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Gibt es Unterschiede? "Besonders hart ist es im Sommer am Bau."

Gibt es Unterschiede?

Schwerpunkt

Menschen mit Migrationshintergrund haben andere Probleme und Sorgen als ÖsterreicherInnen. Stimmt das?

Immer mehr Menschen kommen mit ihrem Einkommen nicht aus. Das geht aus dem Österreichischen Arbeitsklima Index hervor. Auch wenn sich Österreich bereits im zweiten Jahr des Aufschwungs nach der Krise befindet, die ArbeitnehmerInnen merken wenig davon. Innerhalb nur eines Jahres stieg der Anteil der Menschen, die mit ihrem Einkommen nur knapp ihren Lebensunterhalt bestreiten können, von 44 auf 50 Prozent. Zählt man diejenigen dazu, die gar nicht mit ihrem Verdienst über die Runden kommen (elf Prozent), sind es bereits mehr als 60 Prozent der österreichischen Beschäftigten. "Menschen mit mittleren Einkommen kommen immer mehr unter Druck. Die zunehmende Schwierigkeit, mit dem erarbeiteten Einkommen einigermaßen gut leben zu können, wirkt sich auf das Gefühl aus, an der Gesellschaft teilhaben zu können", sagt ÖGB-OÖ-Vorsitzender Johann Kalliauer.

Noch schwerer

Menschen mit Migrationshintergrund haben es sogar noch schwerer am Arbeitsmarkt, auch das geht aus dem Arbeitsklima Index hervor. Denn wenn sie eine Stelle gefunden haben, werden sie schlechter bezahlt. ArbeitnehmerInnen aus dem ehemaligen Jugoslawien verdienen für den gleichen Job rund zehn Prozent weniger als gebürtige ÖsterreicherInnen, Beschäftigte aus der Türkei sogar rund 20 Prozent weniger. Zudem klagen sie häufiger über Zeitdruck, schlechte Gesundheitsbedingungen sowie Unfall- und Verletzungsgefahr.
"Besonders hart ist es im Sommer am Bau. Wir sind oft stundenlang der prallen Sonne ausgesetzt und erhalten nicht einmal eine Sonnencreme oder eine Mütze als Sonnenschutz. Die Arbeiter zahlen das alles aus eigener Tasche", erzählt Enis Spahic über die Arbeitsbedingungen auf der Baustelle. Er sagt, dass die meisten Arbeiter "UV-Schutz am Bau", eine Kampagne der Gewerkschaft Bau-Holz, kennen und meint: "Wir würden uns darüber freuen, wenn die Arbeitgeber mehr Verantwortungsbewusstsein zeigen würden. Oft werden wir wochenlang vertröstet, irgendwann ist der Sommer dann auch vorbei und nichts passiert". Viele Arbeiter sind schon lange in Österreich, beherrschen die deutsche Sprache aber nur bruchstückhaft, kennen ihre Rechte kaum und informieren sich nicht. "Das ist die ältere Generation, sie haben sich an so ein Arbeiten gewöhnt - haben sich immer selbst um Sonnenschutz, Essen und Trinken gekümmert. Das wichtigste war immer, die Arbeit nicht zu verlieren, denn die Familie muss ernährt werden. Das bedeutet wiederum, nur keinen Streit mit dem Bauleiter anfangen. Dass der Arbeitgeber etwas beisteuern könnte, an so etwas denken die meisten gar nicht", weiß Spahic.
Doch nicht nur ältere ArbeiterInnen haben Probleme und Sorgen, auch die Jungen, die in Österreich geboren und aufgewachsen sind. Schaut man sich in den überbetrieblichen Lehrlingsausbildungsstätten um, fällt auf, dass dort der Großteil der Jugendlichen einen Migrationshintergrund hat. "Eine Lehrstelle in einem Betrieb wäre mir schon lieber gewesen, aber leider bekam ich nur Absagen oder gar keine Rückmeldung", erzählt Khan Shahdath, der in der überbetrieblichen Lehrwerkstätte des bfi zum Metallarbeiter ausgebildet wird. "Auch während meiner Pflichtpraktika waren alle zufrieden mit mir, aber kein Betrieb will mich übernehmen." Doch die Jugendlichen sind glücklich darüber, diese Chance auf eine Berufsausbildung bekommen zu haben. Ihnen ist zwar bewusst, dass sie im Gegensatz zu Lehrlingen in Betrieben weniger Geld erhalten, aber darüber meckern die wenigsten. "Besser als zu Hause sitzen und ohne Ausbildung", sagen die meisten. Um junge MigrantInnen auf eine bessere Zukunft in Österreich vorzubereiten, hat Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz die Initiative "Zusammen: Österreich" ins Leben gerufen. Im Zuge des Projekts sollen mehr als 100 sogenannte IntegrationsbotschafterInnen (Prominente aus Sport, Wirtschaft und Kultur) an ausgewählten Schulen Österreichs mit den Jugendlichen über ihren beruflichen und persönlichen Werdegang sprechen. Ziel der Initiative ist es, SchülerInnen zu motivieren und Vorurteile abzubauen.

Mentoringprogramm für MigrantInnen

Eine weitere Initiative ist das "Mentoringprogramm für MigrantInnen": Erfahrene MentorInnen aus dem Wirtschaftsleben sollen qualifizierte Zuwanderinnen und Zuwanderer beim Einstieg in den österreichischen Arbeitsmarkt unterstützen. Dieses Mentoringprogramm gibt es bereits in sechs Bundesländern (Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark, Tirol und Vorarlberg).

Sorgen und Ängste

Viele Menschen mit Migrationshintergrund freuen sich, wenn ihre Kinder ein Studium absolvieren, gleichzeitig plagen sie aber oft Sorgen: Können wir uns das leisten? Was passiert, wenn das Kind danach keinen Job bekommt? Wen kann ich um Hilfe und Rat fragen? Nicht selten hört man von MigrantInnen, dass ihr soziales Netzwerk nicht gut ausgebaut ist. Auch wenn sie ihre Kinder bei der Zukunftsplanung unterstützen möchten, mangelt es ihnen aufgrund fehlenden Wissens oft an Ratschlägen. Zwar leben viele bereits seit einigen Jahren in Österreich, waren aber bisher hauptsächlich damit beschäftigt, sich hier eine Existenz aufzubauen, damit es ihre Kinder einmal besser haben. Gelegenheiten, um Kontakte zu knüpfen, bieten sich dabei kaum. Die Sprachbarriere und ungeregelte Arbeitszeiten sind weitere Gründe für mangelnde soziale Vernetzung.
Ein sehr großes Problem für Menschen mit Migrationshintergrund besteht darin, dass viele von ihnen noch immer in Berufen beschäftigt sind, die nicht ihren Qualifikationen entsprechen und auch schlechter bezahlt werden. Nur jede/r Fünfte mit fertigem Lehrabschluss, jede/r Vierte mit Abschluss einer berufsbildenden Schule und jede/r Dritte mit Matura oder akademischer Bildung lässt sich seine/ihre Qualifikation anrechnen. "Vor einigen Jahren entschied ich mich, meinen Abschluss als Technische Zeichnerin anerkennen zu lassen. Dass ich einen regelrechten Hürdenlauf hinter mich bringen muss, wurde mir erst später bewusst", erzählt Fadila Hidic, gebürtige Bosnierin. Seit 1992 hat sie ihren Lebensmittelpunkt in Wien, anfangs verdiente sich die alleinerziehende Mutter ihr tägliches Brot in einer Reinigungsfirma. Als sich ihre Deutschkenntnisse verbesserten, wechselte sie rasch ihren Arbeitgeber und nutze alle Chancen zum beruflichen Aufstieg. Hidic besorgte alle Unterlagen ihrer Schul- und Berufszeit in ihrem Heimatland, was auch viel Zeit und Geduld kostete, ließ diese in Österreich übersetzen. "Mein Abschluss wurde anerkannt, jedoch hieß es zugleich, die Anforderungen hätten sich geändert, ich müsse noch etliche Stunden die Schulbank drücken, um auch in Österreich diesen Beruf ausüben zu können", erzählt die heute 41-Jährige. Für Hidic ging der Hürdenlauf weiter: etliche Behördenwege, zahlreiche Gespräche mit Professoren - und zur gleichen Zeit Geld verdienen, um über die Runden zu kommen, und sich um die Erziehung ihres Sohnes kümmern. "Zu dem Zeitpunkt war der Aufwand zu hoch und ich konnte nicht riskieren, meinen Job zu verlieren, also gab ich auf", so Hidic. Genau diesen Umstand kritisiert auch die Arbeiterkammer und fordert eine zentrale Anlaufstelle, eine begrenzte Verfahrensdauer sowie angemessene Verfahrens- und Ausbildungskosten. Noch heute denkt die alleinerziehende Mutter darüber nach, ob sie vielleicht einen Fehler gemacht hat und eine Chance, ihren tatsächlich erlernten Beruf auszuüben, verstreichen hat lassen. Doch nicht nur sie scheiterte an der Bürokratie. Viele Beschäftigte mit Migrationshintergrund starteten den Versuch und brachen diesen ab, weil sie sich einige Monate ohne geregeltes Einkommen nicht leisten konnten.

Oft dieselben Probleme

Ob ArbeitnehmerInnen mit Migrationshintergrund oder ohne, die meisten haben dieselben Sorgen und Probleme. Auch gebürtige ÖsterreicherInnen suchen oft nach einem Job, fühlen sich um ihre Rechte betrogen. Einen Unterschied gibt es jedoch: Viele MigrantInnen haben nicht die Möglichkeit, ihren erlernten Beruf in Österreich auszuüben.

 
Internet:
Mehr Infos unter: www.integrationsfonds.at
 

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin amela.muratovic@oegb.at 
oder die Redaktion aw@oegb.at 

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