Originalbild, das Wladimir Iljitsch Lenin mit Leo Trotzki zeigt, erschien nur mit Lenin. Die Bilddifferenz (die Bilder wurden leicht gedreht und verschoben, um eine bessere Übereinstimmung zu bekommen) zeigt, dass neben Trotzki noch drei andere Personen übermalt worden sind.
Wie die Wahl des Blickwinkels das "Bild" der BetrachterInnen zu beeinflussen vermag, kann anhand des Sturzes der Saddamstatue erklärt werden. Ein Blick von Weitem zeigt ein anderes Bild als die meist gesehenen Nahaufnahmen. Im Nachhinein sieht man, dass der Fall der Saddamstatue nicht so populär war und von einer großen Menschenmenge verfolgt wurde, wie es die Fernsehbilder zu vermitteln versuchten. Der Ort des Geschehens war sorgfältig abgeriegelt worden, nur wenige IrakerInnen waren dabei. Die Blickwinkeländerung hatte das verborgen. Solche Effekte sind oft bei Demonstrationen zu beobachten. Wenn der Blickwinkel stimmt, kann ein Grüppchen von Menschen als ein Großaufmarsch verkauft werden.
Auch die Überbelichtung ist zum Teil Bildmanipulation. Oft werden Bilder von Notizzetteln gemacht, bei denen jedoch das Geschriebene schwer zu entschlüsseln ist, also müssen die Fotos nachträglich überbelichtet werden, damit die Sätze auch wirklich lesbar sind.
Dass Bilder immer schon als Transportmittel von Botschaften und vor allem zur Beeinflussung genutzt wurden und werden, ist hinlänglich bekannt. Und trotzdem zweifeln die wenigsten ihre Objektivität an. Meistens werden sie als das genaue Abbild der Realität akzeptiert. Aber Bilder können lügen, genauso wie Wörter. Noch nie waren die Möglichkeiten der Bildbearbeitung so vielfältig, die Instrumente dazu so verbreitet und die Resultate so perfekt wie heute - im Zeitalter des Computers. Dank dem Bild ist man in einem Augenblick sofort mitten im Geschehen und glaubt informiert zu sein. Oft tritt eine naive Bildergläubigkeit auf, aber Bilder fördern nicht eine kritische Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit, sie verhindern sie eigentlich.

Gefasst erfassen

Gerade in diesen Zeiten sind JournalistInnen und FotografInnen sehr gefordert - vor allem, wenn es sich um Katastrophenbilder handelt. Eigentlich wäre es heutzutage wichtig, dass FotografInnen versuchen auch in schweren Momenten die Fassung zu bewahren, und so mit ihren Bildern nicht nur die Gefühlswelt des Publikums anzusprechen, sondern diesem auch die Möglichkeit zu bieten die Ereignisse zu fassen, bevor die Emotionen die Oberhand gewinnen. Aber auch das Publikum muss den richtigen Umgang mit Medien lernen, um Bilder zu durchschauen und zwischen den Zeilen lesen zu können. Denn nur so kann man sich eine eigene Meinung über das Geschehen bilden und komplexe Sachverhalte verstehen.

Internet:
Mehr Informationen unter:
www.rhetorik.ch 
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
amela.muratovic@oegb.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

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