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Wo der Spaß aufhört Die hochauflösenden Displays von Smartphones, Tablets und Co bieten ideale Voraussetzungen für Mobile Gaming - SpielerInnen können sich so schnell (fast) wie zu Hause fühlen.
Info & News: Spielerschutz

Wo der Spaß aufhört

Schwerpunkt

Der Übergang vom Freizeitspaß zu problematischem Spielen und zur Abhängigkeit verläuft fließend - beim Glücksspiel wie auch bei Online-Rollenspielen.

Spielsucht – früher meist als Leidenschaft bezeichnet – mit all ihren negativen Konsequenzen ist an sich kein neues Phänomen. Neu ist, dass man heute rund um die Uhr und fast überall spielen kann. Die hochauflösenden Displays von Smartphones, Tablets und Co bieten ideale Voraussetzungen für Mobile Gaming – SpielerInnen können sich so schnell (fast) wie zu Hause fühlen. In der Praxis allerdings ist die viel gepriesene Mobilität der UserInnen bei exzessiver Computernutzung dann doch stark eingeschränkt. Betroffene spielen ganze Nächte und Wochenenden hindurch – oft gemeinsam mit oder gegen andere UserInnen hunderte Kilometer entfernt.

Allein im Netzwerk

Ein 40-jähriger Ex-Abhängiger beschreibt im Forum von www.rollenspielsucht.de ein Schlüsselerlebnis: Nach 32 Stunden online war er eingeschlafen und versäumte so die Beerdigung seiner Schwester. Ernste gesundheitliche Probleme von Online-Junkies sind gar nicht so selten, Thrombosen, Übergewicht durch ständigen Junk-Food-Konsum oder Mangelernährung weil nur noch Flüssiges konsumiert wird. Daheim vor dem Computer kann man sich außerdem den Zeitaufwand für Kleidung oder Körperpflege ersparen …
Schon beim einfachen Googeln schüttet unser Körper Glückshormone aus, angesichts der Erwartung von etwas Neuem und dem Erfolg des Suchens. Bei Facebook und Co bringen „Gefällt mir“-Buttons, Lol-Lacher, Weiterempfehlungen etc. rasche Bestätigung. Waren vor einigen Jahren noch hauptsächlich männliche Jugendliche von den negativen Aspektiven der Online-Rollenspiele betroffen, so haben heute die (älteren, auch weiblichen) Social-Media-UserInnen ebenfalls Probleme: „Soziale Kontakte finden mehr und mehr online statt und immer weniger in der Realität“, so der Psychiater Dr. Hubert Poppe. „Man schätzt, dass bis zu drei Prozent der UserInnen ernsthaft suchtgefährdet sind.“

Parallelwelten

Die Computerspiel-Branche macht gute Geschäfte, ihre Umsätze entsprechen ungefähr jenen der gesamten Film- und Musikindustrie. Bei Rollenspielen wie World of Warcraft (WoW) tauchen die NutzerInnen ein in grafisch top aufbereitete 3D-Welten, kämpfen gemeinsam mit ihrer Gilde – mit diesen „Freunden“ kann man via Teamspeak auch online sprechen. Egal ob im Team gespielt wird oder als Ego-Shooter, viele Spiele haben aggressive Inhalte. Das kann vor allem auf Jugendliche durchaus abfärben und Eltern, die ihr Kind für den Sonntagsausflug mal vom Netz nehmen wollen, bekommen diese Aggressionen dann mitunter rasch zu spüren. Dieser Kontrollverlust zählt zu den typischen Symptomen bei allen Suchterkrankungen, auch bei substanzungebundenen Abhängigkeiten wie Spielsucht. Man vergisst beim Spielen auf die Zeit und auf Verabredungen, es folgen negative Konsequenzen in Beruf, Schule und Privatleben. Lügen und Heimlichkeiten in Zusammenhang mit dem Suchtmittel sind an der Tagesordnung, bei (freiwilliger und unfreiwilliger) Abstinenz folgen Entzugserscheinungen (Unruhe, Aggressionen, Schlafstörungen etc.).

Frust wird beim Spielen abgebaut

Die Abgrenzung vom problematischen zum pathologischen Spielen ist nicht einfach. Beim problematischen Spielverhalten ist der Kontrollverlust noch nicht so eindeutig; nach längeren Sessions, versäumten Terminen oder nach größeren Verlusten wird häufig pausiert. Abhängige hingegen versuchen den Frust, der etwa durch wegen des Spielens versäumte Termine entstanden ist, beim Spielen wieder abzubauen. Besonders fatal ist dieses Verhalten beim Glücksspiel, wenn Betroffene ihre Verluste so rasch wie möglich durch weiteres Spielen ausgleichen wollen (Loss-Chasing). Selbst beim sogenannten kleinen Glücksspiel sind rasch hohe Verluste möglich. Im Übrigen sind viele Online-Rollenspiele nicht gratis, man bezahlt monatlich, braucht Spielgeld oder erwirbt zusätzliche Gadgets.

Hoffen auf den Jackpot

1.020 Euro – deutlich mehr als etwa für Bildung – verwendete 2009 der durchschnittliche österreichische Haushalt für Glücksspiele (2001 waren es noch 460 Euro). Der Anteil klassischer Lotto-Produkte ging zurück, zugunsten von Online-Gambling und Automaten. Experten halten dies für problematisch, denn die in diesen Bereichen üblichen raschen Spielabfolgen und sofortigen Rückmeldungen über Gewinn oder Verlust gelten als besonders suchtgefährdend. 
Unabhängig von der Spielart sind die Anteile arbeitsloser SpielerInnen unter den Abhängigen immer höher als in den Gruppen ohne Suchtproblematik. So geben beispielsweise 16 Prozent der pathologischen SpielerInnen klassischer Kasinospiele an, arbeitslos zu sein; bei den unproblematischen KasinospielerInnen liegt der entsprechende Anteil bei einem Prozent.
Glücksspielabhängigkeit geht ähnlich wie andere Süchte oft mit einer Dysfunktion des Belohnungssystems einher. Durch eine (angeborene) Unausgewogenheit im Dopamin-Stoffwechsel nehmen viele Betroffene positive Emotionen und Eindrücke weniger intensiv wahr. Extreme Schwankungen bei der Dopaminausschüttung können zum typischen „Sensation-Seeking“ führen, die Risikobereitschaft ist hoch – beim Spielen und im Alltag; je höher der Einsatz desto größer der Reiz.
Neben der genetischen Disposition sind Suchtproblematiken in der Herkunftsfamilie und Missbrauchserfahrungen weitere Risikofaktoren. Bei Menschen mit Alkoholproblemen kommt Spielsucht sechsmal häufiger vor als bei anderen.

Nichts geht mehr

Typisch ist auch kontrafaktisches Denken: Betroffene behaupten nicht nur, sowieso kein Problem zu haben, die meisten interpretieren Gewinne als eigene Leistung und somit als Erfolgserlebnisse. Verluste hingegen werden als Pech oder Manipulation seitens der SpielbetreiberInnen gesehen. Die Angehörigen von SpielerInnen leiden häufig schon unter den Folgen der Sucht, bevor sie davon wissen. SpielerInnen sind oft stundenlang nicht erreichbar, werden unzuverlässig, Streit, Misstrauen und Geldmangel prägen den Alltag. Sobald die Spielsucht bekannt ist, werden sie und die daraus entstandenen Geldprobleme meist zum Familiengeheimnis.

Professionelle Beratung hilfreich

„Tipps, wie die Sucht nicht zu unterstützen, etwa indem man Betroffenen Geld leiht, sind im Falle finanzieller Abhängigkeit und sobald Kinder betroffen sind wenig hilfreich“, so Mag. Dr. Izabela Horodecki, Vereinspräsidentin der Spielsuchthilfe. „Es ist für Angehörige immer zu empfehlen, professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen, selbst wenn der Betroffene (noch) nicht zur Therapie bereit ist.“ Nach wie vor sind typische Glücksspielabhängige männlich (69 Prozent der KlientInnen), hilfesuchende Angehörige meist weiblich. Beratungen für Angehörige sind so wie Therapieangebote für Betroffene in der Regel kostenlos.

*)Österreichische Studie zur Prävention der Glücksspielsucht, 2009–2011, initiiert von der Österreichischen ARGE Suchtvorbeugung

Internet:
Mehr Infos unter:
www.spielsuchthilfe.at

Anton-Proksch-Institut:
www.api.or.at

www.anonyme-spieler.at

www.gluecksspielsucht.at

Facts & Figures zu den Themen Glücksspiel, Spielerschutz, Hilfseinrichtungen etc.:
www.bmf.gv.at

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin afadler@aon.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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