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Grünes Geld und gutes Gewissen So manche/r Anlegerin bzw. Anleger hat aber vielleicht gar nichts gegen Alkohol- und Tabakkonsum einzuwenden oder hält Atomenergie für einen adäquaten Weg, um die Klimaerwärmung zu bekämpfen. Oder er/sie glaubt, der Einsatz von Gentechnik helfe dabei, die

Grünes Geld und gutes Gewissen

Schwerpunkt

Ethische und ökologische Investments versprechen die Möglichkeit, "gutes Geld" zu verdienen. Eine kritische Betrachtung ist aber notwendig.

Sie wollen Wirtschaftsethik studieren? Entscheiden Sie sich für das eine oder das andere", so ein bekanntes Zitat des österreichischen Sprachkünstlers Karl Kraus. Tatsächlich sind für viele Menschen die Auswüchse des kapitalistischen Wirtschaftssystems und moralische Grundsätze nicht miteinander vereinbar. Rücksichtslose Gewinnmaximierung an der Börse und ethische Zielsetzungen stehen tatsächlich im Widerspruch zueinander. Ethische, ökologische beziehungsweise nachhaltige Investmentformen versuchen allerdings einen Weg aufzuzeigen, um den genannten Widerspruch zumindest zu glätten. Wie soll dieser Weg aussehen?

Das "liebe" Geld

Zunächst zur genauen Definition: Der Begriff des nachhaltigen Investierens hat sich in den vergangenen Jahren als Synonym für ethische Investments durchgesetzt. Demzufolge sind heute zahlreiche Ethik- bzw. Nachhaltigkeitsfonds am Markt vertreten. Unter ethischen Veranlagungen versteht man wiederum Investments, die mit Mensch und Natur in Einklang stehen sollen. Was das konkret bedeutet, hängt von den Anlagerichtlinien der jeweiligen Fonds und in letzter Konsequenz von der persönlichen Einstellung der einzelnen AnlegerInnen ab. Zum Beispiel sind Atomenergie, Alkohol- und Tabakindustrie sowie Gentechnik in der Landwirtschaft für viele nachhaltige Fonds ausgeschlossen. So manche/r Anlegerin bzw. Anleger hat aber vielleicht gar nichts gegen Alkohol- und Tabakkonsum einzuwenden oder hält Atomenergie für einen adäquaten Weg, um die Klimaerwärmung zu bekämpfen. Oder er/sie glaubt, der Einsatz von Gentechnik helfe dabei, die globale Hungerproblematik zu entschärfen.
Es sei somit allen AnlegerInnen geraten, die schönen Worte "nachhaltig", "ethisch" oder "ökologisch" zu hinterfragen und einen kritischen Blick in die entsprechenden Portfolios der Fondsgesellschaften zu werfen. Eine überaus nützliche Orientierungshilfe bieten dabei bestimmte Gütesiegel. So hat der Verein für Konsumenteninformation im Auftrag des Lebensministeriums gemeinsam mit Expertinnen und Experten auf dem Gebiet des nachhaltigen Investierens Richtlinien zur Vergabe des Österreichischen Umweltzeichens erarbeitet. Dieses Gütesiegel zertifiziert im Finanzbereich ethisch orientierte Projekte, Unternehmen und Produkte, die Gewinne durch nachhaltige Investitionen erzielen und bezüglich klar definierter Merkmale umweltfreundlicher sind als andere. Durch diese Kennzeichnung erhalten KonsumentInnen Informationen über umweltfreundliche Alternativen.
Ebenfalls sehr hilfreich für ethisch gesinnte InvestorInnen ist die Homepage www.gruenesgeld.at, ein gemeinsames Projekt des Lebensministeriums und der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik. Hier findet man nachhaltige Investmentprodukte, die in Österreich angeboten werden. Bei der überwiegenden Mehrheit handelt es sich um Investmentfonds, die Übersicht umfasst aber auch (Lebens-)Versicherungen und Sparprodukte. Werfen wir nun einen kurzen Blick auf ausgesuchte Angebote.

Ethische Sparbücher

Zum Beispiel bietet die EthikBank, die in Deutschland und Österreich tätig ist, "ethische Zinskonten" an. Sie veranlagt nach ethischen Kriterien in Staatsanleihen und Pfandbriefen. Darüber hinaus fördert die EthikBank je ein Frauen-, Ethik- und Umweltprojekt mit eigenen Mitteln. Diese Projekte können auch von den Kundinnen und Kunden mit einem Teil ihrer Zinsen direkt unterstützt werden. Die Abwicklung erfolgt über das Internet.
Auch die unterschiedlichen Sparformen (z. B. Missionssparbuch, Missionswachstumssparen etc.) der Steyler Bank versprechen eine Veranlagung nach ethischen Kriterien. Den Richtlinien entsprechend wird das angelegte Geld in Pfandbriefe, kommunale Schuldverschreibungen und in sehr geringem Ausmaß in Unternehmensanleihen investiert. Die Steyler Bank in St. Augustin (Deutschland) ist die einzige Missionsbank Europas. Seit 2002 gibt es auch in Österreich eine Filiale: in Mödling. Die Kundin bzw. der Kunde entscheidet, ob ein bestimmter Prozentsatz ihrer/seiner Zinsen für die Projekte der Steyler Mission zur Verfügung gestellt wird.
Ein Ethiksparbuch bietet auch das heimische Bankhaus Schelhammer & Schattera an. Es bevorzugt nach eigenen Angaben Unternehmen, die Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit ernst nehmen und in ihrer Geschäftspolitik umsetzen. Für die Zusammenstellung des nachhaltigen Investmentuniversums ist die Münchner Ratingagentur oekom research verantwortlich.

Fonds und Aktien

Bereits sehr vielfältig (und dadurch auch etwas unübersichtlich) präsentiert sich das Angebot von Nachhaltigkeitsfonds. Im Jahr 2006 belief sich das als nachhaltig gekennzeichnete Fondsvolumen in Deutschland, der Schweiz und Österreich auf noch eher bescheidene acht Mrd. Euro. Mittlerweile ist diese Summe auf stolze 32 Mrd. Euro angewachsen - man sieht also: Nachhaltige Geldanlage liegt im Trend. Um angesichts dieser Fülle nicht restlos den Überblick zu verlieren, hat der Kärntner Finanzdatenanbieter software-systems.at eine sehr detaillierte und umfangreiche Kollektion von nachhaltigen Fonds erstellt. Besonders bemerkenswert: Diese Datenbank inklusive der ethischen Bewertung einzelner Produkte ist von jedermann nach einmaliger Anmeldung via Internet kostenlos nutzbar. Es muss an dieser Stelle hinzugefügt werden, dass software-systems.at bereits seit vielen Jahren seriöses Nachhaltigkeitsresearch betreibt - also nicht erst vor Kurzem auf den "grünen Zug" aufgesprungen ist. Das Unternehmen hat außerdem eine Wertpapierdatenbank entwickelt, die Aktiengesellschaften in Bezug auf ihr Umweltverhalten, Menschenrechtsverletzungen, soziale Kriterien und vor allem auffälliges negatives, aber auch positives Verhalten analysiert. Diese Informationen sind ebenfalls kostenlos abrufbar.
Wir wollen uns nun anhand eines praktischen Beispiels noch einmal vor Augen führen, dass ein Etikett wie "ökologisch" oder "nachhaltig" vielleicht nicht das verspricht, was sich der/die InvestorIn in spe darunter vorstellt. So ist offensichtlich eines der größten ökologischen Probleme der Gegenwart und Zukunft der weltweite Wassermangel: Rund 1,1 Mrd. Menschen verfügen zurzeit über keinen Zugang zu sauberem Wasser; Tag für Tag sterben 4.000 Kinder an den Folgen unzureichender hygienischer Bedingungen, die vor allem wasserbedingt sind. Eine humanitäre Katastrophe, die sich mit der ständig zunehmenden Weltbevölkerung noch weiter verschärft. Neben gezielter Entwicklungszusammenarbeit und einer Welthandelsordnung, die Staaten der Dritten Welt aus der Armutsfalle führt, sind logischerweise auch massive Investments in die Wassergewinnung und -versorgung sowie Effizienz nötig, um das Desaster zu lindern. Nun hat der Finanzmarkt durchaus schwergewichtige Wasserfonds entwickelt, die in Unternehmen rund um das kostbare Nass investieren. Darunter findet sich auch regelmäßig der Lebensmittelgigant Nestlé, weil das Unternehmen stark im Getränkemarkt engagiert ist. Nun ist Nestlé in der Vergangenheit aber immer wieder im Schussfeld von NGOs gestanden: Kritikpunkte betreffen vor allem die aggressive Geschäftspolitik, die unter anderem angebliche Verstöße gegen den internationalen Kodex zur Vermarktung von Säuglingsnahrung und unfaire Methoden beim Einkauf von Rohstoffen umfasst. So sollen Kaffee- und Kakaobauern keine gerechten Preise gezahlt worden sein. International monieren KritikerInnen außerdem, dass Konzerne wie Nestlé das Gemeingut Wasser kommerziell ausbeuten, in Flaschen aus umweltschädlichem Plastik abfüllen und dann tausend- bis hunderttausendfach zu einem höheren Preis weiterverkaufen. Zudem hat das Abpumpen von großen Mengen Grundwasser gravierende ökologische Folgen. Das alles klingt also nicht gerade ethisch korrekt und sehr nachhaltig. AnlegerInnen bleibt es somit nicht erspart, sich mit Produkten, die einen ethischen oder ökologischen Anspruch stellen, genau auseinanderzusetzen. Sonst behält Karl Kraus mit seinem Postulat der Unvereinbarkeit von Wirtschaft und Ethik zum Schluss doch noch recht.

Internet:
Mehr Infos unter:
www.umweltzeichen.at 
www.gruenesgeld.at 
www.software-systems.at 

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haraldkolerus@yahoo.com 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

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