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Der Euro hat gehalten, was wir versprochen haben Der Euro hat sich bewährt. Es geht darum, Probleme in der Finanzierung der Staaten zu überwinden, und daher werden auf EU-Ebene große Anstrengungen unternommen, um die Finanzierung der Staaten wieder langfristig sicherzustellen.

Der Euro hat gehalten, was wir versprochen haben

Interview

Ex-EZB- und ÖNB-Bankerin Getrude Tumpel-Gugerell über Wege aus der Krise.

Arbeit&Wirtschaft: "Das fängt ja gut an" ist unser Schwerpunkt zum Jahresbeginn. Frau Mag. Dr. Tumpel-Gugerell, wie hat für Sie das Jahr 2012 begonnen - in neuen Funktionen nach einer langen Karriere in der Österreichischen Nationalbank und der Europäischen Zentralbank?

Gertrude Tumpel-Gugerell: Das neue Jahr hat gut begonnen. Nach ein paar ruhigen Tagen im Salzkammergut habe ich wieder mit meiner Vortragstätigkeit begonnen. Es gibt sehr viel Interesse daran, die aktuelle Wirtschaftssituation und die Aussichten für die Eurozone zu diskutieren, und es sind sehr interessante Begegnungen.

Sind Sie angesichts der aktuellen Diskussionen eigentlich froh, nicht mehr in den Entscheidungs- und Verantwortungsgremien der Banken zu sitzen?

Ich habe diese Aufgabe sehr gerne gemacht und die weiteren Entwicklungen in diesem Sektor interessieren mich natürlich sehr. Es hat sich meine Funktion verändert, aber mein Interesse an der Wirtschaftspolitik ist gleich geblieben.

Seit Jahresbeginn füllt ein großes Thema die Wirtschaftsseiten der Zeitungen - der Verlust des Triple-A. Ist es wirklich so schlimm von AAA auf AA+ herabgestuft zu werden?

Ein Rating ist die Sichtweise internationaler Finanzanalysten auf unser Land. Natürlich ist es ein Unterschied zwischen Triple-A oder Double-A+. Mit dieser Abstufung wird auf ein paar strukturelle Herausforderungen in Österreich hingewiesen: Die Frage des künftigen Budgetkurses, die Wachstumsaussichten und eben die Frage von Problemen in den Nachbarländern, die mit unserer Wirtschaft eng verbunden sind; Italien und Ungarn sind in diesem Zusammenhang angesprochen worden. Wie gesagt, es handelt sich dabei um eine Einschätzung, und natürlich wird sich Österreich sehr bemühen rasch wieder zum Kreis der Triple-A-Länder zu gehören, wie es die letzten Jahre auch war.

Was halten Sie von den Ratingagenturen? Hatten Sie schon persönlich mit ihnen zu tun?

Natürlich hatte ich in meinen Funktionen immer wieder mit Analysten zu tun. Das sind Ökonomen, die Zahlen analysieren und Interviews führen. Sie machen sich auch ein Bild von den Absichten der handelnden Personen.

Wie objektiv können die Ratingagenturen sein?

Es hat nach der Finanzkrise eine intensive Debatte über die Rolle der Ratingagenturen gegeben und die Europäische Kommission hat Regulierungsschritte wie die Erhöhung der Transparenz oder die Verpflichtung zur Offenlegung der Methoden gesetzt. Weitere Maßnahmen werden folgen und die Analysen der Ratingagenturen werden wohl noch kritischer betrachtet werden als in der Vergangenheit.

In diesen Tagen wird nach wie vor über die "Schuldenbremse" - und ob sie in der Verfassung verankert werden soll - diskutiert. Wie denken Sie darüber?

Das ist eine Absicht, die auch auf europäischer Ebene vereinbart wurde. Der Gedanke dahinter ist, in den einzelnen Ländern Klarheit über die künftige Ausgaben- und Einnahmenpolitik zu haben. Natürlich gibt es dabei auch Unsicherheiten wie der künftige Wachstumskurs und das Ergebnis von Verhandlungen über Beiträge auf der Ausgaben- und Einnahmenseite. Mit der Schuldenbremse, wie sie einige Länder in der Verfassung bereits verankert haben - z. B. die Schweiz oder Deutschland -, wollte man sich langfristig zu einem bestimmten Budgetkurs verpflichten. Klar ist, dass sich europäische Länder mit und ohne Schuldenbremse in der Verfassung auf ihre mittelfristigen Wachstumsaussichten, auf ihre Verpflichtungen, die die öffentliche Hand zu erwarten hat, einstellen. Wir sollten uns vor Augen führen, dass die EU-Staaten sehr viele Leistungen für ihre BürgerInnen erbringen, wie Finanzierung von Aus- und Weiterbildung, Krankenversicherung und Altersvorsorge. Ich finde das auch gut so. Wenn wir diese Leistungen in Zukunft vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung weiter gewährleisten wollen, müssen wir Ausgaben- und Einnahmenentwicklungen auf eine Ebene bringen, die es dem Staat ermöglicht auch in Phasen schwächerer Konjunktur gegenzusteuern.

Manche behaupten ja, wir hätten zu viel für den Sozialstaat ausgegeben - haben wir das?

Es gibt zwei Tendenzen: Zum einen haben wir heute niedrigere Wachstumsraten als in den 1960er- und 1970er-Jahren, und die öffentliche Hand hat auch viele neue Verpflichtungen übernommen. Zum anderen haben wir eine Finanzkrise hinter uns, die sehr teuer war. Es mussten nicht nur Konjunkturprogramme finanziert und Banken durch Rekapitalisierung gerettet werden. Starke Aus-wirkungen auf das Budget hatte vor allem der Wachstumseinbruch 2009, der zu massiven Steuerausfällen und Mehrausgaben geführt hat und noch immer in der Verschuldung und im Defizit sichtbar ist.
Was wir noch nicht ausreichend berücksichtigt haben, sind langfristige demografische Entwicklungen: das Verhältnis Jung und Alt, der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und in der Alterspension. Diese Themen fair und langfristig zu positionieren ist eine ganz wichtige Aufgabe. 

Bei den Pensionen wurden ja die Menschen animiert vermehrt privat vorzusorgen, was sich angesichts der Finanzmarktkrise 2009 als äußerst ungünstig für viele erwiesen hat …

Wir werden in Österreich auch weiterhin ein Mischsystem aus einer staatlichen und einer freiwilligen, privaten Pensionsvorsorge haben. Auch hier hat man aus den Erfahrungen gelernt und es ist sicher auch in der Veranlagungspolitik ganz besonders wichtig, diese private Vorsorge risikobewusst zu veranlagen und nicht zu hohe Renditerwartungen zu wecken. Wichtig ist, dass ein staatlicher Anteil bestehen bleibt.

Von 2003 bis 2011 waren Sie Mitglied im Direktorium der EZB - Kollege Zotter meint in dieser A&W, die EZB sei Totengräberin der europäischen Idee, weil sie sich bislang geweigert hat, Staatsanleihen zu kaufen …

Die unkonventionellen Maßnahmen der EZB waren sehr wichtig, um die Wirksamkeit der Geldpolitik aufrecht zu erhalten, zur Stabilisierung der Märkte und um Unsicherheiten zu reduzieren.
Erstens hat sie 2008 sehr rasch die Zinsen gesenkt und damit allen, die Kredite haben, ermöglicht, ihre Finanzierungskosten zu senken. Damit konnte sich auch wieder mehr wirtschaftliche Aktivität entfalten.
Zweitens hat sie den Banken unbegrenzt Liquidität zur Verfügung gestellt - kurz- und längerfristig - und damit verhindert, dass es zu einer Kreditklemme kommen konnte. Eine Kreditklemme wäre, wenn die Banken keine Kredite mehr geben, weil sie selber die notwendige Finanzierung dafür nicht bekommen können. Weiters hat die EZB im Dezember 2011, als neuerlich die Unsicherheit auf dem Geldmarkt sehr groß geworden ist, den Banken Liquidität für drei Jahre zur Verfügung gestellt. Das ist ein sehr großer Schritt, um der Unsicherheit im Finanzsektor und bei der Finanzierung der Staaten entgegenzuwirken. Die EZB hat daher wesentlich zur bisherigen Bewältigung der Finanzkrise beigetragen.
Was die EZB nicht macht, ist aus ihren Mitteln direkt von den Staaten Staatsanleihen in großem Umfang zu kaufen oder Banken mit frischem Kapital zu versorgen. Das ist ihr in ihrem Statut ausdrücklich verboten und war eine wichtige Voraussetzung für die Gründung einer stabilitätsorientierten Währungsunion. Dieses Verbot der Staatsfinanzierung wurde angesichts der Erfahrungen mit hoher Inflation, wie sie Deutschland und Österreich nach dem 1. und dem 2. Weltkrieg erlebten, formuliert.

Eurobonds, gemeinsam garantierte Anleihen der Euroländer, für die die Eurozone als Ganze haftet, würden die Spekulation gegen einzelne Staaten verhindern, meint ein anderer unserer Autoren - richtig?

Eurobonds werden immer wieder in Diskussion gebracht. Wenn es gelingt die Fiskalpolitik der einzelnen Länder so stark untereinander abzustimmen, dass auch Vertrauen besteht in die Einhaltung dieser gemeinsam vereinbarten Regeln, könnte es langfristig zur Ausgabe von Eurobonds kommen.
Wenn Sie heute die Europäische Investitionsbank betrachten, sehen Sie, dass hier die Regierungen gemeinsam für die Anleihen dieser Bank haften. Man könnte also sagen, es gibt bereits Eurobonds im kleinen Umfang. Die Europäische Investitionsbank finanziert langfristige Infrastrukturprojekte und hat sich bisher sehr gut bewährt.

Für wie wirksam halten Sie das Six-Pack der EU?

Das Six-Pack der EU - ein Legislativpaket zur wirtschaftspolitischen Steuerung - enthält neue Spielregeln in der Zusammenarbeit der Staaten; es beinhaltet vor allem eine weitreichende Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts und erweitert den Fokus auf andere Themen wie den Umgang mit makroökonomischen Ungleichgewichten zwischen den Mitgliedsstaaten.
Es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, aber natürlich ist die große Herausforderung für die PolitikerInnen in den verschiedenen Ländern ihre Bevölkerung von einer mit den europäischen Entwicklungen vereinbaren Politik zu überzeugen.

Und vom Euro: Zehn Jahre Euro - da und dort wird nach wie vor über Abschaffung diskutiert - wie sehen Sie das?

Der Euro hat das gehalten, was versprochen wurde: Er hat Preisstabilität gebracht. Wir haben in den ersten zehn Jahren des Euro im Durchschnitt niedrigere Preissteigerungen gehabt als in den Jahren davor, nämlich rund zwei Prozent pro Jahr. Das ist sehr wichtig für das Vertrauen in eine Währung und das zeigt ja auch das Vertrauen, das den Euro nach dem US-Dollar zur zweitwichtigsten Reservewährung der Welt gemacht hat. Wir haben in den letzten Jahren große Herausforderungen in der Währungspolitik gehabt, wie z. B. enorme Erdölpreissteigerungen, Lebensmittelpreissteigerungen, hohe Wechselkursschwankungen in den ersten Jahren des Euro. Das heißt, es ist gelungen all diese externen Einflüsse abzufedern, die Wirtschaftsaktivität im europäischen Binnenmarkt zu verstärken und die Wirtschaftsverflechtung zu vertiefen.
Denken Sie nur daran, was mit österreichischen Exporten geschehen wäre, wenn Italien weiterhin abwerten hätte können. Die österreichischen Erfolge im Export sind auch durch den Euro erst möglich geworden.
Der Euro wird von 330 Mio. Menschen verwendet, genießt hohe Akzeptanz und wird auch über die Eurozone hinaus verwendet. Sie können heute in der Schweiz, in Großbritannien genauso mit Euro zahlen wie in vielen osteuropäischen Ländern.
Der Euro hat sich bewährt. Es geht darum, Probleme in der Finanzierung der Staaten zu überwinden, und daher werden auf EU-Ebene große Anstrengungen unternommen, um die Finanzierung der Staaten wieder langfristig sicherzustellen.

War die Bankenrettung in Österreich ein tolles Geschäft für den Staat, wie teilweise propagiert?

Diese Kapitalzuführung wurde gemacht, um den Banken über eine schwierige Phase zu helfen und das Vertrauen zu erhalten. Die Banken haben sich verpflichtet dieses Kapital wieder zurückzuzahlen, und erst dann kann eine Endabrechnung gemacht werden.

Viel um sich reden macht derzeit die Occupy-Bewegung, in Österreich in diesen Tagen besonders auch Professor Hörmann, der bereits letztes Jahr in seinem Buch ein "Ende des Geldes" gefordert hat und nun vom "Profil" ins rechte Eck gerückt wurde - kennen Sie sein Buch?

Ja, denn ich habe mit Professor Hörmann erst vor Kurzem eine Diskussion gehabt. Ich teile seine Ansichten zur Funktionsweise des Geldwesens absolut nicht und halte es für problematisch, wenn man sich aus dem Wirtschaftssystem auskoppeln will.
Wir brauchen Banken, die das Geld der AnlegerInnen solide verwalten und Wirtschaft und Private mit Krediten versorgen. Ich denke nicht, dass er ein Patentrezept gefunden hat.

Was können die BürgerInnen in all dieser Unsicherheit überhaupt mit ihrem Geld tun - so sie noch welches haben?

Sie sollten sich auf alle Fälle genau anschauen, wem sie ihr Geld anvertrauen, sich beraten lassen und eine zweite Meinung einholen, und nicht auf scheinbar günstige Geschäfte wie Fremdwährungskredite einsteigen. Die bedeuten zwar kurzfristig niedrigere Zinsen, beinhalten aber längerfristig ein hohes Wechselkursrisiko.
Wir leben in Zeiten, wo es auf den Finanzmärkten große Bewegungen gibt und daher ist besondere Vorsicht geboten.

Zuletzt eine private Frage: Sie sind mit dem Präsidenten der Bundesarbeitskammer Herbert Tumpel verheiratet - wie sehr beeinflusst Ihrer beider Berufsleben die Privatsphäre?

Wir reden nicht so viel über diese Themen. Wir machen da keine Vorabstimmung der Positionen (lacht). Es war immer schon so, dass jeder seine Sache macht und sehr konzentriert daran arbeitet. Wir haben natürlich differenzierte Positionen, jeder hat seine politische Meinung und seine Aufgaben.

Wir danken für das Gespräch.

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Redaktion
aw@oegb.at 

Zur Person
Mag. Dr. Gertrude Tumpel-Gugerell 
Geboren 1952 in Kapelln, NÖ.
Studium der Volkswirtschaftslehre
1975-1981 Volkswirtin bei der Österreichischen Nationalbank (OeNB)
1981-1984 Wirtschaftspolitische Beraterin des österreichischen Finanzministers
1985-1997 Verschiedene leitende Funktionen in der OeNB
1997-2003 Direktoriumsmitglied der OeNB
1998-2003 Vize-Gouverneurin der Österreichischen Nationalbank
2003-2011 Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank
Seit 2003 Mitglied des Universitätsrats der Universität Wien
Seit 2011 Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung, Mitglied in mehreren Aufsichtsräten (u. a. Wien Holding AG, ÖBB Holding AG, Finanzmarktbeteiligungs AG)
Sie ist verheiratet mit dem Präsidenten der österreichischen Bundesarbeitskammer Mag. Herbert Tumpel.

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