topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Ratings in der Krise Längst sind Ratings für viele Staaten die Voraussetzung, um attraktiv für KäuferInnen von Staatsanleihen zu werden und um Kredite zu bekommen.

Ratings in der Krise

Schwerpunkt

Triple A - oder doch nicht? Vor dem Urteil der Ratingagenturen zittern Staaten. Macht und Einfluss der BonitätsprüferInnen sollen strenger reglementiert werden.

In den USA haben Ratings Tradition: Bereits Ende des 19. Jahrhunderts gab es umfangreiche Publikationen, in denen AnlegerInnen wichtige Informationen über die Eisenbahngesellschaften nachlesen konnten. Ab den 1930er-Jahren wurde es schließlich üblich, vor dem Erwerb von Wertpapieren für Banken, Pensionsfonds, Versicherungen etc. Ratingagenturen zu Rate zu ziehen. Weltweit gibt es schätzungsweise 130 bis 150 Ratingagenturen, allerdings dominieren "die großen Drei" (Moody’s Investor Service, Standard & Poor’s, Fitch Rating Operations) mit einem Marktanteil von mehr als 95 Prozent. Sie beschäftigen jeweils rund 1.000 AnalystInnen und geben ca. 1,8 Millionen Bewertungen in verschiedenen Bereichen aus.

Kritik aus Washington

Bonitätsprüfungen von Ländern sind noch nicht so lange üblich, so wurden etwa 1975 nur drei Staaten geprüft, 2010 waren es bereits rund 350. Längst sind Ratings für viele Staaten die Voraussetzung, um attraktiv für KäuferInnen von Staatsanleihen zu werden und um Kredite zu bekommen. Nicht alle Staaten zahlen für ihre Ratings, als Big Player werden etwa die USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland gratis bewertet. Österreich zahlt für seine bonitätsmäßige Einstufung jährlich über 500.000 Euro.
Im September 2011 - einen Monat zuvor hatte Standard & Poor’s (S&P) die USA auf AA+ herabgestuft - überprüfte die US-Börsenaufsicht SEC die zehn größten Ratingagenturen und warf diesen offenkundige Fehler vor. Den BonitätswächterInnen gelinge es teilweise nicht, methodischen Vorgaben zu folgen oder Interessenkonflikte zu vermeiden. Diese und ähnliche Vorwürfe kommen mittlerweile von vielen Seiten.

Die wichtigsten Punkte

  • Marktkonzentration und -verflechtungen: Alle drei großen Ratingagenturen gehören Großunternehmen, die selbst Papiere ausgeben, die geratet werden müssen.
  • Wurde die Wertung interessanter Wertpapiere anfangs noch von den potenziellen KäuferInnen bezahlt, so ist seit den 1970er-Jahren das Issuer-Pays-System üblich: Ratings werden von den Unternehmen (Staaten) bezahlt, die Anleihen emittieren. Dadurch kann es zu Interessenkonflikten kommen, unter anderem dann, wenn die Agenturen vermehrt positiv werten, um Kundinnen und Kunden zu gewinnen.
  • Intransparenz bei Länderratings: Zwar legen Ratingagenturen dar, welche Faktoren (Finanzgebarung, politische Risiken, Wachstumsprognosen, Auslandsverschuldung etc.) in eine Bewertung von Staatsanleihen mit einfließen, jedoch wird nicht klargestellt, in welchem Ausmaß welche Faktoren zur Gesamtbewertung beitragen. Das endgültige Rating wird von einem Komitee bestimmt; die Relevanz der einzelnen Faktoren ist von Land zu Land und von Agentur zu Agentur unterschiedlich. Das führt unter anderem dazu, dass die "großen Drei" nicht einheitlich bewerten. Ähnlich wie bei Österreich, das Mitte Jänner nur von S&P herabgestuft wurde, unterscheiden sich die Einschätzungen der "großen Drei" auch bei anderen Staaten.
  • Falsche Ratings: Vor der Finanzkrise haben die Agenturen viel zu lange Bestnoten für hochriskante Kreditpapiere vergeben und so Spekulationen weiter angeheizt sowie die Blase vergrößert.
  • Die Ratingagenturen bezeichnen ihre Gutachten zwar als Meinungen, diese haben aber oft nicht nur Einfluss auf den schlechter bewerteten Staat allein. So hatte etwa die Herabstufung der Baltikum-Staaten - unter anderem vermutlich wegen des starken Engagements österreichischer Banken in diesen Ländern - einen merklichen Effekt auf den österreichischen Aktienmarkt.
  • Theoretisch könnten Länderratings dabei helfen, Konjunkturzyklus-Kurven abzuflachen. Durch frühe Herabstufungen während eines Booms (= Identifikation einer Blase) würden übertriebene Erwartungen gedämpft. Tatsächlich ist das schwierig, da die Agenturen dafür oft nicht die nötigen Informationen haben. Hinken Ratings den Finanzmärkten jedoch hinterher, so verstärken sie noch zusätzlich das Konjunktur-Auf-und-Ab.

Herabstufungen können dazu führen, dass die Zinsbelastung für bereits verschuldete Staaten weiter ansteigt. Oder sie bewirken, dass die aus der Herabstufung resultierenden Sparmaßnahmen die Wirtschaft abwürgen und sich die Tendenz nach unten verschärft, wie es zum Beispiel in Griechenland der Fall war. Es muss aber nicht so sein, Rumänien etwa wurde nach drei Jahren wieder hochgestuft. Valerie Bösch schreibt in "Ratings in der Krise": "Besonders negative Ankündigungen und Herabstufungen haben starke Auswirkungen auf die Renditen von Staatsanleihen." Und: "Länder, die vor kurzem (in den letzten sechs Monaten) herabgestuft wurden, haben höhere Zinsaufschläge als Länder mit demselben Rang, die nicht herabgestuft wurden."

EU sieht Handlungsbedarf

"Ratings", so EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier, "haben direkte Auswirkungen auf die Märkte und die Wirtschaft als Ganzes und damit auf den Wohlstand der europäischen BürgerInnen. Sie sind keine bloßen Meinungsäußerungen. Zudem haben Ratingagenturen in der Vergangenheit folgenschwere Fehler gemacht. Auch das Timing einiger Länderratings hat mich überrascht - zum Beispiel wenn diese mitten in den Verhandlungen über ein internationales Hilfsprogramm für ein Land abgegeben wurden. Wir dürfen nicht zulassen, dass Ratings die Volatilität der Märkte noch verstärken." Im Jänner 2011 nahm die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA (European Securities and Markets Authority) ihre Tätigkeit auf. Sie ist u. a. für die Zulassung von Ratingagenturen zuständig. Ergänzend dazu hat die EU-Kommission im November 2011 auf Anregung des Europäischen Parlaments Vorschläge zur Rating-Regulierung präsentiert:

  1. Mehr Eigenverantwortung statt blindes Vertrauen in Ratings: Finanzinstitute, FondsmanagerInnen und AnlegerInnen sollen verpflichtet werden, eigene Bewertungen vorzunehmen. Zusätzlich müssen sowohl die Ratingagenturen als auch die bewerteten Unternehmen umfassendere und bessere Basisinformationen zu den Ratings vorlegen, damit professionelle AnlegerInnen sich leichter ein eigenes Urteil bilden können. Ratingagenturen müssen ihre Ratings der ESMA mitteilen. Gleichzeitig sollen die Ratingagenturen Emittenten und AnlegerInnen zu geplanten Änderungen an ihren Ratingmethoden konsultieren und diese Änderungen der ESMA melden.
  2. Transparentere und häufigere Länderratings: Die Kreditwürdigkeit der Mitgliedsstaaten wird alle sechs Monate statt wie bisher alle zwölf Monate bewertet. AnlegerInnen und Mitgliedsstaaten werden über die jedem Rating zugrunde liegenden Fakten und Annahmen informiert. Um Marktstörungen zu vermeiden, werden Länderratings erst nach Handelsschluss und mindestens eine Stunde vor Öffnung der Handelsplätze in der EU veröffentlicht.
  3. Vielfalt und strikte Unabhängigkeit: Emittenten müssen alle drei Jahre die sie bewertende Agentur wechseln. Für komplex strukturierte Finanzinstrumente sind zwei Ratings von zwei verschiedenen Ratingagenturen erforderlich. Ein großer Anteilseigner einer Ratingagentur darf nicht gleichzeitig ein großer Anteilseigner einer anderen Agentur sein.
  4. Umfassendere Haftung: Im Fall vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verstöße gegen die Verordnung haften Ratingagenturen gegenüber geschädigten AnlegerInnen. Die Beweislast trägt die Ratingagentur.

Dazu Michael Heiling, Abteilung Betriebswirtschaft der AK Wien: "Im Februar wird es im Europaparlament ein Hearing zu den Vorschlägen der Kommission geben, Mitte Mai berät der Ecofin-Rat. Theoretisch ist noch vor der Sommerpause ein entsprechender Beschluss möglich. Ich fürchte allerdings, dass die Rotation (Punkt drei) noch rausfallen könnte." Nicht enthalten im Entwurf ist die auch vom Europäischen Parlament aufgegriffene Idee einer öffentlichen Ratingagentur. "Ziel ist ja, prinzipiell den Einfluss von Ratings zu reduzieren. Ob eine europäische öffentliche Ratingagentur - abgesehen von den Kosten - dazu beitragen kann, ist fraglich", so Heiling.

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
a.fadler@aon.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

Buchtipp
Valerie Bösch
Ratings in der Krise
Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, 2011, 53 SeitenISBN 978-3-7063-0420-7
Das PDF kann man downloaden unter: tinyurl.com/7xtrr4m 

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum