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Unterbezahlt und unbeliebt? Migrantinnen müssen mit zweifacher Benach­teiligung kämpfen - als Frauen und als ­Migrantinnen. 36 Prozent der Migrantinnen ­gegenüber 20 Prozent der Migranten üben eine Hilfstätigkeit aus.

Unterbezahlt und unbeliebt?

Schwerpunkt

MigrantInnen in Österreich haben’s nicht leicht: Sie verdienen unterdurchschnittlich und sind Vorurteilen sowie bürokratischen Hürden ausgesetzt.

Österreich weist eine lange Tradition als Einwanderungsland auf und bietet auch heute einen bunten Bevölkerungsmix: Immerhin rund 1,5 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund leben in der Alpenrepublik. Davon wurden etwa 1,14 Mio. im Ausland geboren, knapp 405.000 Personen sind hingegen in Österreich geborene Nachkommen von Eltern mit ausländischem Geburtsort und werden daher auch als "zweite Generation" bezeichnet (Quelle: Jahrbuch für Migration und ­Integration 2011 der Statistik Austria).MigrantInnen stellen somit einen nicht unerheblichen Teil der Gesamtbevölkerung sowie einen wesentlichen volkswirtschaftlichen Faktor dar. Die tägliche Berufspraxis der Zuwanderinnen und Zuwanderer sieht allerdings nicht gerade rosig aus: Sie haben prinzipiell schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt, sie werden nur allzu oft unterhalb ihres Ausbildungsniveaus eingesetzt und sie leiden unter Einkommensnachteilen. Das geht aus der neuen Analyse "MigrantIn ist nicht gleich MigrantIn" der AK hervor, die sich mit den Fähigkeiten, Chancen und Problemen von MigrantInnen aus elf Herkunftsregionen beschäftigt.

Vergeudetes Potenzial

Eine wesentliche Aussage der Studie: MigrantInnen bringen erhebliche berufliche und sprachliche Kenntnisse mit, die in der Arbeitswelt aber leider zu wenig eingesetzt werden. MigrantInnen in Wien sprechen im Durchschnitt mehrere Sprachen, ein hoher Anteil verfügt über eine akademische Ausbildung, bei vielen MigrantInnengruppen sind es sogar rund 50 bis 70 Prozent, die einen akademischen Abschluss vorweisen können (zum Beispiel Frauen und Männer aus dem Iran, dem arabischen Raum oder Deutschland). Allerdings wird ein Anteil von 33 Prozent unterhalb des Ausbildungsniveaus eingesetzt - eine eindeutige Vergeudung des bereits vorhandenen Potenzials. Die größten Hürden stellen hier die Barrieren für die Anerkennung der mitgebrachten Qualifikation dar.

Nostrifizierung schwierig

Zwei Drittel der MigrantInnen haben nämlich ihre Ausbildung nicht in Österreich abgeschlossen, wobei weniger als ein Fünftel dieser Zuwanderinnen und Zuwanderer die Nostrifikation der Qualifikation beantragt. Die Regeln dafür sind nämlich unübersichtlich und viele Ausbildungen können gar nicht nostrifiziert werden.
Aber selbst wenn die Nostrifikation geschafft ist, führt das nur in jedem zweiten Fall zu einem tatsächlich aus­bildungs­adäquaten Berufseinsatz. Zum Ver­gleich: Elf Prozent der Beschäftigten mit österreichischen Wurzeln werden im Beruf unterhalb ihrer realen Qualifikation eingesetzt. "Es besteht ein Mangel an Transparenz im Nostrifizierungsverfahren. Hier ist eindeutig der Gesetzgeber gefragt, die unterschiedlichen Zuständigkeiten von Landes- und Bundesgesetzen müssen durchforstet und die Bemühungen um eine gemeinsame Lösung verstärkt werden", so die Forderung von Josef Wallner, Arbeitsmarktexperte bei der AK. "Die offizielle Anerkennung der im Ausland erworbenen Ausbildung in Österreich ist schwierig und langwierig, das kann sich schon fünf, sechs, sieben Jahre 'ziehen‘. Dadurch sind die Betroffenen lange von ihrer Berufspraxis entfernt und finden auch nach endlich erfolgter Nostrifikation dementsprechend schwer eine geeignete Stelle", analysiert Wallner. Deshalb fordert er Änderungen im Arbeitsrecht in Richtung einer Beschleunigung und Vereinfachung des Anerkennungsverfahrens. "In Ländern wie Deutschland, den Niederlanden oder Dänemark wurde dieser Weg bereits beschritten, mit dem Erfolg, dass dort viel mehr MigrantInnen entsprechend ihrer Qualifikation eingesetzt werden", so Wallner. Der Experte regt zusätzlich an, die Anerkennung informeller Ausbildung zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. Ein Beispiel: Jemand ­arbeitet jahrelang regulär "am Bau", ohne sich dabei aber offiziell Qualifika­tionen zu erwerben. Schade, denn tatsächlich hat er natürlich viele Fähigkeiten erlernt, es fehlt jedoch die rechtliche Anerkennung.

MigrantInnen verdienen weniger

Der Lösungsansatz: Vor einer sozialpartnerschaftlich gestellten Kommission könnte der Betroffene seine Qualifikationen unter Beweis stellen. Etwaige von der Kommission festgestellte Qualifikationsdefizite könnten beseitigt werden und einem offiziellen Abschluss, etwa als Maurer, stünde nichts mehr im Wege. Mit der dermaßen "gepuschten" Ausbildung bestünde die Möglichkeit, ein weiteres Problem der MigrantInnen zumindest zu lindern: die ungerechte Entlohnung. Während 20 Prozent der Beschäftigten ohne Migrationshintergrund ein monatliches Nettoeinkommen von über 2.400 Euro bei Vollzeiterwerbstätigkeit erzielen, sind dies bei den MigrantInnen nur fünf Prozent. Weitere 20 Prozent der Beschäftigten ohne Migrationshintergrund verdienen höchstens 1.400 Euro netto. Auf einen Verdienst von maximal 1.400 Euro netto kommen hingegen fast 60 Prozent der MigrantInnen. Wesentliche Ursachen sind wiederum die Unterschiede in der Qualifikation zwischen MigrantInnen und den Beschäftigten mit österreichischen Wurzeln. Aber eben auch die angesprochene Tatsache, dass auffallend viele MigrantInnen unterhalb der eigentlichen Qualifikation beschäftigt werden, trägt zu diesen Einkommensunterschieden bei.

Frauen doppelt benachteiligt

Migrantinnen müssen mit zweifacher Benachteiligung kämpfen - als Frauen und als Migrantinnen. 36 Prozent der Migrantinnen gegenüber 20 Prozent der Migranten üben eine Hilfstätigkeit aus. Zum Vergleich: Bei den Beschäftigten mit österreichischen Wurzeln sind es vier Prozent der Frauen und drei Prozent der Männer. 68 Prozent der vollzeitbeschäftigten Frauen mit Migrationshintergrund verdienen maximal 1.400 Euro netto monatlich gegenüber 51 Prozent der männlichen Migranten. Zum Vergleich: Unter den Beschäftigten mit österreichischen Wurzeln sind es 18 Prozent bei den Männern und 20 Prozent bei den Frauen. Aber auch das Arbeitslosigkeitsrisiko von MigrantInnen ist überdurchschnittlich hoch: In den letzten zehn Jahren waren über 40 Prozent der MigrantInnen zumindest einmal von Arbeitslosigkeit betroffen, unter den Beschäftigten ohne Migrationshintergrund waren es zwölf Prozent. All diese Probleme kann man natürlich nicht mit einem Federstrich beseitigen, wobei anzuerkennen ist, dass bereits einige arbeitsspezifische Gesetzesbestimmungen zum Besseren verändert worden sind. Johannes Peyrl, Arbeitsrechtsexperte der AK, sieht die Einführung der sogenannten Rot-Weiß-Rot-Karte als einen solchen Fortschritt: "Mit der Rot-Weiß-Rot-Karte wurde ein differenzierteres Modell geschaffen, um MigrantInnen den Eintritt in die österreichische Arbeitswelt entsprechend ihren Qualifikationen und dem tatsächlichen Bedarf zu ermöglichen."
Früher wurden bei der Erteilung von Arbeitsgenehmigungen nämlich alle Arbeitssuchenden sozusagen "in einen Topf" geworfen, seit Einführung der Rot-Weiß-Rot-Karte am 1. Juli 2011 erfolgt die Differenzierung zwischen "besonders Hochqualifizierten", "Fachkräften in Mangelberufen", "sonstigen Schlüsselkräften" und (ausländischen) "StudienabsolventInnen einer österreichischen Hochschule". Um eine Rot-Weiß-Rot-Karte zu erhalten, muss eine bestimmte Mindestpunkteanzahl (z. B. für Ausbildung, Berufserfahrung, Alter, Sprachkenntnisse) erreicht werden. Anhand eines auf www.migration.gv.at abrufbaren Punkterechners kann die Qualifikationsstufe von MigrantInnen bereits vorab überprüft werden.
Die Vorteile: Arbeitssuchende können besser einschätzen, wo sie tatsächlich benötigt werden und sich auf das Anforderungsprofil einstellen; für die Behörden ist die Vergabe von Arbeitsgenehmigungen aufgrund der Differenzierung wiederum leichter organisierbar.

Zuwanderung als Teil der Antwort

Arbeitsrecht und Administration haben sich also in Österreich tatsächlich in die richtige Richtung bewegt. Dennoch gibt es noch viel zu tun, damit MigrantInnen nicht mit Vorurteilen begegnet wird, sondern Einwanderung als Chance einer modernen Gesellschaft gesehen wird. Denn wie Arbeitsminister Rudolf Hundstorfer erklärt: "Österreich ist eine alternde Gesellschaft; bereits ab 2015 wird es einen Mangel an jungen Arbeitskräften geben - ohne Migration würde die Zahl der 20- bis 24-Jährigen bis 2025 (im Vergleich zu 2005, Anm.) um mehr als 114.000 sinken. Daher ist Zuwanderung Teil der Antwort, um der demografischen Entwicklung entgegenzuwirken."

Internet:
Leben und Arbeiten in Österreich:
www.migration.gv.at 
Integrationshaus Wien:
www.integrationshaus.at 

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