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Unter Druck Menschen kommen zum Teil mit konkreter Stresssymptomatik ins Coaching.

Unter Druck

Schwerpunkt

Unsere moderne Arbeitswelt setzt Menschen immer häufiger unter Zeit- und Leistungsdruck - Coaching kann hilfreich sein.1

Menschen geraten durch hohe und vielschichtige Anforderungen in der Arbeitswelt zunehmend unter Druck und leiden unter Stresssymptomen. Es ist kein Einzelschicksal, wenn "alles zu viel und zu schnell" wird und es nicht mehr zu schaffen ist, "alles unter einen Hut" zu bringen. Da der Druck in der Arbeitswelt nicht nur für Führungskräfte steigt und gleichzeitig die AnsprechpartnerInnen im beruflichen Umfeld für einen Austausch fehlen, gewinnt Coaching an Bedeutung. Für zwischenmenschliche Kommunikation bleibt in den Unternehmen kaum Zeit.

Klassische Auslöser des Drucks

Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben sowie Berufs- und Freizeit verschwimmen. Die geforderte ständige Erreichbarkeit der Beschäftigten über Internet und Mobiltelefon hat die Arbeitswelt stark verändert. Wenn die Berufsrolle zu groß wird, haben Menschen in allen Lebensbereichen das Gefühl, keine Zeit mehr zu haben und nichts mehr so zu schaffen, wie sie es möchten. In der Arbeit gibt es kaum noch einen Anfang und ein Ende, weil ein Projekt das nächste überlappt und die Leute nicht mehr wissen, wann es beginnt bzw. aufhört und vor allem, wann man etwas abschließen kann. Im Coaching geht es daher immer wieder um die Themen "Ausbalancieren von Arbeit und Privatleben" und "Abgrenzung der eigenen Person". Hohe und widersprüchliche Anforderungen in Arbeit und Privatleben, Dinge in kurzer Zeit in guter Qualität zu erledigen, das setzt Menschen unter massiven Druck. Vielen gelingt es nicht mehr, Prioritäten zu setzen und Entscheidungen zu treffen. Sie wissen nicht, was sie zuerst machen sollen und sind nicht mehr in der Lage, abzuschalten.
In zahlreichen Unternehmen gab es in den letzten Jahren häufige Umstrukturierungen und Auslagerungen sowie Einsparungen verbunden mit Personalabbau. Führungskräfte und MitarbeiterInnen sollen mit immer knapper werdenden Ressourcen den gleichen Output in sehr guter Qualität liefern, was unweigerlich zu Stress und Überforderung führt. Selbst gut strukturierte Menschen scheitern zunehmend an von vornherein unrealistisch hohen Zielen und der zu leistenden Menge. Überforderung entsteht immer an der Schnittstelle von Person und Organisation, aber nur in der Person manifestiert sie sich.

Betroffene Personengruppen

Mittlerweile gibt es bis auf wenige Ausnahmen kaum noch Unterschiede in der Betroffenheit. Frauen und Männer, Führungskräfte, ArbeiterInnen und Angestellte, Selbstständige und Unselbstständige aus unterschiedlichsten Bereichen und Branchen leiden unter Arbeitsüberlastung sowie Zeitdruck und können somit ins Burnout schlittern.
Obwohl Frauen und Männer im gleichen Ausmaß unter Druck stehen, gehen sie im Allgemeinen sehr unterschiedlich damit um. Frauen beginnen früher darüber zu sprechen, dass ihnen alles zu viel wird. Männer versuchen so lange durchzuhalten, bis sie nicht mehr können und suchen dann erst Hilfe oder Unterstützung.

Alles unter einen Hut bringen

Für Frauen steht oft im Vordergrund, wie sie Haushalt, Partnerschaft, Kinder und Karriere unter einen Hut bringen sollen. Durch diese Mehrfachbelastung ist der Druck für sie zwar einerseits höher, andererseits können sie sich dem Druck aus der Arbeitswelt manchmal leichter widersetzen, weil sie mehrere Standbeine im Leben haben. Wenn die Belastung im Berufsleben zu groß wird, haben Frauen im Gegensatz zu Männern weniger das Gefühl, alles zu verlieren, und stellen seltener ihren gesamten Lebenssinn in Frage.
Führungskräfte der mittleren Führungsebene stehen häufig stärker unter Druck als jene der obersten Hierarchiestufe, vor allem wenn sie wenig Gestaltungsspielraum haben, die Vorgaben von oben eng und unklar sind und sie gleichzeitig ihr Team gut führen wollen. Sie kommen dann oft in eine große Zwickmühle. Generell können Menschen umso besser mit Druck umgehen, je größer ihr Gestaltungsspielraum ist und je umfassender ihre Möglichkeiten sind, etwas zu verwirklichen.
Coaching2 ist ein interaktiver personenzentrierter Beratungs- und Begleitungsprozess im beruflichen Kontext, der zeitlich begrenzt und thematisch zielorientiert definiert ist. Die individuelle Beratung richtet sich auf fachlich-sachliche und/oder psychologisch-soziodynamische Fragen bzw. Problemstellungen, die sich auf die Arbeitswelt beziehen. Coaching findet auf einer tragfähigen Beziehungsbasis statt, die Freiwilligkeit, gegenseitiges Respektieren, Vertrauen und Kooperieren bedingt. Das Gespräch hat immer eine Förderung von Selbstreflexion und -wahrnehmung, Bewusstsein, Verantwortung und Selbstmanagement zum Ziel. Coaching baut auf die ressourcen- und lösungsorientierten Kompetenzen der Kundinnen und Kunden, die gefördert und aktiviert werden können. Coaches entwickeln gemeinsam mit den Kundinnen und Kunden individuelle Lösungen.

Mit Stresssymptomen ins Coaching

Menschen kommen zum Teil mit konkreter Stresssymptomatik ins Coaching. Sie können sich nicht mehr gut konzentrieren und entspannen, sie werden immer ineffizienter, fühlen sich leer und unzufrieden, ihre Gedanken kreisen permanent und sie wissen nicht, wie sie aus dem Hamsterrad aussteigen können. Im Vorfeld von Burn-out sehen sie Coaching als Rettungsreifen, nach dem sie greifen, um fit zu bleiben und dem Druck standzuhalten.
Zunächst geht es oft nur darum, Druck von den Kundinnen und Kunden zu nehmen - den Druck, sich unbedingt verändern zu müssen und etwas ganz Neues zu tun. Wer aus einer Drucksituation heraus reagiert, engt seine Reaktionsmöglichkeiten ein. Man tut oft mehr desselben, ohne zu prüfen, ob das die gewünschte Wirkung hat, und gerät in eine unglückselige Negativspirale, in der erst recht nichts mehr gelingen will. Kundinnen und Kunden bekommen im Coaching genügend Zeit und Raum, um den Druck loszulassen, Tempo rauszunehmen, nachzudenken und Gedanken zu Ende zu formulieren. Coaching allein ist schon ein Entschleunigungsprozess.
Zu Beginn eines Coachingprozesses betrachten Menschen ihre Situation oft als unabänderlich, fühlen sich machtlos und haben kaum eine Vorstellung, in welchen Bereichen sie Einfluss nehmen können. Wenn sie sich ihrer eigenen Ressourcen, Talente, Fähigkeiten und Möglichkeiten wieder bewusst werden, steigt auch die Selbstkompetenz, auf das eigene Leben einzuwirken, Veränderungsschritte zu setzen und sich aus der Drucksituation zu befreien. Neue Sichtweisen, Ideen und erweiterte Handlungsoptionen verschaffen Erweiterung und Erleichterung. Es geht auch darum, an eigenen Zielen und Wertvorstellungen zu arbeiten und zu überprüfen, inwieweit diese in der derzeitigen Arbeitssituation und Rolle gelebt werden können.

Einfluss und Grenzen von Coaching

Menschen verändern mithilfe von Coaching vor allem den Umgang mit sich selbst und der belastenden Situation. Manchmal gelingt es ihnen, sich anders zu organisieren und Dinge konkret zu verändern. Manchmal verändern sie "nur ihre Sichtweise" und manchmal verlassen sie auch Systeme bzw. Unternehmen.

Hilfe zur Selbsthilfe

Letztendlich sind Systeme stärker als Personen. Dies bedeutet, dass krank machende Arbeitsbedingungen und -strukturen zwar oft Auslöser für den individuellen Druck und Stress von Menschen sind, von den meisten Individuen jedoch kaum verändert werden können.
Coaching als personenzentrierter Ansatz stößt mit Sicherheit in rigiden, nicht veränderungswilligen Organisationen an seine Grenzen, weil dort nicht Personen, sondern Strukturen problematisch sind. Gerade deshalb ist es im Coaching wichtig, die gesellschaftliche Ebene mit zu reflektieren und zu thematisieren. Dies ermöglicht es den Menschen, zu differenzieren, was in ihrem Einflussbereich liegt und was nicht, wie sie ihre Einstellung und Reaktionen ändern können, welche Umstände sie verändern können und welche unveränderbar sind. Coaching kann Strukturen nur sehr begrenzt umformen, solange die Menschen jedoch prinzipiell in der Lage sind, sich selbst zu helfen, kann es ihnen den Weg zur Selbsthilfe erleichtern.

1 Dieser Artikel beruht auf einer Masterthesis der Autorin.
2 Siehe auch ACC - Österreichischer Dachverband für Coaching, www.coachingdachverband.at 

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