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Designed für den Müll Zu den besonders kurzlebigen elektronischen Produkten zählen wohl Handys. Der - nicht zuletzt von Apple und dessen iPhones ausgehende - Konkurrenzdruck zwingt die Big Player der Branche, jährlich neue Modelle mit noch mehr Funktionen zu entwickeln.

Designed für den Müll

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Schon wieder was kaputt. Gebrauchsgüter haben ihr Ablaufdatum oft schon einprogrammiert. Damit es der Wirtschaft gut geht, ist Obsoleszenz notwendig.

Die Lebenszyklen von elektr(on)ischen Geräten und anderen Gebrauchsgütern werden immer kürzer. Das liegt allerdings nicht nur an fehleranfälliger, billiger Massenproduktion, sondern hat Methode: Schon in den 1930er-Jahren wurde die sogenannte geplante Obsoleszenz als effizientes Mittel propagiert, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Geburtstagsparty für eine Glühbirne

Im Juni 2011 feierte man in Livermore/Kalifornien den 110. Geburtstag der wohl berühmtesten Glühlampe der Welt. Diese wurde 1895 in Ohio erzeugt und 1901 in Betrieb genommen, seitdem leuchtet sie fast unermüdlich - anfangs mit 60 Watt, heute als Nachtlicht mit vier Watt. Die "Jahrhundert-Lampe" steht im Buch der Rekorde und wird rund um die Uhr von einer Webcam beobachtet. In den USA gibt es noch mehrere andere Lampen dieser Bauart (mit Kohlenfaden), die sich durch eine außergewöhnlich lange Lebensdauer auszeichnen.
Die ersten, Ende des 19. Jahrhunderts von Thomas Alva Edison hergestellten Glühlampen brannten durchschnittlich 1.500 Stunden, später konnte die Lebensdauer auf bis zu 2.500 Stunden erhöht werden. 1924 schlossen sich die großen Glühlampenhersteller (General Electric, Tungsram, Osram, Philips u. a.) zu einem Kartell mit dem vielsagenden Namen Phöbus (Sonnengott) zusammen. Neben Preis- und Gebietsabsprachen regelten die Beteiligten auch die Lebensdauer von Glühbirnen und beschränkten diese auf 1.000 Stunden. Überschreitungen wurden bis zur Auflösung des Kartells 1941 mit Geldstrafen geahndet.
1953, nach jahrelangem Rechtsstreit, wurde General Electric verurteilt und die künstliche Reduzierung der Lebensdauer von Glühlampen verboten. Trotzdem gaben herkömmliche Glühlampen auch danach schon nach rund 1.000 Stunden ihren Geist auf, die Industrie begründete das mit einem unvermeidlichen Kompromiss zwischen Langlebigkeit und Leuchtkraft.
1981 stellte Tungsram Budapest die "Langlebensdauerglühlampe" Resista auf der Hannover-Messe vor. Sie brannte 2.500 statt der üblichen 1.000 Stunden. Ein Osram-Direktor meinte dazu nur: "Ihr wollt euch wohl alle arbeitslos machen." Heute können manche moderne (und noch immer relativ teure) LED-Lampen bis zu 100.000 Stunden durchhalten, was ca. 11,5 Jahren Dauerbetrieb entspricht. Aber auch sie verlieren mit der Zeit an Leuchtkraft.

Tote Produkte

1932 veröffentlichte der Immobilienmakler Bernard London mit seinem Buch "Ending the Depression through Planned Obsolescence" seine Ideen gegen die Wirtschaftskrise. Er plädierte dafür, jeden Gebrauchsartikel mit einem vorgegebenen Ablaufdatum zu versehen. Danach sollte dieser als tot gelten und müsste abgegeben werden, Weiterverwendung wäre bei Strafe verboten. Offiziell hat sich bisher kein Unternehmen zur geplanten Obsoleszenz bekannt. Doch ob Krise oder nicht, in der Realität gab und gibt es zahlreiche "kreative Lösungen", um die Verkaufszahlen zu steigern: eingebaute Schwachstellen, beschränkte Haltbarkeit wie bei den erwähnten Glühbirnen oder Rohstoffe von schlechter Qualität. Meist wird gleichzeitig dafür gesorgt, dass Reparaturen unverhältnismäßig teuer oder - etwa wegen nicht mehr lieferbarer Ersatzteile - kaum möglich sind. In der ARTE-Dokumentation "Kaufen für die Müllhalde" wird etwa das Beispiel von Druckern erwähnt, die nach einer vorgegebenen Anzahl an Kopien einfach den Geist aufgeben. Apropos Drucker: Die Methode, Geräte zu Dumpingpreisen zu verschleudern, die Patronen aber teuer zu verkaufen und mit immer wieder neuen Methoden verhindern zu wollen, dass billige Nachahmer-Patronen funktionieren, passt ebenfalls hierher. Denn wer lässt schon einen Drucker reparieren, wenn ein neues Gerät weniger kostet als eine Mechanikerstunde?

Jedes Jahr neue Automodelle

Seit rund 100 Jahren ermöglichen neue Technologien, dass immer mehr Waren immer schneller und immer billiger produziert werden können. Anfang der 1920er-Jahre, als der robuste und langlebige Ford T die Autobranche dominierte, entwickelte Konkurrent General Motors ein neues Konzept: jedes Jahr ein neues Automodell, anfangs immer billiger als der Ford T. Das Ziel war, dass AutofahrerInnen alle drei Jahre ein neues Auto erwerben. Auf diese Weise wurden die KonsumentInnen nicht zum Wegwerfen gezwungen, sondern zum Kaufen verführt. Die Methode funktioniert bis heute: Autos, Kleidung, Schuhe, Möbel etc. werden meist nicht erworben, weil wir sie brauchen, vielmehr weil wir sie haben wollen.

Ein Leben mit Schellacks

Anders verhält sich die Sache oft bei elektr(on)ischen Geräten: Immer rascher aufeinanderfolgende Innovationen zwingen nicht nur zum Umlernen, sondern eben auch zum Neukauf. "Wer im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts gebo-ren wurde, kam ein Leben lang mit den Schellackplatten aus", so Prof. Dr. Günter Ropohl, emeritierter Professor für Allgemeine Technologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt/Main.
"Wer 50 Jahre später auf die Welt gekommen ist, musste vier Innovationen über sich ergehen lassen - mit all den Umstellungen, die damit verbunden waren: neue Geräte, neue Bedienungsformen, neue Tonträger."1 1997 betrug die durchschnittliche Lebensdauer eines Computers sieben Jahre, heute sind es zwei! Wer seinen Computer mehrere Jahre lang behalten will, scheitert zum Teil daran, dass ältere Modelle mit moderner Software nicht mehr zurechtkommen. Bekannte Beispiele für geplante Obsoleszenz sind iPods: Deren Akku ist im Regelfall nach 18 Monaten defekt und kann durch die AnwenderInnen nicht ausgetauscht werden. Erst durch eine Sammelklage ließ sich Apple zu einem Austauschservice für diese Akkus inspirieren.
Zu den besonders kurzlebigen elektronischen Produkten zählen wohl Handys. Der - nicht zuletzt von Apple und dessen iPhones ausgehende - Konkurrenzdruck zwingt die Big Player der Branche, jährlich neue Modelle mit noch mehr Funktionen, noch besserer Display-Auflösung und noch mehr Speicherplatz zu entwickeln.

Bis 50 Mio. Tonnen E-Schrott

Weltweit fallen jährlich 20 bis 50 Mio. Tonnen E-Schrott an. Allein in China wandern vier Mio. Computer pro Jahr auf den Müll. 2006 hat die EU mit der Direktive RoHS (Restriction of Hazardous Substances) versucht, den Einsatz von gefährlichen Substanzen wie Blei, Cadmium und Brom und damit auch deren Anteil im E-Schrott zu reduzieren. Parallel dazu soll Recycling forciert werden. So ist schon seit Anfang 2003 die WEEE-Richtlinie (Waste Electrical and Electronical Equipment Directive) in Kraft, mit der u. a. die Verantwortung der Hersteller erweitert wurde. Laut EU sollen jährlich mindestens vier Kilogramm E-Schrott pro EinwohnerIn gesammelt werden (Österreich derzeit: neun Kilogramm), was deutlich weniger ist als tatsächlich in manchen Ländern anfällt. Ab 2019 sollen entsprechend den Plänen des EU-Parlaments 65 Prozent der im jeweiligen Mitgliedsland auf den Markt gebrachten bzw. 85 Prozent der dort produzierten E-Waren gesammelt werden. Österreich liegt zurzeit bei 47 Prozent Sammelquote, wobei 2010 die Menge des gesammelten E-Schrotts um 2,5 Prozent zurückgegangen ist, obwohl die Masse der in Österreich in Verkehr gesetzten Elektro- und Elektronikgeräte um drei Prozent zugenommen hat (Tätigkeitsbericht Elektroaltgeräte Koordinierungsstelle Austria, EAK).

Die soziale Kluft wächst

50 bis 80 Prozent eines elektr(on)ischen Gerätes können wiederverwertet werden, der Prozess ist allerdings oft relativ aufwendig. Derzeit landet daher noch immer ein Teil des Elektronikschrotts illegal und beispielsweise als Gebrauchtwaren deklariert in Ländern wie Ghana, wo Altcomputer & Co. dann die Umwelt verseuchen und die Gesundheit der Bevölkerung gefährden. Die immer kürzer werdenden Produktlebenszyklen können außerdem quer durch alle Nationen die soziale Kluft vergrößern. Denn wie sollen ärmere Menschen und Länder hier mithalten?

1 Günter Ropohl: Verbraucher im technischen Fortschritt: Hilflose Artisten im Innovationszirkus; AK-Working Papers (Verbraucherpolitik, Verbraucherforschung), Jänner 2012

Internet:
Mehr Infos unter:
www.centennialbulb.org 

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