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Übler Beigeschmack Viele ÖsterreicherInnen verbinden nichts Negatives mit Begriffen wie "Mohr", "Zigeuner" oder "Indianer".

Übler Beigeschmack

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"Mohr im Hemd" schmeckt gleich gut wie "Schokokuchen mit Schlag". Doch die ÖsterreicherInnen wehren sich gegen die Eliminierung diskriminierender Begriffe.

Zum  Himmel schreiend grausam sei die Bezeichnung Wiener Schnitzel. Erinnere Österreichs Lieblingsspeise doch "durch seine Panier an die grausame Foltermethode des Teeren und Federns". Warum also dürfe das Wiener Schnitzel noch immer so heißen, während gegen den Mohr im Hemd Sturm gelaufen werde? Der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Josef Riemer versteht das nicht.

"MenschInnen aus Polen"

Warum wolle der "dubiose Verein" SOS-Mitmensch die Bezeichnung "Mohr im Hemd" abschaffen, jedoch nichts gegen das Frankfurter Würstchen tun, wenn "die Bezeichnung 'Würstchen‘ für Frankfurter Bürger wohl als beleidigend aufgefasst werden müsse", wie Rieder in einer Presseaussendung vom 7. März 2012 erklärte. Dann müsste ja auch SOS-Chef Pollak "seinen Namen ändern, denn 'Pollak‘ sei ein übles Schimpfwort für MenschInnen aus Polen."
So weit reicht der Horizont von Herrn Rieder. Ja, einfach ist es nicht, mit Sprache umzugehen - wie man auch an Rieders Verwendung des sogenannten Binnen-I erkennt. Aber dieser Herausforderung muss man sich stellen. Das Wiener Schnitzel ist nicht das Problem, auch nicht die Frankfurter Würstchen - selbst wenn sie auch Wiener Würstchen genannt werden. Doch beim Mohr im Hemd oder dem Zigeunerschnitzel sieht die Sachlage anders aus.
Speisenamen mit diskriminierender Assoziation findet man noch auf vielen Speisekarten der heimischen Gastronomie und erst seit Kurzem sind das Negerbrot und der Negerkuss aus den Regalen der Supermärkte verschwunden. Nun soll es auch dem Zigeunerschnitzel und dem Mohr im Hemd an den Kragen gehen: Laut Alexander Pollak, Sprecher von SOS-Mitmensch, haben diese Speisen künftig auf den Speisekarten nichts mehr verloren. In Absprache mit SOS-Mitmensch hat die Fachgruppe Gastronomie der Bundeswirtschaftskammer in ihrem brancheninternen Newsletter die Empfehlung weitergegeben, diskriminierende Speisebezeichnungen zu streichen. Aus dem "Mohr im Hemd" sollte beispielsweise ein "Schokokuchen mit Schlag" werden. Was für ein Eingriff in die Kultur der ÖsterreicherInnen! Das seien doch lange vertraute und traditionsbehaftete Begriffe! Aber sind sie deshalb weniger diskriminierend? Natürlich nicht, im Gegenteil: Die Bezeichnungen entstanden zu einer Zeit, als man das N-Wort noch ungehemmt und in pejorativer Bedeutung verwendete. Sogenannte Neger oder Mohren wurden als andersartige, minderwertige Personen und sogar nicht einmal als Menschen betrachtet. Das hat sich heute zwar schon um einiges gebessert, doch die Relikte der Unterdrückung findet man noch immer in der Sprache - und nicht nur bei Speisen besitzen sie einen üblen Beigeschmack.
Es macht einen erheblichen Unterschied, ob Speisen nach Herkunftsorten benannt werden, wie dies zum Beispiel beim "Wiener Schnitzel" der Fall ist, oder ob Speisenamen Gruppenbezeichnungen beinhalten, die von Betroffenen als diskriminierend angesehen werden. Schwarze AktivistInnen kämpfen schon lange gegen die Bezeichnung "Mohr" und gegen die Verwendung des N-Wortes, und sie setzen sich auch seit Längerem gegen diskriminierende Abbildungen zur Wehr. Roma protestieren bereits viele Jahre gegen die Bezeichnung "Zigeuner" und lehnen diese - wie der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma - als diskriminierend ab. Die gesamte Volksgruppe wird demnach als Sinti und Roma bezeichnet. Die Termini im Singular lauten Sinto bzw. Sintiza (für im deutschsprachigen Raum lebende) und Rom bzw. Romni (für im europäischen Raum lebende Angehörige der Volksgruppe).
Was macht eine Bezeichnung diskriminierend? "Diskriminierend sind Gruppenbezeichnungen, die von den betroffenen Menschen abgelehnt werden", bringt es SOS-Mitmensch auf den Punkt. Aus vielen Benennungen oder Bebilderungen spricht Geringschätzung, Sexismus oder Rassismus. Zahlreiche ÖsterreicherInnen verbinden nichts Negatives mit Begriffen wie "Mohr", "Zigeuner" oder "Indianer". Allerdings sind alle diese Ausdrücke zu einer Zeit eingebürgert worden, als die Menschen, die mit diesen Begriffen bedacht wurden, nicht anerkannt und respektiert waren.

Der schmale Grat

Jedes Wort kann eine Bedeutung haben, die über das hinausgeht, was man in erster Linie sagen möchte. "Sprache ist weder bedeutungs- noch harmlos. Und sie war es auch früher nicht", so die Sprachwissenschafterin Verena Krausneker. Diese Erkenntnis - sie ist wahrlich nicht neu, aber vielen Personen fremd - führt dazu, dass eine große Verantwortung entsteht, wie und wann man welche Wörter verwendet.
Jede einzelne Person, jede Firma, jede Institution muss sich aktiv mit dem eigenen Sprachgebrauch auseinandersetzen - und das ist ein andauernder Prozess. Menschen müssen sich bewusst machen, dass Sprache kein unveränderliches oder neutrales Etwas ist. Sprache verändert sich, und man kann auf die Veränderung bewusst Einfluss nehmen. Der Grat zwischen verantwortungsvollem Sprachgebrauch und unsinnigen, intoleranten und diskriminierenden Formulierungen ist jedoch schmal.

"Blinder Passagier" ist nicht blind

So witterte der Münchner Stadtrat Orhan Akman Diskriminierung bei dem Begriff "Schwarzfahren" und wollte das Wort ersetzen lassen. Christiane Wanzeck, Linguistin an der Ludwig-Maximilians-Universität, gab Entwarnung: Mit der Hautfarbe habe der Begriff Schwarzfahrer rein gar nichts zu tun, ebensowenig wie "blinder Passagier" mit Blinden. So wie ein blinder Passagier nichts mit Blinden zu tun habe. Vielmehr stehe "schwarz" in dem Fall für illegal. Für etwas, das im Dunkeln, im Verborgenen passiert. Schon vor Jahrhunderten seien solche Kombinationen aus Farbadjektiven und Hauptwörtern weitverbreitet gewesen. Dass "Schwarzfahrer" ein rassistischer Ausdruck sein soll, hält sie für "sprachlich null haltbar und an den Haaren herbeigezogen", ebenso wie "Schwarzbrenner".
Konservative Gruppierungen stehen Antidiskriminierungsbemühungen prinzipiell eher ablehnend gegenüber. Daneben existieren Stimmen, die die hinter einer solchen Sprachpolitik stehende Motivation zwar anerkennen, die erwünschte Wirkung jedoch bestreiten. Eines ihrer Hauptargumente ist, dass mit der Schöpfung neuer Begriffe keine Veränderung der sozialen Wirklichkeit einhergehe und die tatsächlichen Ursachen von Rassismus, Sexismus sowie anderer Diskriminierung durch Sprachpolitik nicht überwunden werden könnten. Im Gegenteil könne es unter dem Deckmantel mildernder Benennungen sogar zu einer Verharmlosung gesellschaftlicher Missstände, sozialer Ungerechtigkeiten und Vorurteile kommen. Doch Sprache schafft Bewusstsein, egal ob durch das bewusste Hinzufügen oder Verweigern genderneutraler Schreibweisen oder das Verwenden diskriminierender Begriffe. Und Sprache verändert sich mit der Gesellschaft.

"Othello im Hemd"

Natürlich sind Begriffe wie der "Mohr im Hemd" oder auch das Julius-Meinl-Logo historisch gewachsen und traditionell gebräuchlich, doch an solchen Traditionen festzuhalten ist ein Verweigern der Auseinandersetzung mit der Historie der Bezeichnung bzw. der Abbildung. Gerade traditionsbewusste Menschen und Einrichtungen sollten sich nicht der Geschichte verschließen, die hinter Speise- und Getränkebezeichnungen sowie hinter Firmenlogos steckt. Wenn diese Geschichte eine des Ausschlusses, der Herabwürdigung und der Diskriminierung ist, dann sollte das zum Anlass genommen werden, um Bezeichnungen und Logos zu ändern. Und es gibt eine Reihe von Gasthäusern und Restaurants, die keine diskriminierenden Speisenamen mehr verwenden und trotzdem ihr Speisesortiment beibehalten haben. Eines unter vielen ist das "Kleine Café" von Hanno Pöschl in der Wiener City - hier wird schon seit Jahren statt dem Mohren der "Othello im Hemd" serviert. ´

"Das kommt mir österreichisch vor"

Umbenennen ist überhaupt ein effektives Mittel, um den sensibleren Umgang mit der Sprache zu lernen und zu lehren. Versuchen Sie doch einmal, statt jedem abwertenden Begriff einen bisher neutralen einzusetzen: "österreichern" statt "türken" oder "das kommt mir österreichisch vor", wenn es Ihnen doch eigentlich "spanisch" vorkommt. Vielleicht hilft der Denkanstoß.


Internet:
"Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache", Susan Arndt und Nadja Ofuatey-Alazard (Unrast Verlag): tinyurl.com/bq3g734

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