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Wettkampf im Netzwerk "Ein Pick und eine Scher’, fertig ist der Redakteur." Die Zeitungstexte wurden in den Redaktionen auf Millimeter-Papier geklebt und so per Rohrpost an die Druckerei geschickt. Das war vor rund 20 Jahren.

Wettkampf im Netzwerk

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Eine Studie der Uni Salzburg bestätigt die komfortable Stellung angestellter JournalistInnen: keine formalen Einstiegshürden, überdurchschnittliche Bezahlung.

Ein Pick und eine Scher’, fertig ist der Redakteur." Die Zeitungstexte wurden in den Redaktionen auf Millimeter-Papier geklebt und so per Rohrpost an die Druckerei geschickt. Das war vor rund 20 Jahren. Seither hat sich die Arbeitswelt der JournalistInnen technologisch ebenso gewandelt wie in wirtschaftlicher Hinsicht: Die Zahl der freien MitarbeiterInnen ist deutlich gestiegen, es strömen überproportional viele Junge - vor allem Frauen - in den JournalistInnenberuf, und die Grenzen zwischen Nachrichten und PR verschwimmen zusehends. Das bestätigt die Studie "Medienkarrieren im Umbruch", die im Vorjahr unter der Aufsicht von Roman Hummel und Susanne Kirchhoff an der Journalistik-Abteilung des Fachbereichs Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg durchgeführt wurde. Dazu haben insgesamt 348 der 2.576 JournalistInnen (Stand 2010), die Mitglied der Gewerkschaft der Privatangestellten - Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp) sind, an einer Fragebogenumfrage sowie an Einzelbefragungen teilgenommen.

3.000 bis 4.000 Euro/Monat

Verglichen mit Herrn und Frau Österreicher verdienen demnach die JournalistInnen hierzulande rund das Doppelte; allerdings ist bei Frauen und vor allem FreiberuflerInnen, PauschalistInnen sowie Personen außerhalb der klassischen journalistischen Kollektivverträge - die als selbstständig Erwerbstätige zum Beispiel auch kein Urlaubs- oder Weihnachtsgeld bekommen - das Gehalt geringer. Der durchschnittliche Bruttoverdienst von Vollzeit berufstätigen JournalistInnen beträgt 3.000 bis 4.000 Euro pro Monat, hat die Befragung ergeben. Die BestverdienerInnen mit über 4.000 Euro sind die Angestellten sowie Angestellte, die zusätzlich freiberuflich tätig sind. Journalistinnen gehen im Schnitt mit bis zu 3.000 Euro brutto nach Hause, ihre männlichen Kollegen mit bis zu 4.000 Euro.

43 Prozent Freie

Am besten verdient man beim öffentlich-rechtlichen Hörfunk (über 4.000 Euro), mit Abstand am schlechtesten bei den privaten Radios und Online-Medien (1.500 bis 2.500 Euro). Am unteren Ende der Gehaltsskala befinden sich die selbstständigen freien JournalistInnen: Mehr als ein Drittel lukriert weniger als 2.000 Euro monatlich. Das durchschnittliche Jahresgehalt von freien ist also halb so hoch wie das von angestellten JournalistInnen. Dementsprechend sind in den Redaktionen mittlerweile rund 43 Prozent als Freie tätig. In der Untersuchung der Uni Salzburg scheint, aufgrund der Mitgliederstruktur der Gewerkschaft, jedoch nur ein Drittel freiberufliche JournalistInnen auf; viele Freie sind nicht Gewerkschaftsmitglied, das durchschnittliche Monatshonorar ist daher vermutlich noch niedriger.
Anders als etwa bei HandwerkerInnen gibt es in Österreich für JournalistInnen keine eindeutige Ausbildungsschiene. In der Praxis kann sich jeder/jede als JournalistIn bezeichnen, doch man versteht darunter nur jemanden, der den berufsmäßigen Beitrag zur inhaltlichen Gestaltung eines Mediums leistet (laut Journalistengesetz). Zwar hat sich unter den JournalistInnen der Anteil der Personen, die ein Studium abgeschlossen haben, zwischen 1981 und 2008 von rund 20 Prozent auf 30 Prozent erhöht. Ein akademischer Abschluss gilt jedoch nicht als Bedingung für den Berufseinstieg. Hier nennen die Befragten eher Kriterien wie Kreativität, Formulierfähigkeit und kritische Reflexion. Angesichts dieser eher schwammigen Voraussetzungen stellt sich die Frage, wie JournalistInnen über komplexe Themen verständlich für ihr Publikum schreiben können.

Gute Bildung ist gefragt

Nur in Einzelbefragungen konnte die Studie herausfiltern, dass zum Beispiel WirtschaftsjournalistInnen sehr wohl Wirtschaft studiert haben sollten. "Weil deine Aufgabe als Wirtschaftsjournalist ist, dass du Wissen rezipierst und allgemein verständlich wiedergibst", formulierte es ein festangestellter Mitarbeiter (46) eines Printmagazins. Interessant ist, dass manche Befragte meinten, ein höheres Bildungsniveau sei nur bei international angesehenen Zeitungen mit hohem Qualitätsanspruch notwendig: Bei der "Süddeutschen Zeitung", "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" oder "Neuen Zürcher Zeitung" müsse man "sicher eine extrem gute fundierte Bildung haben in dem, was man tut. Wenn es die zweite Liga auch sein darf, halte ich es für wichtiger, wenn man eine sehr gute Allgemeinbildung hat", sagte ein Redakteur (37) der Austria Presse Agentur. "Auch von der Möglichkeit, angestellte Journalisten zur Weiterbildung zu verpflichten", wie in den Kollektivverträgen der Zeitungen vorgesehen, "wird offensichtlich - wohl aus Kostengründen - kaum Gebrauch gemacht", so die Studie.

Praxis und Netzwerke zählen mehr

Um als JournalistIn in Österreich Erfolg zu haben, zählen vielmehr Berufspraxis, konstantes Beweisen im Berufsalltag - und Netzwerke. "Persönliche Kontakte spielen sowohl für den Anfang als für spätere Stationen im Beruf eine wichtige Rolle", schreiben die StudienautorInnen. Überhaupt entscheidet sehr oft der "Zufall" über den Berufseinstig in den Journalismus. Doch Netzwerke erachten die Befragten als eine wichtige Strategie neben Fähigkeit, Qualität der Arbeit und Fleiß/Engagement. "Das ist der Spagat, den man leider machen muss", wird ein angestellter ORF-Mitarbeiter (33) zitiert, "netzwerken ist gut, aber kann gefährlich sein, weil ein Journalist absolut unabhängig sein sollte". Drastischer formulierte es eine freiberufliche Journalistin (45): "Ich glaube, dass ein Trottel mit guten Netzwerken es eher schafft als eine Koryphäe ohne Netzwerk."
Gerade für freie MitarbeiterInnen sind Kontakte wichtig, um Aufträge zu erhalten, aber auch bei Jobwechsel und Aufdecker-Geschichten. Viele der befragten JournalistInnen sind sich bewusst, dass es bei der Kontaktpflege einen schmalen Grat zwischen dem gibt, was erlaubt ist und die Karriere fördert, und dem, was sich eher nachteilig auswirken kann. "Hochschlafen" ist eine der häufigsten Nennungen, wenn nach inakzeptablen Karrierestrategien gefragt wurde, zusammen mit "anschleimen" und "KollegInnen ausbooten".
Die Hummel-Studie bestätigt einmal mehr, dass die Mehrheit der JournalistInnen prekäre Arbeitsverhältnisse wie (unbezahlte) Praktika oder langjährige freie Mitarbeit ablehnen. Die Befragten finden dafür klare Worte, die von "Frechheit" (freiberuflicher Magazin-Journalist, 40) und "schlimme Entwicklung" (freier Mitarbeiter einer Tageszeitung, 30) über "Skandal" (angestellter Tageszeitungsredakteur, 45) bis "extrem beschissen" (freiberufliche Journalistin, 45) reichen. Argumentiert wird, das sei nicht fair, gute Arbeit müsse auch entsprechend belohnt werden, und prekäre Beschäftigungsverhältnisse (also mit zu geringem Einkommen) seien eine Gefahr für die Branche.
Immerhin die Hälfte meinte, das Prekariat im Journalismus schade der Qualität keineswegs. Denn der Arbeitsmarkt bringe nun mal viele gut qualifizierte Leute hervor, die sich im harten Konkurrenzkampf mit wenig zufrieden geben müssten; in diesem Wettbewerb würden sich schließlich die Besten durchsetzen und prekäre Arbeitsverhältnisse seien eine Art Eignungstest. Diese Argumentation mag für ArbeitnehmerInnen-VertreterInnen wie für hauptberufliche freie JournalistInnen zynisch anmuten.

Die Hälfte der JournalistInnen ist frei

Wenngleich zu berücksichtigen ist, dass die Untersuchung nicht wirklich repräsentativ für die Branche ist. Denn von den geschätzten 6.300 JournalistInnen in Österreich arbeitet ca. die Hälfte als (neue) Selbstständige bzw. freiberuflich, an der Befragung haben die Freien jedoch nur als kleine Minderheit teilgenommen. Manche Ergebnisse könnten daher aus der komfortableren Position der angestellten JournalistInnen verzerrt sein. Einzelne Freie haben diese ihre Freiheit tatsächlich selbst gewählt. "Es bemühen sich viele, und die kriegen ja auch eine Anstellung, ich hab mich nie ernsthaft darum bemüht, weil mir meine Freiheit sehr, sehr wichtig ist", gab eine freie ORF-Mitarbeiterin (33) an. "Aber das Fatale ist, wie stark es ausgenutzt wird."

Internet:
Kurzfassung der Studie:
tinyurl.com/85fvdau
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heike.hausensteiner@chello.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

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