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Gratis liegt im Trend Längst gehören die Entnahmeboxen von Österreich und Heute vor allem in Wien zum Stadtbild. Hinter den Kulissen sorgen sie allerdings nach wie vor für Konflikte.

Gratis liegt im Trend

Schwerpunkt

Während die meisten traditionellen (Tages-)Zeitungen in den vergangenen Jahren sukzessive LeserInnen verloren haben, steigen die Reichweiten der Gratis-Medien.

In Wien hat die U-Bahn-Zeitung "Heute" erneut Terrain gewonnen und liegt damit vor der "Kronen Zeitung". Im vergangenen September feierte das Gratis-Blatt "Heute" seinen siebenten Geburtstag. Herausgeberin Eva Dichand und Geschäftsführer Wolfgang Jansky konnten sich über 849.000 LeserInnen österreichweit freuen ("Heute" erscheint mittlerweile auch in Nieder- und Oberösterreich sowie im nördlichen Burgenland). GeschäftspartnerInnen, Prominente und PolitikerInnen aller Couleur gratulierten. Kein Wunder - an so vielen potenziellen WählerInnen kommt kaum jemand vorbei.

Konkurrenz für die Krone

Begonnen hat allerdings alles schon im Jahr 2001, als der Chef der "Kronen Zeitung" Hans Dichand den "U-Express" ins Leben rief, um möglichen Gratiszeitungsaktivitäten von internationalen Playern zuvorzukommen. Drei Jahre lang wurde der "U-Express" an Werktagen in Entnahmeboxen in den U-Bahn-Stationen gratis aufgelegt.
Um der Mutterzeitung "Krone" nicht Konkurrenz zu machen, enthielt der "U-Express" zum Beispiel kein Fernsehprogramm, trotzdem bescherte das Gratis-Blatt vor allem auch der "Kronen Zeitung" herbe Verluste beim Einzelverkauf in Wien. Die Eigentümer Mediaprint/WAZ drängten auf Einstellung der unliebsamen Konkurrenz im eigenen Haus, und trotz aller Bemühungen Dichands war der "U-Express" am 31. März 2004 zum letzten Mal unterwegs.
Nur wenige Monate später, im September 2004, erschien die Gratiszeitung "Heute" zum ersten Mal, Herausgeberin war Hans Dichands Schwiegertochter Eva Dichand. Die Gesamtauflage ist mittlerweile von anfangs 150.000 auf mehr als 580.000 Exemplare angewachsen.
Längst gehören die Entnahmeboxen von "Österreich" und "Heute" vor allem in Wien zum Stadtbild. Hinter den Kulissen sorgen sie allerdings nach wie vor für Konflikte. Anfangs gab es Beschwerden anderer Medienunternehmer, die schon länger vergeblich versucht hatten, von den Wiener Linien bzw. der Stadt Wien eine Bewilligung für das Aufstellen von Entnahmeboxen zu bekommen. "Österreich" kämpft bis heute darum, nicht nur in der Umgebung, sondern direkt in den U-Bahn-Stationen Boxen aufstellen zu dürfen. Bisher hat dieses Recht allein die Zeitung "Heute".

Waschen, legen, schießen!

Die Tageszeitung "Österreich" wurde im September 2006 mit viel Publicity aus der Taufe gehoben, sie ist sowohl als Kaufzeitung als auch in abgespeckter Version hauptsächlich in U-Bahn-Stationen und Bahnhöfen erhältlich. Herausgeber Wolfgang Fellner wollte damit die Zielgruppe von Ö3 erreichen. Laut Media-Analyse ist "Österreich", das im Gegensatz zu "Heute" auch sonntags erscheint, derzeit auf Platz vier unter den Tageszeitungen.
Während Gratis-Tageszeitungen in den USA schon in den 1940er-Jahren üblich waren, wurde das erste europäische Medium dieser Art, "metro", 1995 in Stockholm gedruckt. Seitdem wurde in fast jeder größeren Stadt mindestens eine Gratis-Tageszeitung gegründet, aber nicht alle haben die Wirtschaftskrise 2008/09 überlebt.
Das Konzept der Gratis-Tageszeitungen ist weltweit sehr ähnlich: Kurz gehaltene Beiträge mit eingängigen Headlines wie "Das letzte Foto des irren Wüsten-Diktators" oder "Waschen, legen, schießen!". Wer tagesaktuelle Veranstaltungstipps, die neuesten Sportergebnisse oder Sonderangebote sucht, der/die kommt wohl oder übel an Titeln wie "Sohn entdeckt ermordete Mama" (naiv, wer jetzt denkt, hier handelte es sich um ein Kind, der Sohn war 59!) nicht vorbei.

"Das Wiener Schnitzel"

Apropos Nachkommen: Welche Schlüsse zieht ein Kind im ersten Lesealter angesichts der Schlagzeile "Stromausfall: Politiker rastet bei Polizei aus" in Kombination mit einem Foto von Hollywood-Star Kiefer Sutherland mit einer Pistole im Anschlag? So manche Meldung kann auch Erwachsene verunsichern: "Hier schlafen zwei Männer ein, weil ihre Frauen so lange shoppen", im Textteil daneben ist dann detailliert angeführt, in welchem Modemarkt dieses Foto entstanden ist. Da fragt man sich doch: Ist das jetzt Werbung oder nicht?
Anlässlich der Medientage in Wien meinte Eva Dichand zum Thema Qualität: "Ich verstehe mich nicht als Qualitätsmedium im Vergleich zur ,Neuen Zürcher Zeitung‘. Wenn die NZZ das Fünf-Gänge-Haubenmenü ist, das auch viel kostet, ist ,Heute‘ das Wiener Schnitzel, das man beim Heurigen auch gerne isst." International gesehen sei "Heute" eine der besten Gratiszeitungen.

Pendlerzeitung mit Niveau?

Wie viel Qualität ist in einem Gratis-Medium möglich? In Washington D.C. etwa wird der von der angesehenen "Washington Post" herausgegebene "Express" gratis aufgelegt bzw. verteilt. Das Layout erinnert hier deutlich weniger als bei den meisten anderen Gratis-Blättern an eine typische Boulevardzeitung. Auch die Website ist wesentlich unaufgeregter als jene von "Heute", "Österreich" & Co.
In der Schweiz versuchte man 2007 mit "CH" eine Gratiszeitung mit Qualitätsanspruch zu etablieren. Die Investoren, darunter Eugen Russ, Chef des Vorarlberger Medienhauses, setzten anfangs auf adressierte Hauszustellung als Erfolgsrezept. Zu spät wurde auf das kostengünstigere, für Pendlerzeitungen übliche Entnahmeboxen-System umgestellt, die Wirtschaftskrise schließlich zwang 2009 zur Einstellung des Blattes.
Das Fachmagazin "Der österreichische Journalist" verglich auch 2011 wieder die wichtigsten Gratiszeitungen. Positiv hervorgehoben wurden vor allem Magazine für ein junges, urbanes Publikum: "6020" in Innsbruck, "Wien live" und das transkulturelle Stadtmagazin "biber". Das Trio bekam heuer nicht zum ersten Mal Bestnoten von den KollegInnen: "Das sind Titel, die einem nicht die kostbare Zeit rauben, sondern die das Leben schöner machen, es erklären, intelligent unterhalten und fit für Diskussionen machen, ohne den Oberlehrer raushängen zu lassen …" Seit 2001 wird das Magazin "6020", das monatlich erscheint, der "Tiroler Tageszeitung" beigelegt und ist an den Haltestellen der Innsbrucker Verkehrsbetriebe erhältlich. "Wien live" erscheint zehnmal jährlich und findet sich unter anderem gratis in Trafiken und Restaurants (Zielgruppe: urbane, design-, lifestyle- und kulturinteressierte LeserInnen). Das 2007 gegründete Magazin "biber" erscheint seit 2009 ebenfalls zehnmal jährlich und liegt in Restaurants, Shoppingcentern sowie in 45 Wiener Anker-Filialen auf.

Internet:
"Express", Gratiszeitung der "Washington Post":
www.expressnightout.com 
Mediaanalyse:
www.media-analyse.at 
"Wien live":
www.wienlive.at 
"das biber":
www.dasbiber.at 
Gratiszeitungs-Test 2011 in "Der Journalist":
tinyurl.com/cl4jmyy 
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
afadler@aon.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 
 

Info&News
Konkurrenzkampf um LeserInnen:
Mindestens 5,2 Mio. ÖsterreicherInnen haben laut Media-Analyse im zweiten Halbjahr 2010 und im ersten Halbjahr 2011 täglich eine Tageszeitung gelesen. Damit ist die Gesamtreichweite von 75 auf 73 Prozent gesunken. Mit 12,9 Prozent nationaler Reichweite und 921.000 regelmäßigen LeserInnen rangiert "Heute" nach der "Kronen Zeitung" auf dem zweiten Platz bei den Tageszeitungen. In Wien liegt "Heute" mit 39,9 Prozent sogar noch vor der "Kronen Zeitung" unter Herausgeber Christoph Dichand (33 Prozent). Die Regionalmedien Austria AG (RMA) erreicht mit ihren rund 130 Titeln (Bezirksblätter und -zeitungen) österreichweit 3.855.000 LeserInnen, das ist eine nationale Reichweite von 54 Prozent.
Für die Media-Analyse (MA) werden jedes Jahr rund 16.000 einstündige persönliche (Face-to-Face) Interviews zur Erforschung des Mediennutzungsverhaltens durchgeführt. Seit 2010 werden auch Regional- und Gratismedien einbezogen, wobei die Tageszeitung "Österreich" zu den Gratismedien gezählt wird.
Die Österreichische Auflagenkontrolle(ÖAK) ist ein auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhender Verein. Er wurde 1994 auf Initiative der Werbeagenturen und des Verbandes Österreichischer Zeitungen gegründet. Die Mitgliedsverlage der ÖAK verpflichten sich, halbjährlich auf Basis der ÖAK-Richtlinien eine Auflagenmeldung für die der ÖAK angeschlossenen Medien abzugeben. Ein Wirtschaftstreuhänder überprüft die übermittelten Daten dann vor Ort.

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