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Schleichende Privatisierungen Umfasste die Österreichische Industrie-holding AG (ÖIAG) von zehn Jahren noch über 20 Beteiligungen, sind es heute nur mehr vier: Post (52,9 Prozent), Telekom (28,4 Prozent), OMV (31,5 Prozent) und GKB (100 Prozent).

Schleichende Privatisierungen

Gesellschaftspolitik

Privatisierungen zum Schuldenabbau fordert die Industrie. Die Regierung schweigt. Müssen wir uns fürchten? Nur, wenn wir die Privatisierer gewähren lassen.

Während unter Schwarz-Blau (2000-2006) blindwütig und offen Staatsvermögen, also eigentlich Volksvermögen, privatisiert und ausverkauft wurde, sind die Privatisierer heute leiser, aber beharrlich unterwegs. Umfasste die Österreichische Industrieholding AG (ÖIAG) vor zehn Jahren noch über 20 Beteiligungen, sind es heute nur mehr vier: Post (52,9 Prozent), Telekom (28,4 Prozent), OMV (31,5 Prozent) und GKB (100 Prozent). Außerdem hält die ÖIAG 100 Prozent an der FIMBAG, der Banken-ÖIAG, die die Vergabe von Steuergeldern an die Spekulationsbanken (z. B. Hypo Alpe Adria, Volksbanken, Erste ...) zu deren Gewinnabsicherung durchführt. Insgesamt geht es (noch) um mehr als 85.000 MitarbeiterInnen (davon fast 50.000 in Österreich) und 33 Mrd. Euro Umsatz. Ende der 1950er-Jahre waren im gesamten verstaatlichten Bereich etwa 275.000 Menschen beschäftigt.1

Exorbitante Gewinnentwicklung

Mit dem Ausverkauf an meist ausländische Private ging eine exorbitante Gewinnentwicklung einher: So verzeichnete etwa die voestalpine-Aktie 2010 gegenüber 2000 ein Plus von 407 Prozent, die OMV-Aktie plus 418 Prozent.2 Was zeigt: Ob (voll)privatisiert oder nicht, die Industrieflaggschiffe Österreichs stehen mehr als gut da. Nur, dass davon die Allgemeinheit, die für die Errichtung dieser Unternehmen in der Vergangenheit zahlte, nichts mehr hat; es profitieren vielmehr PrivatanlegerInnen mit dicker Brieftasche. Diese Betriebe stehen nicht wegen, sondern trotz der Privatisierungen gut da. Denn das immer wieder von Industriellenvereinigung (IV) und Wirtschaftskammer (WKÖ) vorgebrachte "Argument", dass Privatisierungen wegen der Schuldenlast notwendig waren und seien, ist ein Vorwand, um dem Widerstand von ArbeitnehmerInnenseite den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die viel zitierten "Schulden" der Verstaatlichten waren in der Regel Gewinne der Kredit gebenden Banken, weil die Verstaatlichten von ihrer Eigentümerin, der Republik Österreich, keine entsprechende Kapitalausstattung erhielten, obwohl die Betriebe über Jahrzehnte Milliarden an Steuern und Dividenden in das Budget zahlten.3

Attraktive Braut ÖBB

Weil die noch im ÖIAG-Bereich befindlichen Betriebe Gewinne machen, haben sich Veit Sorger (IV) und Christoph Leitl (WKÖ) ein neues "Schuldenargument" einfallen lassen, um nicht nur diese, sondern auch Unternehmen der Gemeinwirtschaft wie Energieversorger, die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG)4 oder die Bundesforste (ÖBf) für die Privatisierung reif zu reden. Auch für die ÖBB solle langfristig ein "strategischer Partner" gesucht, sprich ausverkauft, aber vorher dafür "gespart" werden. Denn, so WKÖ-Chef Leitl: "Wir können nur eine attraktive Braut verheiraten. Die ÖBB muss sich noch etwas herausputzen." Mit den Erlösen sollen angeblich die Staatsschulden reduziert werden. IV-Sorger: "Das sind Fragen der Pragmatik und der leeren Töpfe."5 Wer hat denn die Staatstöpfe geleert? Die arbeitenden Menschen nicht, die zahlen zu 80 Prozent über Lohn-, Einkommens- sowie Mehrwertsteuer die Budgeteinnahmen. Geplündert werden die Staatskassen für Unternehmens- und Bankenpakete: Bislang circa zehn Milliarden Euro für die vormals nach dem Motto "Private wirtschaften besser" geführte Hypo Alpe Adria und die Volksbanken - Ende nach oben offen.6 Mit 59 Mrd. Euro haften die SteuerzahlerInnen allein für die Schulden österreichischer Banken.7 Oder die Milliardenbeträge für die EU-Rettungsschirme: Hier werden Steuergelder für die Europäische Zentralbank bereitgestellt, die diese den "notleidenden" europäischen Banken um ein Prozent Zinsen zur Verfügung stellt. Die Banken wiederum verleihen dieses Geld, sofern sie damit nicht ihre faulen Kredite abdecken und es so von der Realwirtschaft fernhalten, an die sich für die Banken verschuldenden Staaten zurück - im Schnitt um vier Prozent - oder um ca. sieben Prozent an Unternehmen.8 Die für die "Rettung" aufgenommenen Staatsschulden dienen somit zur "Risikoabdeckung" oder klarer gesagt, für die Gewinne der Banken, samt Millionengagen und Boni für deren Direktoren und ManagerInnen. Für die arbeitenden Menschen bedeutet das Lohn- und Gehaltseinbußen, mehr Arbeitsdruck, Arbeitsplatzabbau, weniger Steuereinnahmen fürs Budget … und weitere "Defizite". Das ist das Muster, nach dem national wie international vorgegangen wird: Privatisierung der Gewinne und Sozialisierung der Verluste, d. h. deren Abwälzung auf die Allgemeinheit. Weniger Geld im Staatshaushalt lässt dann schnell den Ruf der gleichen Herren von IV und WKÖ nach "mehr Sparen, weniger Sozialleistungen" erschallen. Mit dieser Methode schaffen sich die KapitalistInnen die ökonomische Voraussetzung dafür, noch mehr Gewinne zu machen, und die politische Voraussetzung, um verstärkten Druck auf die arbeitenden Menschen ausüben und dies als "objektiv", eben als "Fragen der Pragmatik und der leeren Töpfe" (s. o.), hinstellen zu können.9 

Politik der "leeren Töpfe"

Der Staat, die Regierung leistet dieser Politik der absichtlich herbeigeführten "leeren Töpfe" im Interesse der Industrie weiter Vorschub. Anstatt bei den strategischen ÖIAG-Beteiligungen Telekom oder OMV das Kapital entsprechend aufzustocken, um "feindlichen Übernahmen" zu begegnen, wird gemeinsam mit dem neuen von der IV kommenden ÖIAG-Chef Markus Beyrer weiter an Privatisierung und Ausverkauf gearbeitet.10 So hält bei der Telekom Ronny Picek mithilfe des ägyptischen Milliardärs Naguib Sawiris bereits über 20 Prozent der Telekom-Aktien. Sawiris hat nach der Telekom-Hauptversammlung gedroht, die Telekom-Anteile an den mexikanischen Milliardär Carlos Slim (Eigentümer des mexikanischen Telekom-Konzerns America Movil) zu verkaufen, wenn die österreichische Regierung den von Sawiris geforderten Veränderungen in der Telekom Austria nicht zustimmt.11 So weit hat es die Mehrheitseigentümerin, die Republik Österreich, via IV-ÖIAG-Chef Beyrer kommen lassen. Eine verfilzte Jagdgesellschaft12, die nicht nur auf Wild, sondern vor allem auf lukratives Volksvermögen Jagd macht. Eine ähnliche Situation droht bei der OMV, wo der Abu Dhabi Fonds IPIC seinen Anteil (24,9 Prozent) aufstocken will.13
Seitens der Privatindustriellen wird also an der Übernahme der Goldesel Telekom und OMV "gebastelt". Bei den ÖBB wiederum wird die Defizitkeule geschwungen, ein "strategischer Partner" verlangt und das "Sparen" ausgerufen14, vor allem auf Kosten der BahnfahrerInnen: "Gerade bei der Bahn ist Sparen am Ende die teuerste Lösung und ein Anschlag auf die Nahversorgung mit Öffis", kritisiert die AK.15 Auch hier sind die Verluste die Gewinne der Loks, Waggons, Bahnstrecken, Tunnel oder Bahnhöfe bauenden Konzerne wie Siemens, PORR, STRABAG usw.16
Bei der AUA, die der Lufthansa im Namen der "unumgänglichen Privatisierung" geschenkt wurde ("Kaufpreis": 366.000 Euro plus staatliche Mitgift von 500 Mio. Euro), ist man da bereits ein Stück weiter - bei deren Zerstörung! Offen erklärtes Ziel der Lufthansa ist es, die AUA als Konkurrenz endgültig auszuschalten. Deshalb der brutale Druck auf die AUA-Beschäftigten, die KV-Kündigung, die Gehaltskürzungen (30 bis 40 Prozent), der geplante Personalabbau um die Hälfte auf 3.000 Beschäftigte.

Zu Tode gefürchtet

Zu teure Beschäftigte? Nein: Die Lufthansa-Chefs wollen sich die durch ihr Missmanagement verursachten Kosten der letzten Jahre auch von den AUA-Beschäftigten durch ein 1,5 Mrd. Euro schweres Konzern-"Sparpaket" holen. So kostete die mittlerweile wieder verkaufte britische Fluglinie BMI die Lufthansa 1,2 Mrd., die eingestellte Lufthansa Italia 200 Mio. Euro. Zum Schaden bekommen die AUA-Beschäftigten, die Republik Österreich und die Allgemeinheit noch den Spott des Lufthansa-Chefs Christoph Franz serviert: Er hätte die AUA nicht gekauft.17 Was lassen wir uns noch alles gefallen? Stillhalten und sich fürchten ist nicht der Weg. Denn: Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben.

1 Siehe ÖIAG-Geschichte und Geschäftsberichte.
2 z. B. Kronen Zeitung, 12. 2. 2011.
3 Konzernbetriebsrat der voestalpine AG (Hg.): du voest mir, Wien 2004, S. 18-27.
4 In das am 28.3.2012 im Parlament beschlossene Sparpaket wurde auch die mögliche Teilprivatisierung der BIG hineingepackt; Kurier, 3. 5. 2012.
5 WKÖ-Presseaussendung, 4. 5. 2011.
6 Format Nr. 15/12; Kurier, 26. 4. 2012.
7 Lt. parlamentarischer Anfrage, Heute, 26. 3. 2012.
8 vgl. dazu: Georg Weiland: Die Tricks mit den Rettungspaketen, Kronen Zeitung - Wirtschafts-Magazin 12. 5. 2012 und Peter Rabl im Kurier 27. 5. 2012
9 Vgl.: AK-Wien: infobrief eu & international, Nr. 1, März 2012; Stefan Schulmeister: EU-Fiskalpakt, Falter Nr. 12/2012.
10 Format Nr. 15/12; Kurier, 20. 3. 2012.
11 Kurier, 26. 5. 2012.
12 Kurier, 1.4.2012.
13 Format Nr. 10/12; Kurier, 31. 3. 2012.
14 Standard, 7.-9. 4. 2012.
15 AK für Sie 02/12.
16 Format Nr. 17/12; Kurier 22. 4. 2012.
17 Kurier, 16. 3. 2012 und v. a. 27. 5. 2012.

Internet:
Mehr Infos unter:
www.oegb.at www.arbeiterkammer.at
 

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