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"Geht’s uns allen gut, geht’s auch der Wirtschaft gut" Riskante - und meist nur mehr ­virtuell existierende - Geschäfte haben mit der Realwirtschaft wenig zu tun und reißen - im schlimmsten Fall beim Platzen von Spekulationsblasen - die weltweite Wirtschaft in Krisen mit massiven negativen ­Effekten.

"Geht’s uns allen gut, geht’s auch der Wirtschaft gut"

Schwerpunkt

Verteilungsgerechtigkeit: Wenn nicht aus Fairnessgründen zumindest aus Egoismus.

Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut." Dieser viel zitierte Wirtschafts(kammer)-Slogan klingt auf den ersten Blick vielleicht einleuchtend, bei genauerer Betrachtung müsste es aber vielmehr heißen: "Geht’s uns allen gut, geht’s auch der Wirtschaft gut." Warum das so ist, hat eine Reihe von Hintergründen. Der offensichtlichste ist wohl, dass die Kaufkraft bzw. der private Konsum die Motoren einer gesunden Realwirtschaft und einer guten Wirtschaftsentwicklung sind. Weiters handelt es sich auch bei Verteilungsgerechtigkeit um ein wichtiges Element, weil damit hochspekulativen Transaktionen vorgebeugt wird: Denn hauptsächlich bei hochkonzentrierten Vermögensansammlungen bestehen die Möglichkeit und der EhrGEIZ, riskante - und meist nur mehr virtuell existierende - Geschäfte durchzuführen. Diese haben mit der Realwirtschaft wenig zu tun und reißen - im schlimmsten Fall beim Platzen von Spekulationsblasen - die weltweite Wirtschaft in Krisen mit massiven negativen Effekten.

"Flexibilisierung der Arbeitswelt"

Eindrucksvolle Beispiele dafür sind die Dotcom-Blase im Jahr 2000 und zuletzt die Immobilienblase (Anfang der Finanzkrise ab 2007), deren Auswirkungen nach wie vor spürbar sind. In einer globalisierten Welt ist die Aussage "geht’s uns allen gut" durchaus wörtlich zu verstehen: Die Verstrickungen am Weltmarkt führen dazu, dass auch große Lücken bei den Arbeitsbedingungen und Einkommensniveaus letztlich weltweite Auswirkungen (drohende Abwärtsspirale, Verhältnis ­Import-Export/Kaufkraft) haben.

Hinter der eleganten Formulierung "Flexibilisierung der Arbeitswelt" verbirgt sich zumeist die Forderung, länger für weniger Lohn und unter schlechteren Bedingungen arbeiten zu müssen. Dies kann auf die Lohnanpassungen oder auch auf die Lebensdauer bezogen sein (Stichwort Pensionsalter). Gerade in westlichen Ländern kommen problematische Arbeitsplatzbedingungen oft eher subtil daher. In Österreich beispielsweise sind die Handlungsspielräume der ArbeitnehmerInnen häufig sehr gering, während Arbeitstempo, Zeit und Termindruck im Vergleich zu anderen EU-Ländern besonders stark aus­geprägt sind.1 Diese Kombination aus hohem Druck und kleinen Spielräumen wirkt sich besonders belastend auf ­Arbeit­nehmerInnen aus.
Doch während die reale Situation ­einer alternden Gesellschaft ("demo­grafischer Wandel") besteht und der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt von einer Anhebung des Pen­sionsantrittsalters auf 75 Jahre träumt, besteht weiterhin zunehmende Arbeitsverdichtung und mangels Regulierungsmechanismen fehlt auch der Wille, genügend alternsgerechte Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Abgesehen vom individuellen menschlichen Leid stellt eine deregulierte Arbeitswelt durch Ressourcenverschwendung und Kostenverursachung (Gesundheit, Invalidität, Pensionen bzw. resultierende Transferleis­tungen) eine Belastung über die Grenzen hinaus dar. Zudem ist für durchschnittliche BürgerInnen im erwerbsfähigen ­Alter die Gegebenheit, eine Arbeit zu haben und auch arbeiten zu können, ein wesentlicher Faktor für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Anhebung nach oben

Im europäischen Rahmen genießen Kriterien der Wirtschaftspolitik (Budget­defizit, öffentliche Verschuldung, Inflationsraten etc.) einen hohen Stellenwert und gleichzeitig werden Beschäftigungskriterien und soziale Grundrechte stiefmütterlich behandelt. Aufgrund des geöffneten Arbeitsmarktes in der Euro­päischen Union wäre jedoch gerade hier auf die überregionale Einhaltung von Mindeststandards zu achten, da sonst Lohn- und Sozialdumping gefördert werden und in der Folge eine allgemeine Abwärtsspirale des Lebensstandards in Gang gesetzt wird. Um dies zu verhindern, muss eine Anpassung nach "oben" und nicht nach "unten" angestrebt werden.

Im Bereich der Arbeitswelt werden beispielsweise folgende soziale Grundrechte gefordert:

  • Arbeit: Recht auf sichere, gesunde, würdige, gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen (z. B. Beschränkung der Arbeitszeit, angemessene Arbeitsruhe, bezahlter Jahresurlaub, Schutz von Jugendlichen, Schwangeren und Müttern, berufliche Aus- und Weiterbildung, Schutz vor herabwürdigender Behandlung, Belästigung und Diskriminierung, Arbeitsentgeltfortzahlung bei Krankheit und Unfall, Schutz vor ungerechtfertig­ter fristloser Beendigung des Arbeits­verhältnisses, angemessene Mitwirkung in personellen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten durch gewählte Organe),
  • Verbot von Kinderarbeit,
  • Recht auf Arbeitsvermittlung,
  • Recht auf soziale Sicherheit (öffentlich-rechtliche Pflichtversicherung),
  • existenzielle Mindestversorgung (Menschen, die nicht für sich sorgen können, müssen die Mittel für ein menschenwürdiges Dasein bereitgestellt werden),
  • Koalitionsfreiheit (z. B. Zusammenschluss von ArbeitnehmerInnen zur Interessenvertretung).

Sozialen Frieden sichern

Auch wenn die Reduzierung der Haushaltsdefizite derzeit den Schwerpunkt der EU-Politik darstellt - und insbesondere auch wegen der (Zins-)Abhängigkeit gegenüber den großen Finanzplätzen notwendig ist - so muss dabei eine größtmögliche Verteilungsgerechtigkeit berücksichtigt werden, um nicht in eine Abwärtsspirale zu rutschen. Dies rechtfertigen einerseits volkswirtschaftliche Gründe, nämlich der Kreislauf:

Und ein nicht minder wichtiges Argument für mehr Verteilungsgerechtigkeit ist die Sicherstellung des sozialen Friedens in Europa. Diese Punkte gilt es bei den Bemühungen zur Defizitreduktion und der Europapolitik zu forcieren. Denn eine deregulierte freie Marktwirtschaft mit entfesselten Finanzmärkten vermag dies nicht - im Gegenteil, wie die Entwicklung zeigt: Die Interessen formieren sich nämlich zum Schutz von Kapitalerträgen und großen Vermögen - und das geht letztlich zulasten der Arbeitseinkommen und des allgemeinen Wohlstandes.
Als ein hohes Gut unserer modernen Gesellschaft wird Freiheit angesehen, die in hohem Maß auch durch die Verfügbarkeit von monetären Mitteln für die/den Einzelne/n definiert wird. Diese vermeintliche Freiheit ist aber selbst für die tatsächlichen "Gewinner" des vorherrschenden Modells des neoliberalen Finanzkapitalismus bedroht: In Ländern, wo beispielsweise die Kluft zwischen Arm und Reich größer wird und/oder die Jugendarbeitslosigkeit an der 50-Prozent-Marke kratzt (z. B. Griechenland, Spanien) sind soziale Unruhen vorprogrammiert. Das Phänomen der "Lost Generation", die Armut, Perspektivlosigkeit und häufig auch Gewalt nach sich zieht, ist ein Pulverfass, dessen Zündschnur längst Feuer gefangen hat. In Staaten mit besonders großen sozialen Unterschieden (z. B. Brasilien, USA) gibt es daher eine starke Gettoisierung von Vermögenden: Sie müssen sich selbst zum Schutz vor der armen Masse in bewaffnete Communities einsperren. Insofern ist auch aus Sicht der reichen Eliten Verteilungsgerechtigkeit - wenn schon nicht aus Gerechtigkeitsempfinden, dann zumindest aus egoistischen Gründen - ein anstrebenswertes Ziel.

Im Sinne aller Menschen

Abgesehen davon wäre es visionslos sich damit zufriedenzugeben, dass große Ungleichheiten existieren. Entsprechende arbeitsrechtliche Bestimmungen haben historisch betrachtet bereits viele Verbesserungen gebracht und es gilt, dies im Sinne aller Menschen vehement fortzusetzen.

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1 Lt. WIFO-Studien "Arbeitsbedingte Erkrankungen", 2008; "Arbeits­platzbelastungen, arbeitsbedingte Krankheiten und Invalidität", 2009. 

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