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Katharina Klee Katharina Klee, Chefredakteurin

Standpunkt | Keine Angst

Meinung

Keine Angst" sang Hansi Lang 1982 und traf damals genauso das Zeitgefühl wie auch heute noch. Selten gab es so viele Vorschläge aus meiner Redaktion wie zum Thema "Fürchtet euch nicht". Mit Angst und Ängsten können wir etwas anfangen. Wir alle haben Angst, wir alle haben Ängste.

Flucht, Totstellen, Kampf

Angst ist ein Grundgefühl, heute, vor 30 Jahren, vor Jahrhunderten, Jahrtausenden. Angst ist überlebensnotwendig, begleitet uns, schützt uns, hat uns zu dem gemacht, was wir sind. Denn Angst schärft auch unsere Sinne und erhöht unsere Aufmerksamkeit. Instinktiv haben wir drei Reaktionen auf Angst: Flucht, Kampf oder Totstellen. Und oft genug in der Geschichte der Menschheit haben wir es geschafft, den Kampf aufzunehmen gegen unsere Ängste. Wir haben erkannt, dass es sich gemeinsam besser kämpft, ob gegen Säbelzahntiger, Tyrannen oder Armut, Krankheit, Tod.
Die Angst um Leib, Leben und unsere Lieben hat uns in Kriege getrieben, aber auch den Sozialstaat schaffen lassen, um Armen und Schwachen, Alten und Kranken eine grundlegende Sicherheit zu geben. Und davor fürchten wir uns immer noch: Selbst alt, krank, schwach und daher arm zu sein. Es war aber auch die Angst der Mächtigen vor dem Volk, vor Unruhen und Revolutionen, die diesen Prozess unterstützte. Als Hansi Lang 1982 "Keine Angst" an jede Wand schreiben wollte, stand der österreichische Sozialstaat in voller Blüte. Doch schon begannen die Lohnquoten zu sinken, die Arbeitslosenzahlen zu steigen und der Neoliberalismus gewann weltweit und hierzulande zunehmend Platz. Und damit die Angst, neue Ängste. Die zunehmend härtere Gangart in der Arbeitswelt, das Wettbewerbsprinzip, das stärker in den Mittelpunkt rückte, die Globalisierung nährten diese. Immer mehr Menschen fürchten nicht mehr mitzukommen, nicht gut, stark, zäh genug zu sein für das, was die Wirtschaft verlangt.
In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Industriegesellschaft mehr und mehr in Richtung Dienstleistungsgesellschaft gewandelt, die Kommunikationsanforderungen sind gestiegen, nicht zuletzt durch das Internet. Wir erleben in den letzten Jahren Krisen ohne historische Parallelen, verwirrend und verunsichernd. Wir mussten Abschied vom Lebensarbeitsplatz, der Lebensplanung nehmen, die Flexibilisierung der Arbeit erzeugt neue Unsicherheiten wie auch die Reallohnentwicklung. Besonders schwierig ist die Situation für Risikogruppen wie Armutsgefährdete, Arbeitslose, Burnout-Gefährdete, Jugendliche ohne Zukunftsperspektive etc.
Kein Wunder, dass psychische Erkrankungen zunehmen - 900.000 ÖsterreicherInnen nehmen das Gesundheitssystem deswegen in Anspruch, fast die Hälfte im erwerbsfähigen Alter. Eine europaweite Metastudie ergab, dass psychische Störungen alle Altersgruppen betreffen und als die zentrale Herausforderung für das Gesundheitssystem des 21. Jahrhunderts betrachtet werden. Dabei sind Angststörungen mit 14 Prozent die am stärksten verbreiteten.1

Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben

Was aber dagegen tun? Ewig können wir nicht in Scheinwelten entfliehen, lange genug haben wir uns tot gestellt, es ist Zeit, dass wir wieder den Kampf aufnehmen - gemeinsam, weil wir so stärker sind. Es ist Zeit, den Sozialstaat wieder zu fairbessern, die Schieflage zu korrigieren, für unsere Zukunft und gegen die AngstmacherInnen aufzutreten - keine Angst, denn wie lautet ein altes Sprichwort: "Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben!"

1"Anstieg psychischer Leiden - Wirtschaftskrise bedrückt die österreichische Seele", Unterlage einer Pressekonferenz des ÖBVP am 18. 10. 2011, tinyurl.com/cbdm749 

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