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Hinten ist noch Platz Schmerzpunkt Gastronomie: Hier ist es geradezu üblich, dass die Zahlungen häufig schwarz erfolgen, Arbeitskräfte nur Teilzeit angemeldet sind, aber größtenteils Vollzeit arbeiten.

Hinten ist noch Platz

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Gleiche Arbeit, gleicher Lohn? Das gilt leider nicht im Dienstleistungssektor. In Branchen mit hohem Frauenanteil wird beim Arbeitsrecht gespart.

Bitte hinten anstellen! Wo Frauen schuften, wird das Arbeitsrecht gerne schlechter ausgelegt. Rechte, die in typischen Männerberufen nie infrage gestellt werden, müssen hier immer wieder aufs Neue erkämpft werden. "In Berufen, in denen vermehrt Frauen arbeiten, sind die Bedingungen nicht optimal", bestätigt Hans Trenner, Bereichsleiter der Arbeiterkammer Wien. Arbeitszeiten, Pausen und Urlaube werden oftmals einfach von der Chefin/vom Chef diktiert, Überstunden nicht ­bezahlt. So wird etwa die Mehrarbeit bei Schlecker erst seit April 2011 durch eine ­Betriebsvereinbarung geregelt.

Bessere Arbeitsbedingungen

Doch nicht bloß die Situation im Handel, wo die Mehrheit der rund 520.000 Beschäftigten in Österreich weiblich ist, bedarf dringender Verbesserung. Traditionell sind auch die Fixgehälter in der Gastronomie miserabel, ein Großteil der Arbeitszeit oder gar Überstunden werden dort selten adäquat abgegolten. Nicht besser ergeht es ArbeitnehmerInnen in der Kranken- und Heimpflege - die Nachfrage wächst, den Frauen nutzt das wenig. Ein Vergleich zu den klassischen Männerberufen fällt ernüchternd aus: Während eine Friseurin, die ihre Lehre beendet hat und als Gesellin beginnt, 1.100 Euro bekommt, erhält ein frisch gebackener Mechatroniker 1.700 Euro brutto pro Monat. Ein massiver Unterschied am Lohnzettel, ­obwohl beide Lehrberufe mit schwierigen Arbeitsbedingungen einhergehen. Die Krux: ­Gerade in der Friseurbranche gibt es ­keine richtig gewachsene Tra­dition der ArbeitnehmerInnenvertretung. "Doch je stärker ich gewerkschaftlich organisiert bin, desto eher lassen sich bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen", erklärt ÖGB-Bundesfrauenvorsitzende Brigitte Ruprecht.

Selten Betriebsrat im Friseursalon

Die hohe Fluktuation in Friseurbetrieben erschwert eine Betriebsratsgründung, zudem sind viele Friseursalons kleine ­Familienbetriebe, wo es auch rechtlich schwierig ist, einen Betriebsrat gegen den Willen der Chefin bzw. des Chefs durchzusetzen. Friseurin Fadime John arbeitete über 20 Jahre hindurch in einem Familienbetrieb, doch mit ihrem zweiten Baby und der Karenz änderte sich das einst freundschaftliche Arbeitsklima radikal. "Du bist zu teuer", war der Satz, den die nunmehrige Teilzeitkraft nebst Herumkommandieren und Sticheleien am öftesten hörte. Nach vier Monaten wurde Fadime gekündigt, obwohl in der Elternteilzeit ein besonderer Kündigungsschutz gilt. Mit Hilfe der Arbeiterkammer kämpfte die Friseurin vor Gericht über ein Jahr lang um ein richtiges Dienstzeugnis und das ihr zustehende Geld.
Gerade in der Dienstleistungsbranche finden sich Beschäftigungsverhältnisse, die von der Vollzeit abweichen und damit viel Platz für Ungerechtigkeiten bieten: Teilzeitmitarbeit, Arbeit unter der Geringfügigkeitsgrenze, freie Dienstverträge, Scheinselbstständigkeit. Rund 85 Prozent aller erwerbstätigen Frauen arbeiten im Dienstleitungssektor (und immerhin 58 Prozent der Männer). Viele von ihnen fallen um einen bezahlten Urlaub oder um das 13. und 14. Gehalt um, weil sie oft nicht wissen, wie sie sich überhaupt wehren können. Schmerzpunkt Gastronomie: Hier ist es geradezu üblich, dass die Zahlungen häufig schwarz erfolgen, Arbeitskräfte nur Teilzeit angemeldet sind, aber größtenteils Vollzeit arbeiten. Reinigungskräfte werden gerne ausgebeutet: Gängig sind 30 Arbeitsstunden bei einem 20-Stunden-Vertrag. "Auf Zuschläge oder das restliche Geld wird einfach vergessen", weiß Hans Trenner. Wie etwa bei einem Wiener Großbetrieb, wo sich rund 150 Betroffene bei der Arbeiterkammer gemeldet haben, weil ihr Lohn regelmäßig falsch abgerechnet wurde. Die konnte außergerichtlich insgesamt 500.000 Euro für die MitarbeiterInnen erkämpfen. Dass ArbeitnehmerInnen, deren Rechte von ihren Chefs mit Füßen getreten werden, auch psychisch leiden, liegt auf der Hand.

Angst, ersetzbar zu sein

Im Handel sind Filialen, in denen ein bis zwei MitarbeiterInnen die ganze Arbeit machen, üblich - sie stöhnen unter der Last der Arbeit und Verantwortung, wissen meist nicht über ihre Rechte oder gar über die Gründung eines Betriebsrats Bescheid. Ein großer Teil der ArbeitnehmerInnen leidet deshalb unter der Angst, allzu leicht ersetzbar zu sein. "Meine Arbeit ist nicht so anspruchsvoll, das kann leicht jemand anders für mich machen, so denken leider viele Menschen", weiß Peter Hoffmann, klinischer Gesundheitspsychologe und Experte der Arbeiterkammer Wien. De facto gilt das aber nicht nur für VerkäuferInnen, auch ManagerInnen - wie in vielen Unternehmen sichtbar - lassen sich leicht ersetzen. Hoffmann rät zum positiven Denken: "Jeder Mensch kann Komponenten liefern, die man nicht so leicht bei jemand anderem findet. Und das sollte als Kapital ­gesehen werden." Doch allzu häufig werden MitarbeiterInnen für dumm ­verkauft, ohne dass es ihnen überhaupt bewusst wird. In ihrer Funktion als ­Bundesfrauenvorsitzende hat Brigitte Ruprecht eine Nageldesignerin beraten, die zwar einen 40-Stunden-Vertrag hat, aber zehn unbezahlte Überstunden pro Woche machen muss. Ihr Verdienst: 700 Euro netto im Monat! "Und sie hat sich auch noch gefreut, dass ihr die Chefin einen Parkplatz für monatlich 70 Euro bezahlt", ärgert sich Ruprecht.

Frauen als Dazu-Verdienerinnen

Über Jahrzehnte hin dienten die Frauen nur als unscheinbare Dazu-Verdienerinnen. Brigitte Ruprecht: "Tust ein bisserl was dazu verdienen, dann kannst du dir den Friseur leisten, das sagten die Männer." Und da es sich ja nur um ein "Dazu­verdienen" handelte, wurde selbiges von den ArbeitgeberInnen dementsprechend übel bezahlt. Vergessen wird oft, dass noch bis zur Familienrechtsreform von 1975 der Mann das Oberhaupt der Familie war. Ging die Frau gegen den Willen des Mannes einer Arbeit nach, war das bereits ein Scheidungsgrund. Bis Ende der 1970er-Jahre wurden auch die Kollektivverträge von unterschiedlichen Löhnen für Männer und Frauen beherrscht.

MechanikerIn besser bewertet

Auch die Sozialpartner bewerteten die Arbeitsaufgaben vor allem nach männ­lichen Gesichtspunkten - etwa Schmutz, Muskelkraft oder die Verantwortung für Maschinen, diese wurden überproportional belohnt. Noch vor 20 Jahren wurden die Aufgaben eines Mechanikers in einer Studie mit 64 Punkten bewertet, die einer Krankenpflegerin hingegen mit schlappen 22 Punkten. Augenscheinlich war die Pflege eines Vehikels mehr wert als die eines Menschen. Kehrtwende: In einer Neubewertung der Berufsbilder nur einige Jahre später schnitt der/die MechanikerIn mit 44 Punkten ab, der/die KrankenpflegerIn mit 45.
Doch die alten Bilder wirken nach: Der Hausarbeiter wird etwa besser eingestuft als eine Reinigungskraft, obwohl sie häufig Chemikalien ausgesetzt ist und ebenso körperlich hart arbeitet. Einem Maurer, der Zementsäcke schleppt, wird Krafteinsatz zugebilligt, eine Supermarktkassiererin, die täglich viele Produkte über den Scanner zieht - dabei zwischen zwei und sechs Tonnen pro Tag hebt - muss um diese Anerkennung noch kämpfen. Immerhin werden KassiererInnen seit letztem Jahr besser bezahlt, denn nach jahrelangem Kampf der GPA-djp stellte der Oberste Gerichtshof fest: "Die Tätigkeit an einer Scannerkasse im Supermarkt erfordere aufgrund der ständig steigenden Anforderungen des Kassiervorganges erhöhte Konzentration bei der Registrierung der gekauften Artikel und beim Zahlungsvorgang." Im Kollektivvertrag werden KassiererInnen nun besser eingestuft, das kann bis zu 150 Euro brutto im ­Monat mehr ergeben

Nicht länger hinten anstellen

Es gibt Hoffnung, dass die Lücke kleiner wird. So wurde bei 80 Prozent der Kollektivverträge ein Mindesteinkommen von 1.300 Euro verankert. "Davon profitieren vor allem die Frauen", erklärt ­Ruprecht. Außerdem werden Karenz­zeiten in immer mehr Kollektivverträgen angerechnet, ähnlich wie die Präsenzdienstzeiten bei den Männern. Dass traditionelle Rollenbilder und altgediente Klischees aus unseren Köpfen verschwinden, ist längst überfällig - doch sie scheinen sich über Generationen zu erneuern. Frauen, bitte nicht länger hinten an­stellen, wenn es um gerechten Lohn für harte Arbeit geht!

Internet:
Mehr Infos unter:
www.gpa.at/schlecker 
www.oegb.at/frauen 
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