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Der ist echt gut. Für alle. Der Sozialstaat leistet für alle etwas...

Der ist echt gut. Für alle.

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Der Sozialstaat ist kein Suppenküchenstaat - er leistet jede Menge. Darauf weist auch die neue Kampagne des ÖGB deutlich hin.

Die Angst geht um in Österreich: "Ich bekomm sowieso keine Pension mehr", "Sozialleistungen wird’s eh bald nicht mehr geben", "Krank sein kann man sich nicht mehr leisten" - das und mehr sind Ängste, die im Zusammenhang mit sozialstaatlichen Leistungen geschürt werden.
Wie ein Großorchester geigen neoliberale, markthörige PolitikerInnen und ihnen verbundene Medien dieses Lied immer und immer wieder. Und Versicherungen haben gleich passende Produkte zur Hand, die uns - vielen Dank - diese Ängste nehmen: Private Pensionsvorsorge, Zusatzkrankenversicherung, und darf’s vielleicht auch noch eine Pflegeversicherung sein?

Heraussparen aus der Krise?

Die gezielte Angstmache ist nicht die einzige Bedrohung, der der Sozialstaat als Modell mehr und mehr ausgesetzt ist: Schuldenbremse, Defizite, Ratingagenturen, Maastricht-Kriterien, neoliberale Troika - diese und weitere Themen schwirren durch die europäische Politik und manifestieren sich mitunter in konkreten Entscheidungen von Regierungen.
Demokratiepolitisch ist das bedenklich, und volkswirtschaftlich kurzfristig gedacht. "Es ist nicht möglich, sich aus der Krise herauszusparen", kritisierte ÖGB-Präsident Erich Foglar Ende Mai anlässlich des informellen EU-Gipfels den vorherrschenden Sparwahn in der EU. "Ohne Impulse für die Ankurbelung der Wirtschaft und die Schaffung neuer Arbeitsplätze werden die Defizite größer, nicht kleiner."
Im Gleichklang mit den Europäischen Gewerkschaften fordert der ÖGB ein Europäisches Investitionspaket, um endlich mit konstruktiven Ideen aus der Krise zu kommen, anstatt nur destruktiv an den sozialstaatlichen Leistungen herumzustreichen. Investitionen in den Sozialstaat - das hat die AK schon im Sommer 2010 in einer Studie vorgerechnet1 - rentieren sich langfristig.

Finanzmarktfetischisten sind schuld

Die Entwicklung der Sozialquote seit den 1970er-Jahren ist stabil, die Sozialausgaben sind nicht - entgegen mancher Propaganda - explodiert. "Der Sozialstaat ist nicht schuld an den Schulden", heißt es in der ÖGB-Kampagne "Sozialstaat fairbessern". "Es waren unregulierte, liberalisierte Finanzmärkte, politische Fehlentscheidungen, Gier und Spekulation, die uns in die derzeitige Lage gebracht haben", sagt ÖGB-Präsident Erich Foglar. "Die Sozialstaaten sind ganz bestimmt nicht schuld an den gestiegenen Schulden, sollen aber nun auf Drängen der Finanzmarktfetischisten zurechtgestutzt werden, damit die selbst verschont werden." Nun sollen jene bezahlen, die die Krise nicht verursacht haben, aber unter ihren Folgen (Arbeitslosigkeit, steigende Armut, Prekarisierung) zu leiden haben. Im Gefolge der Krise wurden in ganz Europa die Sozialstaaten für die Schuldenberge verantwortlich gemacht: zu hohe Pensionen, zu hohe Beamtengehälter, zu viele Gesundheitsausgaben etc. In der neoliberalen Propaganda ist die logische Lösung, das wegzustreichen, abzuschaffen, zu eliminieren, was uns die Schulden eingebrockt hat. Und die bürgerliche Presse hat uns nun ja oft genug erklärt, dass die faulen Griechen, die arbeitsscheuen jungen Spanier, die ungebildeten Süditaliener … die wahren Schuldigen an der tiefen Krise sind, in der Europa steckt.

Sozialstaat fairbessern

"Sozialstaat fairbessern" will genau damit aufräumen. "Wir wollen das Vertrauen in den Sozialstaat wieder herstellen und seine konkreten Leistungen für jeden einzelnen Menschen in Erinnerung rufen", sagt ÖGB-Präsident Erich Foglar. "Sparen ist modern, aber niemand fragt sich, welche Leistung man dann ganz konkret nicht mehr hat", kritisiert der ÖGB-Präsident jene, die glauben, in blindwütigem Sparen das Allheilmittel zu finden. Die aktuelle Jugendwertestudie2 belegt das geringe Vertrauen vor allem junger Menschen in den Sozialstaat. Zwar meinen 58 Prozent: "Das österreichische Sozialsystem kümmert sich um alle, die in eine schwierige Situation gekommen sind." Allerdings sagen auch 44 Prozent: "Wir Jungen müssen für uns selbst sorgen, uns hilft heute keiner mehr." Gezielte Verunsicherung, gepaart mit Sozialschmarotzerkampagnen, trägt zu derartigen Einstellungen bei.

Gut für den Standort

"Der Sozialstaat ist gut für alle" ist daher eine weitere Kernaussage der ÖGB-Kampagne. Er sorgt dafür, dass unser tägliches Leben funktioniert und dass wir gegen Risiken wie Armut, Arbeitslosigkeit oder Krankheit geschützt sind. "Der Sozialstaat ist aber mehr als ein Suppenküchenstaat", sagt ÖGB-Volkswirt Mag. Georg Kovarik. "Er ist in vieler Hinsicht gut für den Standort: Ein gutes Bildungswesen in Österreich versorgt die Unternehmen mit qualifizierten Arbeitskräften. Das Arbeitsrecht ist eine wichtige Komponente eines Vertrauensverhältnisses zwischen Unternehmern und Mitarbeitern. Und die Sozialpartnerschaft sichert geordnete Beziehungen zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern auf überbetrieblicher Ebene."
Schönfärberei ist nicht Sache des ÖGB, daher sind Vorschläge zur Verbesserung des Sozialstaates fixer Bestandteil der Kampagne. Beispiel Pflege und Betreuung: Investitionen in diese Bereiche schaffen Arbeitsplätze, das hat die AK-Studie "Nachhaltige Budgetkonsolidierung durch Investition in den Sozialstaat" klar bewiesen. Der Ausbau von Pflege und Betreuung reagiert auf den steigenden Bedarf, sorgt für Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen und erhöht die Jobchancen vor allem von Frauen (die ansonsten Angehörige pflegen/betreuen würden). Gleiches gilt für den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen: Neben neuen Arbeitsplätzen in der Bauwirtschaft und in der Betreuung hebt das wieder die Erwerbsbeteiligung vor allem von Frauen und es erhöht auch das Bildungsniveau der Kinder, weil frühere Förderung möglich ist. "Es geht darum, zu überlegen, welche Leistungen man in Zukunft verstärkt brauchen wird - zum Beispiel in der Bildung und bei der Pflege", so der ÖGB-Präsident. "Der Sozialstaat hat sich als soziales Sicherungsnetz gezeigt, das in der Wirtschaftskrise exzellent gehalten hat."

Fair zahlen - mehr zahlen

Bleibt natürlich die Frage, wer das alles bezahlen soll. Die Antwort ist einfach: Diejenigen, die von einem gut ausgebauten Sozialstaat auch profitieren und bisher viel zu wenig beitragen. Foglar: "Auch Vermögende müssen endlich faire Beiträge leisten, ich erinnere an die reichsten zehn Prozent in Österreich, die 800 Milliarden Euro Immobilien- und Finanzvermögen haben. Wenn sie einen größeren Beitrag zum Steuertopf leisten, ist der Sozialstaat schon ein gutes Stück sicherer und fairer finanziert." Wieso gerade die Reichen vom Sozialstaat profitieren sollen? Sozialer Friede, Kaufkraft, die bei Arbeitslosigkeit nicht rapide absinkt, ein gutes Bildungssystem - nur einige Beispiele dafür, dass der Sozialstaat allen Vorteile bringt. Zur langfristigen Finanzierung des Sozialstaates fordert der ÖGB unter anderem, die Vermögensbesteuerung auf EU-Niveau anzuheben, die Einführung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer, die Umsetzung der Finanztransaktionssteuer in Europa, die Beseitigung der steuerlichen Schieflage zulasten der ArbeitnehmerInnen, strenge und effektive Aufsicht über den Finanzsektor, eine höhere Nettoersatzrate im Arbeitslosengeld und keine Anrechnung des PartnerInnen-Einkommens bei der Notstandshilfe.

Nicht abbauen, sondern ausbauen

Das Ziel: Den Sozialstaat nicht abbauen, sondern umbauen und ausbauen, ihn fairbessern, fair finanzieren - und so langfristig absichern. Der Aussage folgend, der Sozialstaat sei kein "Suppenküchenstaat", leistet er für alle etwas: Er gibt uns Familienbeihilfe, Kindergärten und Schulen, er macht uns gesund, gibt allen Kindern Schulbücher, beleuchtet unsere Städte und Gemeinden, sorgt für gut ausgebaute Straßen, räumt unseren Müll weg und pflegt auch unsere Oma …

1 A. Buxbaum, G. Mitter, W. Panhölzl, S. Pirklbauer und J. Wöss: Studie "Nachhaltige Budgetkonsolidierung durch Investition in den Sozialstaat. Der Sozialstaat als produktiver Faktor", 2010.
2 Die Jugendwertestudie wurde vom Institut für Jugendkulturforschung im Jahr 2011 im Auftrag der AK unter 1.500 jungen Menschen zwischen 14 und 29 Jahren durchgeführt.

Internet:
Mehr Infos unter: www.oegb.at

Schreiben Sie Ihre Meinungan die Autorin nani.kauer@oegb.at oder die Redaktion aw@oegb.at 

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