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Bombenstimmung in Österreich Also ist die sogenannte "Terrorgefahr" und die Furcht davor schon der Terror selbst. Wenn wir uns fürchten, sind wir bereits Opfer des Terrorismus.

Bombenstimmung in Österreich

Schwerpunkt

Die Gefahr des Terrors ist immer und überall existent. Wehren können wir uns nur mit einer heroischen Gelassenheit, denn Angst ist das Ziel des Terrors.

Es beginnt damit, dass die Ampelanlagen verrücktspielen. Ein Verkehrschaos in der Millionenmetropole führt zu zahlreichen Unfällen und ersten Panikausbrüchen. Als auch noch die Mobilfunknetze nicht mehr funktionieren, beginnen sich auf den Straßen unglaubliche Szenen abzuspielen. Währenddessen bricht der internationale Finanzmarkt ein. Dann fällt auch noch der Strom aus, Millionen Menschen sind ohne Energieversorgung. Dass das gesamte Wasser der Stadt inzwischen mit einem tödlichen Keim versetzt wurde, weiß noch niemand. Wie sollte man davon erfahren, wenn man nicht an Informationen herankommt, weil es keinen Strom gibt?

Mustervorlage für Cyberterrorismus

Auch wenn dieses Szenario frei erfunden ist, Hollywood gab ihm den Begriff "Fire Sale", gemeint ist damit die Übernahme der Kontrolle großer Teile der Infrastruktur - Transportwesen, Kommunikation, Energie - durch Terroristen. Eugene Kaspersky, Gründer der auf Sicherheitssoftware spezialisierten Firma Kaspersky Lab, brauchte mehrere Schnäpse, als er sich den Film "Stirb langsam 4.0" mit Bruce Willis ansah. "Der Cyber-Terrorismus beschäftigt uns schon seit Anfang des Jahrtausends - aber wir sprachen nie darüber, um nur ja niemanden auf blöde Gedanken zu bringen. Was ist Hollywood denn hier nur eingefallen? Die geben den Gangstern hier eine Mustervorlage für weltweiten Cyber-Terrorismus!" Der russische Sicherheitsexperte hält rund die Hälfte der in dem Film aufgezeigten Szenarien für praktikabel. Allerdings benötigt man große Infrastrukturen hinter sich. Darum wird auch die Lahmlegung Estlands, die 2007 Realität war, nicht einer kleinen Organisation zugeschrieben, sondern den russischen Geheimdiensten. Banken, Behörden, Notrufe, Polizei und Regierung waren in Estland tagelang durch eine DoS-Attacke lahmgelegt.
Bei DoS-Attacken (Denial of Service, deutsch: Dienstverweigerung) werden ein oder mehrere zentrale Server durch Überlastung arbeitsunfähig gemacht. Sie erhalten binnen kurzer Zeit so viele Anfragen, dass sie zusammenbrechen. Anders arbeitete der Virus "Stuxnet", mit dem die Urananreicherungsanlagen des Iran sabotiert wurden. Dafür zeichnen sich, wie schon vermutet und im Juni 2012 bestätigt, die USA verantwortlich. Präsident Obama hatte den Angriff angeordnet, um einen militärischen Schlag Israels gegen den Iran zu verhindern. Die Möglichkeit, sich in atomare Anlagen einzuhacken und dort etwas anzustellen, besteht also. Ist das die Zukunft des Terrorismus? Müssen wir damit rechnen, dass jederzeit die U-Bahn stillsteht, der Strom ausgeht oder das Wasser verseucht wird?

Terror in Österreich

Bislang ist Cyberterrorismus noch keine wirkliche Bedrohung. Aber es reichen ja schon die klassischen Bedrohungen aus, um die Bevölkerung zu verunsichern. Spätestens seit 9/11 haben wir Bilder im Kopf, wie Terror aussehen kann. Dabei war auch Österreich schon des Öfteren in Terrorfälle verwickelt. Als am 21. Dezember 1975 Terroristen das OPEC-Hauptquartier überfielen und mehrere Erdölminister und deren Mitarbeiter als Geiseln nahmen, war man in Österreich weit weg davon, auf solche Fälle vorbereitet zu sein. Am 1. Mai 1981 wurde der Wiener SPÖ-Stadtrat Heinz Nittel von Mitgliedern der Nidal-Gruppe erschossen. Am 29. August 1982 stürmten zwei Araber bei der Sabbat-Feier die Synagoge in der Wiener Seitenstettengasse und töteten vier Menschen. Nach der Verurteilung der drei Attentäter versuchte die Gruppe um Abu Nidal die Gefangenen freizupressen. Nachdem dies seitens Österreichs abgelehnt wurde, folgte am 27. Dezember 1985 das Attentat auf den Wiener Flughafen Schwechat: zwei Tote, 40 Verletzte. Von 1993 bis 1997 gab es in Österreich fünf Serien von Briefbomben-Attentaten. Am 11. April 1995 jagten sich zwei Menschen selbst in die Luft, als sie in Ebergassing Strommasten sprengen wollten. Aber man muss nicht so weit zurück, am 25. Mai 2009 sind bei einem Attentat auf zwei aus Indien angereiste Gurus im "Shri Guru Ravidass Sabha"-Tempel in Wien einer der angereisten Gurus getötet und der zweite sowie mehrere Menschen schwer verletzt worden. Das alles nur in dem kleinen Land Österreich. Und da sollen wir uns nicht fürchten?

Furcht ist das Ziel von Terrorismus

Nein, sollen wir nicht! Denn die Furcht ist das Ziel des Terrorismus. Das Wort Terror kommt aus dem Lateinischen und bedeutet "Schrecken", und den wollen die TerroristInnen verbreiten. Laut Duden ist Terror die "[systematische] Verbreitung von Angst und Schrecken durch Gewaltaktionen (besonders zur Erreichung politischer Ziele)". Wenn TerroristInnen einen Anschlag verüben, schlagen sie immer doppelt zu. Einmal direkt, indem sie Menschen töten oder verletzen und hohen Sachschaden verursachen, aber auch indirekt, indem sie Angst verbreiten. Also ist die sogenannte "Terrorgefahr" und die Furcht davor schon der Terror selbst. Wenn wir uns fürchten, sind wir bereits Opfer des Terrorismus.

1.600 Tote durch Ausweichverhalten

Und auch das kann tödlich sein, wie der Leiter des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin Gerd Gigerenzer untersucht hat, denn in der Angst reagieren Menschen unüberlegt und weichen vermeintlich gefährlichen Situationen aus. So vermieden viele AmerikanerInnen nach 9/11 zu fliegen und fuhren lieber mit dem Auto. Als Folge starben auf den Straßen 1.600 Menschen mehr. Also gab es nicht nur 256 Tote in den Flugzeugen und 2.600 Opfer in den Türmen, sondern weitere 1.600 Tote durch ein angstgesteuertes Ausweichverhalten, das oft schlimmere Folgen nach sich zieht, als wenn man ganz normal weiter gemacht hätte und einfach geflogen wäre.
"Menschen überschätzen Risiken sehr stark, wenn Ereignisse selten eintreten, dann aber mit erheblichen belastenden Konsequenzen verknüpft sind. Da diese dramatischen Ereignisse medial sehr sichtbar sind, wirken sie als Angstsammler, die alle vorhandenen irrationalen Ängste an sich binden. Das nennt sich subjektives Risikoempfinden", so Thomas Kliche, Psychologe der Uni Hamburg.
Dieses subjektive Risikoempfinden wird durch die Präsenz des Terrors - mag er auch noch so weit entfernt sein - geschürt. Und zwar nicht nur durch die Berichterstattung über Anschläge, sondern auch die danach folgenden politischen Diskussionen um eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen, die meist auf Kosten der Grundrechte geht, wie zum Beispiel die Vorratsdatenspeicherung. Erledigen also diejenigen, die vor dem Terror allzu laut warnen, nicht schon den Job der TerroristInnen - nämlich Angst und Panik zu schüren und die Bevölkerung in einen verunsichernden Angstzustand zu versetzen?

Risiko nicht quantifizierbar

"Im Jahr 2010 ist die allgemeine terroristische Gefährdungslage gestiegen", so das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), das dem Bundesministerium für Inneres angehört, in seinem jährlichen Verfassungsschutzbericht. Rechts- als auch linksextreme Bedrohungen sind praktisch nicht vorhanden bzw. unter Kontrolle. Allerdings seien der sogenannte "home-grown"-Extremismus und Terrorismus mit islamistischer Komponente sowie anhaltende Radikalisierungs- und Rekrutierungspraktiken gestiegen und stellen "ein nicht quantifizierbares Risikopotential für die innereuropäische und innerstaatliche Sicherheit dar". In diesem Zusammenhang erhielten Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste diffuse Hinweise, wonach bereits ausgebildete Attentäter in Richtung Europa entsandt wurden, um Anschläge gegen "weiche Ziele" (also Bahnhöfe, Eisenbahn- und öffentlicher Nahverkehr, Flughäfen, öffentliche Gebäude und Einkaufszentren sowie der gesamte Bereich der sogenannten "kritischen Infrastruktur") durchzuführen - womit wir wieder bei unserem Horrorszenario wären.

Heroische Gelassenheit

Aber fürchten dürfen wir uns trotzdem nicht! Die einzige Möglichkeit ist, eine heroische Gelassenheit zu entwickeln. Denn es wird auch bei uns früher oder später einen Anschlag geben. Dabei erwächst die Macht der TerroristInnen aus unserer eigenen Angst. Wenn wir aber die Anschläge als Unfälle ansehen, dann stellt sich heraus, die TerroristInnen können uns gar nichts anhaben.


Internet:
Verfassungsschutzbericht des BVT: tinyurl.com/7cuto3b

Homepage einer Aktion mündiger Bürger: www.wirhabenkeineangst.de 

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor martin.haiden@aon.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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