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Arbeitsrecht über 50 Grundsätzlich ist eine Kündigung auch während eines Krankenstandes möglich.

Arbeitsrecht über 50

Schwerpunkt

Wir sollen länger in Arbeit bleiben und später in Pension gehen - für ältere ArbeitnehmerInnen gelten spezielle Bestimmungen.

Die Menschen werden immer älter, das Pensionsalter steigt. ArbeitnehmerInnen sollen immer länger arbeiten, immer später in Pension gehen. Gleichzeitig möchten viele Unternehmen die teureren, mitunter weniger belastbaren oder gesundheitlich angeschlagenen älteren Arbeitskräfte durch geringer bezahlte, (angeblich) stressresistente Jüngere ersetzen.
Wie stellt sich die arbeitsrechtliche Situation für Beschäftigte über 50 tatsächlich dar?

Mär von der Unkündbarkeit

"Im Alter kann mich der Chef eh nicht kündigen", hält sich die hartnäckige Mär. "Falsch", klärt Irene Holzbauer auf, die die Abteilung Arbeitsrecht in der AK Wien leitet: "Es gibt keinen besonderen Kündigungsschutz für über 50-Jährige."
Auch ältere ArbeitnehmerInnen können jederzeit gekündigt werden. ArbeitgeberInnen haben lediglich die geltenden Kündigungsfristen und -termine einzuhalten. Nach dem Ange­stelltengesetz steigen mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit - und damit indirekt mit dem Alter - die Kündigungsfristen.
Kündigungen durch ArbeitgeberInnen können jedoch angefochten werden, wenn sie sozialwidrig sind, aufgrund eines vom Gesetzgeber verpönten Motivs erfolgen oder eine Diskriminierung etwa aufgrund des Alters darstellen (oder des Geschlechts usw.). Kündigungsanfechtungen wegen Sozialwid-rigkeit von über 50-jährigen männlichen Topverdienern sind dabei erfolgreicher, als zum Beispiel jene von Putzfrauen.
Woher kommt der auf den ersten Blick merkwürdige Unterschied? Sozial ungerechtfertigt ist eine Kündigung, wenn sie wesentliche Interessen einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers beeinträchtigt.
Daher wird deren/dessen gesamte soziale Lage untersucht: monatliche Lebens­kosten, Sorgepflichten, laufende Kredite sowie der berufliche Werdegang und die Chance auf erfolgreiche Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Eine Arbeitssuche von bis zu einem halben Jahr und ein Einkommensverlust von bis zu 15 Prozent gilt laut Rechtsprechung als zumutbar.
Der Spitzenmanager, dessen Frau wenig verdient und der eine Eigentumswohnung auf Kredit gekauft hat, verliert bei dieser Betrachtungsweise durch die Kündigung mehr, weil er den hohen Lebensstil nicht mehr finanzieren kann und nicht so schnell einen vergleichbaren Arbeitsplatz findet - als im Vergleich die Putzfrau, die bescheiden lebt und als ungelernte Kraft jeden verfügbaren Job annehmen muss. ArbeitgeberInnen sprechen mittlerweile keine plumpe Kündigung aufgrund des Alters mehr aus. Die Betroffenen erfahren den wahren Kündigungsgrund vielleicht durch Zufall - wenn sie ein Inserat sehen, in dem für ihren Job eine/ein Jüngere/r gesucht wird.
Berufen sich Betroffene auf einen Diskriminierungstatbestand, muss dieser vor Gericht glaubhaft gemacht werden. Diese Glaubhaftmachung ist zwar weniger streng als die sonst erforderliche Beweisbarkeit. Jedoch reicht ein subjektives Empfinden nicht aus, es müssen Sachverhaltselemente vorliegen. Das könnte etwa die beiläufige Bemerkung einer/eines Vorgesetzten sein, dass das Team verjüngt werden müsse.
Im Rahmen eines Anfechtungsverfahrens wird auch überprüft, ob die Kündigung nicht doch gerechtfertigt ist. So können Umstände vorliegen, die in der Person der Arbeitnehmerin, des Arbeitnehmers liegen und die betriebliche Interessen nachteilig berühren. Die Kündigung kann aber auch durch betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt sein, etwa wenn der Betrieb rote Zahlen schreibt.

Krank und den Job los

Lange und/oder wiederkehrende Krankenstände stellen persönliche Kündigungsgründe dar, wenn sich der Gesundheitszustand des Betroffenen nicht verbessert. Grundsätzlich ist eine Kündigung auch während eines Krankenstandes möglich. Leiden ArbeitnehmerInnen aber unter einer körperlichen Beeinträchtigung, die einer Behinderung entspricht, und erfolgte die Kündigung aus diesem Grund, kann die Kündigung nach dem Behinderteneinstellungsgesetz wegen Diskriminierung angefochten werden. Davor ist jedoch ein Schlichtungsverfahren beim Bundessozialamt verpflichtend.

Betriebsrat und Kündigung

Gibt es einen Betriebsrat, ist dieser erste Anlaufstelle für eine allfällige Anfechtung. Er muss vom Betriebsinhaber vor jeder Kündigung informiert werden und kann innerhalb einer Woche dazu Stellung nehmen. Der Betriebsrat kann einer Kündigung widersprechen, ihr zustimmen oder schweigen. Stimmt er der Kündigung zu, ist eine Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit nicht ­möglich.
Der Betriebsrat kann auf Verlangen der/des Gekündigten binnen einer Woche nach Verständigung über die Kündigung diese bei Gericht anfechten, wenn er der Kündigung widersprochen hat. Kommt der Betriebsrat diesem Verlangen nicht nach, so kann der/die ArbeitnehmerIn innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf der für den Betriebsrat geltenden Frist die Kündigung bei Gericht selbst anfechten.
Schweigt der Betriebsrat zur Kündigung, so geht das Recht auf Anfechtung auf den/die ArbeitnehmerIn selbst über. Die Klage ist innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung bei Gericht einzubringen. Gibt es keinen Betriebsrat, kann eine Kündigung angefochten werden, wenn mindestens fünf ArbeitnehmerInnen im Betrieb beschäftigt sind. In vielen Fällen endet das Gerichtsverfahren jedoch mit einem Vergleich, erzählt Irene Holz­bauer aus der Praxis, da das Prozess­risiko hoch ist.
Wird die Kündigung vom Gericht für rechtsunwirksam erklärt, so geht es zurück an den Arbeitsplatz, sämtliche Löhne müssen von dem/der ArbeitgeberIn nachgezahlt werden. Für ArbeitnehmerInnen stellt sich die wichtigste Frage bereits vor der Klagseinbringung: Halte ich es aus, auf Basis eines Gerichtsurteils wieder am alten Arbeitsplatz zu erscheinen?
Was aber tun, wenn man aufgrund gesundheitlicher Probleme die bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben kann? Wenn ein Lagerarbeiter einen Bandscheibenvorfall erleidet und keine schweren Lasten mehr tragen kann?
Der Arbeiter erhält im Krankenstand zunächst Lohnfortzahlung von seinem Arbeitgeber, jedenfalls sechs Wochen volles und vier Wochen halbes Entgelt pro Arbeitsjahr. Mit längerer Betriebszugehörigkeit erhöht sich die Dauer der Entgeltfortzahlung. Danach gibt es Krankengeld von der Krankenkasse, maximal für ein Jahr.
 Im Krankenstand sollte man gemeinsam mit den Ärztinnen und Ärzten abklären: Ist eine Heilung möglich? Welche Tätigkeiten könnte ich trotz Krankheit ausüben? Kann ich die bisherigen Arbeiten gar nicht mehr erledigen, ist es ratsam, dies dem/der ArbeitgeberIn offenzulegen. Eventuell könnte eine andere Tätigkeit beim/bei der selben ArbeitgeberIn weiterhin ausgeübt werden. Gibt es einen Betriebsrat, sollte dieser unbedingt in die Gespräche mit dem/der ArbeitgeberIn eingebunden werden.
Aufgrund der Fürsorgepflicht sind ArbeitgeberInnen verpflichtet, dem/der ArbeitnehmerIn einen nicht gesundheitsgefährdenden Arbeitsplatz anzubieten, dies jedoch nur im Rahmen der im Arbeitsvertrag vereinbarten ­Tätigkeit.
Erfahrungsgemäß, so Irene Holzbauer, gelingt eine solche Versetzung bei größeren Unternehmen, die eine Vielfalt von Beschäftigungsmöglichkeiten bieten, eher, als beispielsweise in einem kleinen Einzelhandelsgeschäft.

Berufsunfähigkeitspension 

Wenn gar nichts mehr geht, bleibt das Ansuchen um eine Berufsunfähigkeitspension. Aktuell erhält man dann einen sogenannten Pensionsvorschuss, doch sind gerade hier neue Regelungen geplant, da in Zukunft die berufliche ­Rehabilitation stärker Ziel sein soll.

Internet:
Broschüren-Download und mehr Info:
www.arbeitundalter.at 
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
anni.buerkl@texteundtee.at oder die Redaktion
aw@oegb.at 
 

Info&News
Die ersten Schritte nach einer Kündigung:
- Betriebsrat als erste Ansprechperson kontaktieren. 
- Von der Stellungnahme des Betriebsrates hängen die weiteren Schritte ab.
- Fachgewerkschaft kontaktieren - aber Achtung: Vertretung nur für Mitglieder.
- Beratung bei der zuständigen Arbeiterkammer.

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