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Mensch nicht Maschine 32 Prozent der Beschäftigten waren hohen Stressoren am Arbeitsplatz ausgesetzt, ohne ausreichend Ressourcen zu besitzen, um diese bewältigen zu können.

Mensch nicht Maschine

Schwerpunkt

Gut gestaltete Arbeit ist notwendig zur Förderung der Nachhaltigkeit der menschlichen Ressource "Psyche".

Die demografische Entwicklung zwingt uns zum Nachdenken darüber, unter welchen Rahmenbedingungen Menschen länger im Erwerbsprozess verbleiben können und dabei ihre körperlichen und psychischen Ressourcen alternsgerecht entwickeln und zur Verfügung stellen können. Wollen wir die Bedeutung der "Ressource Psyche" für die heutige Arbeitswelt richtig einschätzen, so hilft es uns, gängige Bezeichnungen für unsere Gesellschaft vor Augen zu führen, wie Informations- und Wissensgesellschaft, Hochleistungs- und Hochgeschwindigkeitsgesellschaft, Wettbewerbs- und Ermüdungsgesellschaft. Diese Bezeichnungen machen deutlich, dass die Psyche wesentliches Instrument zur Erfüllung gestellter Arbeitsanforderungen ist. Dazu kommt, dass sich die Arbeitswelt von einer Produktions- zu einer Dienstleistungsgesellschaft entwickelt hat. Zwei Drittel der Beschäftigten sind im Dienstleistungsbereich tätig und dieser Wandel setzt sich seit dem Jahr 2000 stetig fort.

Generationenübergreifend

Und noch eine Entwicklung scheint bedeutsam: Langsam, aber stetig verkehrt sich das zahlenmäßige Verhältnis zwischen jüngeren und älteren MitarbeiterInnen in den Betrieben. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit dies negative als auch positive Effekte haben und wie generationenübergreifendes Arbeiten in den Betrieben funktionieren kann. Dabei kommt es darauf an, dass und wie Fähigkeiten Jüngerer und Älterer, etwa "Geschwindigkeit", Erfahrung" und Wissen", kombiniert werden. Dass dies durchaus erfolgreich sein kann, zeigt der "Fortschrittsreport: Altersgerechte Arbeitswelt" (2012) vom deutschen Bundesministerium für Arbeit: Darin wird belegt, dass die Produktivität eines Betriebes zunimmt, wenn der Beschäftigtenanteil Älterer steigt. Nimmt z. B. der Anteil der 45- bis 49-Jährigen an der Gesamtbelegschaft um ein Prozent zu, so erhöht sich die Produktivität des Betriebes um gut 0,5 Prozent.

Psychische Anforderungen

Beschäftigte müssen immer mehr Abstimmungs- und Vermittlungsprozesse selbst übernehmen, wobei sich die kommunikativen sozialen Anforderungen drastisch erhöhen. Die Wissensintensität der zu erbringenden Leistungen nimmt stetig zu und die dafür notwendigen Betriebsmittel und Informationstechniken werden komplexer. Die Arbeitsleistung wird sehr oft nicht nur mehr an einem Arbeitsplatz erbracht, sondern an mehreren, was auch in vielen Fällen hohe Mobilität der Beschäftigten erfordert. Letztendlich werden die Beschäftigten von SpezialistInnen zu ProblemlöserInnen und WissensintegratorInnen.
Dienstleistungsarbeit findet heute nicht nur zwischen Kunden bzw. Kundinnen und DienstleisterInnen statt, sondern auch direkt in Unternehmen zwischen einzelnen Abteilungen. Das bedeutet, dass wir uns den Charakter dieser Dienstleistungsarbeit sowie ihre körperlichen und vor allem psychischen Anforderungen an die Beschäftigten genauer ansehen müssen, aber auch den Organisationsrahmen, in welchem diese Dienstleistungen erbracht werden. Vereinfacht ausgedrückt ist bei dieser Art Leistungserbringung die Psyche des Menschen sowohl Arbeitsgegenstand als auch Arbeitsmittel zugleich. So sind es die kognitiven, emotionalen und persönlichkeitsbezogenen Ressourcen der Beschäftigten, die Probleme und Bedürfnisse der Kunden/Kundinnen, KlientInnen, PatientInnen lösen bzw. befriedigen. Erfolgreiche Dienstleistungen können aber nur dann erbracht werden, wenn es den DienstleisterInnen gelingt, mittels ihres "stabilen Arbeitsmittels Psyche" die "Psyche des Dienstleistungsempfängers" positiv zu beeinflussen, ihn auch in den Dienstleistungsprozess miteinzubeziehen.
Wesentlich sind dabei organisatorische und rechtliche Rahmenbedingungen. So kann eine Organisation oder Einrichtung bestimmen, zu welchem Preis, in welchem Umfang und mit welcher Qualität eine Dienstleistung zu erbringen ist. Entsprechen z. B. diese Vorstellungen der Organisation nicht dem Dienstleistungsverständnis des/der Beschäftigten, kann dies zu Stress, Demotivation, Ärger auf beiden Seiten führen und zu einer Enttäuschung beim Dienstleistungsnehmer bzw. der Dienstleistungsnehmerin.

Hohe Anforderung bei Dienstleistung

Dienstleistung bedeutet für die Beschäftigten in diesem Dreieck von "Organi-sation, Anforderungen - DienstleistungserbringerIn und DienstleistungsempfängerIn" eine hohe psychische Handlungsregulation.
Vereinfacht ausgedrückt beschreibt diese den komplexen kybernetischen Wechselwirkungsprozess zwischen dem mental-kognitiven Apparat, den emotionalen Prozessen und den Persönlichkeitseigenschaften einer Person im Kontext der gestellten Aufgabe und der organisationalen Rahmenbedingungen.

Qualität des Arbeitslebens Älterer

Diese psychische Handlungsregulation kann durch externe organisationale und arbeitsgestaltende Faktoren wie Arbeitsanforderungen, Ressourcen und Stressoren sowohl positiv als auch negativ beeinflusst werden. Im Falle der negativen Beeinflussung spricht man auch von "psychischer Fehlbeanspruchung". Die österreichweite Studie "Qualität des Arbeitslebens von älteren ArbeitnehmerInnen" der Bundesarbeitskammer 2009 zeigte drei Muster von Fehlbeanspruchung auf:

  1. 32 Prozent der Beschäftigten waren hohen Stressoren am Arbeitsplatz ausgesetzt, ohne ausreichend Ressourcen zu besitzen, um diese bewältigen zu können (fehlende Informationen, gerin-ge soziale Unterstützung, geringe Partizipationsmöglichkeiten an operativen Entscheidungen u. ä. m.);
  2. 26 Prozent waren hohen Arbeitsanforderungen ausgesetzt (kognitive Anforderungen, Kooperations- und Kommunikationserfordernisse, hohe Variabilität der Arbeitsaufgabe) und gleichzeitig hohen Stressoren (Zeitdruck, Organisationsprobleme, unklare Zielvorgaben);
  3. 22 Prozent der Beschäftigten waren hohen Arbeitsanforderungen ausgesetzt, hatten aber nicht die notwendigen Ressourcen zur Verfügung, um diese bewältigen zu können.

Die Folgen solcher andauernden psychischen Fehlbeanspruchungen können sich in vielfältiger Weise niederschlagen, wie z. B.: Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit (z. B. Burnout, chronischer Stress, Angstgefühle); Verringerung von Arbeitsmotivation und Innovationskraft; wenig Interesse neue herausfordernde Aufgaben zu übernehmen; Verringerung der körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit; Verschlechterung der erbrachten Leistungen bzw. Produkte; Ansteigen von Fehlern und Unfällen; Vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsprozess bzw. Antrag auf Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeitspension

Arbeits- und Organisationsgestaltung

Die Gestaltung und Organisation der Arbeit ist ein wesentliches Mittel, um die Nachhaltigkeit der Ressource "Psyche" so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Konkret geht es darum, die Arbeit nicht nur so zu gestalten, dass sie die Gesundheit der Beschäftigten stützt bzw. fördert, sondern auch lern- und persönlichkeitsförderlich ist. Wie sie aussehen soll, ist in zahlreichen EN, DIN, ISO und Önormen festgehalten. Man kann die Merkmale gut gestalteter Arbeit folgendermaßen zusammenfassen (siehe dazu Hacker, 2009): Vollständige/ganzheitliche sinnvolle Arbeitseinheiten; für Arbeitende erkennbarer bedeutsamer Beitrag; angemessene Vielfalt von Fertigkeiten und Fähigkeiten; Vermeidung repetitiver, einseitiger Aufgaben; Handlungsspielraum (hinsichtlich Arbeitstempo, Abfolge, Vorgehen); ausreichend sinnvolle Rückmeldungen über Aufgabendurchführung; Berücksichtigung der Kenntnisse, Erfahrungen, Fertigkeiten und Fähigkeiten des/der Arbeitenden (keine Über-/Unterforderung); Möglichkeit zu Einsatz und Weiterentwicklung vorhandener bzw. Aneignung neuer Kenntnisse, Erfahrungen, Fertigkeiten und Fähigkeiten; Vermeidung sozial isolierender Arbeit.

Länger im Erwerbsprozess

Werden diese Merkmale in Unternehmen genauso ernst und wichtig genommen wie die Wartungs- und Servicevorschriften von Maschinen, Produktionsstraßen u. ä. m. und werden sie zu einem integralen Bestandteil von Qualitäts- und Sicherheitsstandards, so hat man damit einen effektiven Beitrag zur Nachhaltigkeit der Ressource "Psyche" geleistet. Letztendlich aber auch dazu, dass Menschen länger und gerne im Erwerbsprozess verbleiben.

Internet:
Fortschrittsreport des deutschen BM für Arbeit:
tinyurl.com/dy4ujsr

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