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Das Spiel mit dem (Un)Glück In den letzten Jahren waren ca. 80 Prozent der Hilfe suchenden SpielerInnen verschuldet - und zwar im Jahr 2011 mit durchschnittlich über 57.000 Euro bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von knapp 1.400 Euro.

Das Spiel mit dem (Un)Glück

Schwerpunkt

Das Automatenspiel - das sogenannte "kleine Glücksspiel" - bedeutet nur für die Betreiber wahres Glück.

Sie sind hinlänglich bekannt. Die Glücksspielautomaten, die in Bars, in Hinterzimmern von Gaststätten und Wettbüros in vielen österreichischen Städten stehen. Der landläufige Ausdruck für dieses Automatenspiel lautet „kleines Glücksspiel“.
Dies ist ein Begriff, den die Gesetzgebung gar nicht so vorgesehen hat. Das „kleine Glücksspiel“ heißt offiziell gemäß § 5 des Glücksspielgesetzes1 „Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten“ und stellt eine Ausnahme vom Glücksspielmonopol des Bundes dar. Das bedeutet: Grundsätzlich sind Glücksspiele in Österreich (z. B. Lotto, Toto, Roulette, Black Jack) dem Bund als Anbieter vorbehalten, der dieses Recht auf KonzessionärInnen (derzeit z. B. die Casinos Austria oder die Österreichischen Lotterien) überträgt. Innerhalb eines bestimmten Rahmens können Bundesländer aber außerhalb dieses Monopols das Automatenglücksspiel erlauben.

Verlust mit System

Genau darum handelt es sich beim „kleinen Glücksspiel“. Der Rahmen, den der Bund den Ländern vorgibt, bezieht sich dabei nicht nur auf die Höchsteinsätze und Höchstgewinne, Zutrittsbestimmungen, die maximale Spieldauer, Mindestabstände zwischen den Automaten und die Höchstzahl legaler Automaten, nein: Er normiert auch, dass der/die Spieler/in langfristig gar nicht gewinnen kann. So ist vorgesehen, dass der Automat bei Annahme einer unendlichen Serie von Einzelspielen zwischen 85 Prozent und 95 Prozent der gespielten Einsätze wieder auswerfen muss. Das heißt aber auch: Zwischen fünf Prozent und 15 Prozent der Einsätze werden – quasi ex lege – vom Automaten auf Nimmerwiedersehen verschluckt und tauchen erst wieder in den Renditen der Glücksspielindustrie auf.
Das kleine Glücksspiel hat andererseits aber massive persönliche Konsequenzen und birgt von allen Spielarten die größte Suchtgefahr. Von 100 Personen, die im Jahr 2011 die Wiener Spielsuchthilfe2 konsultierten, waren 83 aufgrund von Problemen mit dem Automatenspiel in Beratung.
In den letzten Jahren waren ca. 80 Prozent der Hilfe suchenden SpielerInnen verschuldet – und zwar im Jahr 2011 mit durchschnittlich über 57.000 Euro bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von knapp 1.400 Euro. In Deutschland kommen 40 Prozent aller Spieleinsätze von Spielsüchtigen. Auf der anderen Seite der Verteilungskette weist die diesjährige „Reichenliste“3 des Wirtschaftsmagazins „Trend“ den Gründer und Mehrheitseigentümer des größten österreichischen Glücksspielkonzerns „Novomatic“ mit einem Vermögen von 4,2 Mrd. Euro als viertreichsten Österreicher aus. Diese Zahl alleine zeigt, dass dem Automatenglücksspiel auch eine bedenkliche Umverteilungswirkung von unten nach oben innewohnt.
Die negativen Folgen des Glücksspiels nehmen erschreckende Ausmaße an: Für 20,9 Prozent der Spielsüchtigen ist es der Arbeitsplatzverlust, für 12,7 Prozent der Wohnungsverlust. 14,8 Prozent haben psychosomatische Beschwerden. 18,1 Prozent rutschen in die Beschaffungskriminalität, 9,1 Prozent er-hielten bereits Vorstrafen. Knapp 56 Prozent geben Beziehungsprobleme/-verlust als Folge an. Wissenschaftlerinnen der Medizinischen Universität Wien4 zeigen dies noch viel drastischer, denn Frauen, die in Beziehungen mit pathologischen Spielern leben, haben ein 10,5-mal höheres Risiko Opfer häuslicher Gewalt zu werden als der Durchschnitt.

Kein Nischenphänomen

Eine repräsentative Erhebung5 des Zentrum für interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) in Hamburg aus dem Jahr 2011 weist zwischen 26.871 und 50.166 (Mittelwert: 38.519) pathologische SpielerInnen in Österreich aus. Alle Spielsüchtigen in Österreich könnten also eine kleinere Landeshauptstadt in der Größenordnung zwischen Bregenz und St. Pölten bewohnen. Und hierbei geht es lediglich um pathologische SpielerInnen, bei denen medizinisch ein Suchtverhalten diagnostiziert werden kann. Dabei muss man noch längst nicht süchtig sein, um durch das Spiel seinen Lebensunterhalt zu verzocken, die Familie zu tyrannisieren oder den Job/die Wohnung zu verlieren.

Das Unglück hat seinen Preis

Natürlich ist das Automatenglücksspiel für den Staat auch eine Steuereinnahmequelle. Für 2012 budgetiert der Bund Gesamteinnahmen in Höhe von 460 Mio. Euro aus dem Glücksspielgesetz. Schon bisher entfielen jedoch auf die Konzessionsabgabe und auf die Spielbankenabgabe (mit denen nicht das kleine Glücksspiel, sondern die Casinos und die Lotterien besteuert werden) knapp 265 Mio. Euro, so dass unter dem Strich in etwa öffentliche Einnahmen in Höhe von 200 Mio. Euro aus der direkten Besteuerung des kleinen Glücksspiels herrühren werden. Von diesem Betrag werden dann noch „Garantiebeträge“ an die Länder abgeführt. Es wäre aber ein Denkfehler zu glauben, dass diese Steuereinnahmen bei einem Verbot komplett wegfallen würden. An den Automaten spielen vor allem Personen mit niedrigeren Einkommen und somit geringerer Sparquote. Die Spieleinsätze würden also wohl in gesellschaftlich sinnvolleren Bereichen konsumiert und auch versteuert.
Dem stehen Kosten gegenüber. Die Zahlen der Spielsuchthilfe ermöglichen in Kombination mit den Ergebnissen der repräsentativen Studie für Österreich erste vorsichtige Schätzungen.
Für die drei Bereiche Arbeitslosigkeit, Beschaffungskriminalität und Erkrankungen lassen sich die direkten Kosten recht einfach schätzen. Wenn man davon ausgeht, dass knappe 85 Prozent der Spielsüchtigen automatenabhängig sind, ergibt eine zurückhaltende Mittelwertschätzung knapp 32.000 Personen in Österreich. Wie bereits erwähnt führen 20,9 Prozent den Arbeitsplatzverlust, 14,8 Prozent psychosomatische Erkrankungen und 18,1 Prozent Beschaffungskriminalität als Folgen an.
Wird davon ausgegangen, dass 20,9 Prozent der Spielsüchtigen ihre Arbeit verloren haben und das Mindestmaß an Leistungen erhalten (20 Wochen Arbeitslosengeld), ergibt dies bei einem durchschnittlichen Nettoeinkommen von 1.400 Euro zumindest 28 Mio. Euro an öffentlichen Kosten. Die Bezuschussung der Therapien durch die Krankenkassen kommt auf knapp über 5 Mio. Euro. Eine Studie zu sozialen Folgekosten in der Steiermark6 hat 74 Fälle von Beschaffungskriminalität infolge des Spiels analysiert und für diese Fälle Gesamtkosten in Höhe von 1,466 Millionen Euro (Strafvollzug, Exekutive, Justiz) festgestellt. Hochgerechnet auf die 9,1 Prozent der Spielsüchtigen mit Vorstrafen ergibt dies österreichweit ca. 2.600 Fälle und somit über 57 Mio. Euro. Eine vorsichtige Hochrechnung für nur drei Bereiche (Arbeitslosigkeit, Psychotherapie, Vorstrafen) weist also bereits ca. 90 Mio. Euro an öffentlichen Folgekosten aus. Noch komplett außer Acht bleiben hier nicht-süchtige, aber problembehaftete SpielerInnen, private und indirekte Folgekosten (z. B. nicht geahndete Beschaffungskriminalität), soziale Multiplikatoren wie häusliche Gewalt oder abgebrochene Bildungskarrieren. Nicht zuletzt setzt der Kreditsektor – bei ca. 27.000 pathologischen verschuldeten SpielerInnen mit durchschnittlich 55.000 Euro Schulden und einer Sollverzinsung von 9,5 Prozent jährlich über 140 Mio. Euro auf Kosten von Spielkranken um.

Kein gutes Geschäft

Das Spiel an den Automaten ist wohl für die Industrie ein Glück. Für die Spielenden bedeutet es Verschuldung, Krankheit, familiäre Gewalt und Existenzverlust. Die öffentlichen Haushalte nehmen Steuern ein, haben dafür allerdings soziale Folgekosten zu begleichen. Angesichts der dargestellten sozialen Tragweite wäre es natürlich mehr als zynisch, politische Entscheidungen über das „kleine Glücksspiel“ anhand einer einfachen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu treffen. So viel ist aber sicher: Ob bei einer umfassenden Kosten-Nutzen-Analyse überhaupt noch ein finanzieller Vorteil für die öffentliche Hand übrig bleibt, ist mehr als nur fraglich.

1Bundesgesetz über die Regelung des Glücksspielwesens (Glücksspielgesetz – GSpG), idF BgBl 50/2012.
2Tätigkeitsbericht der Wiener Spielsuchthilfe für das Jahr 2011.
3Trend-Reichenliste vom 27.6.2012.
4Fischer, Gabriele/Schreiberhuber, Anita (2010): Spielsucht in Österreich.
5Buth, Sven (2011): Wissen, Einstellungen, Prävalenzen – Empirische Daten zum Ausmaß der Glücksspielsucht in der Bevölkerung und zur Bewertung von Präventionsmaßnahmen, in: Kalke, Jens/Buth, Sven/Rosenkranz, Moritz/Schütze, Christian/Oechsler, Harald/Verthein, Uwe (2011): Glücksspiel und Spielerschutz in Österreich – empirische Erkenntnisse zum Spielverhalten der Bevölkerung und zur Prävention der Glücksspielsucht.
6Köberl, Judith/Prettenthaler, Franz (2009): Kleines Glücksspiel – großes Leid? Empirische Untersuchungen zu den sozialen Kosten des Glücksspiels in der Steiermark.
 
Internet:
Mehr Infos unter:
www.peterpilz.at/data_all/Schwarzbuch.pdf

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