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Die Entwicklungen der Vergangenheit spielen auch in der Zukunftsforschung eine wichtige Rolle und stellen den Ausgangspunkt für zukünftige Szenarien dar. Die Entwicklungen der Vergangenheit spielen auch in der Zukunftsforschung eine wichtige Rolle und stellen den Ausgangspunkt für zukünftige Szenarien dar.

Vorhersagen sind schwierig …

Schwerpunkt

… besonders wenn sie die Zukunft betreffen (Niels Bohr). Dieser Ausspruch leitete 2009 den Bericht "The World in 2025" der Europäischen Kommission ein.

Geht es um die Zukunftsforschung, kann man es wie Winston Churchill einst formulieren: „Je weiter man zurückblicken kann, desto weiter wird man vorausschauen“ oder einfach von historischer Analogie sprechen. Die Entwicklungen der Vergangenheit spielen auch in der Zukunftsforschung eine wichtige Rolle und stellen den Ausgangspunkt für zukünftige Szenarien dar. Doch die Kombination mit gesellschaftlichen Trends und die Einberechnung von sogenannten „Wildcards“, also unvorhersehbaren Ereignissen wie Kriegen, Pandemien oder auch Innovationen, lassen auf unsere Zukunft schließen.

Vorhersagen bieten Denkanstöße

Diese „Foresight“-Aktivitäten, die nicht nur von der Europäischen Kommission, sondern auch von einzelnen Ländern wie Schweden, Frankreich und Dänemark unternommen werden, vereinen Experteninformation mit Interessensgruppen und beziehen außerdem die direkt handelnden politischen AkteurInnen mit ein, die die Ergebnisse umzusetzen vermögen.
In Stein sind solche „Vorhersagen“ jedoch nicht gemeißelt – sie sollen lediglich neue Denkansätze bieten und dazu dienen, herkömmliche Zukunftserwartungen zu hinterfragen. Daher ist es sehr fragwürdig, Berichte über die Zukunftsforschung als hysterische Prophezeiungen zu bezeichnen, da sie mehr als ein Frühwarnsystem verstanden werden sollten.
Trends und Veränderungen:

  • Die EU wird überaltern und damit den höchsten Bevölkerungsanteil an über 65-Jährigen in der Welt aufweisen. 2030 werden für jede pensionierte Person zwei Menschen im Arbeitsleben stehen (im Vergleich zu 2008: vier Personen/PensionistIn). Durch den demografischen Übergang könnten aber auch neue Marktchancen aufkommen (Medizin, Soziales).
  • Politische, wirtschaftliche und auch klimatische Verhältnisse sowie die Verslumung in vielen Städten der Entwicklungsländer heizen die Migration an. Ohne vermehrte Immigration in die EU wäre jedoch mit einer Bevölkerungsabnahme in den Mitgliedstaaten zu rechnen. Durch ihre Vielfalt könnte die EU auch eine wichtige Rolle in internationalen Beziehungen einnehmen.
  • Durch das Aufkommen neuer Akteure in der Weltpolitik (Asien) werden die westlichen Industrienationen an Gewicht in der Weltwirtschaft verlieren (auch in Bezug auf den Technologie- und Wissensvorsprung). Es ist außerdem wahrscheinlich, dass neue politische Systeme die Nationalstaaten ablösen und ein weltumspannendes Regierungssystem entsteht.

Der Rat der Weisen – Club of Rome

Weiter in die Zukunft blickt die nichtkommerzielle und multikulturelle Organisation „Club of Rome“, die schon 1972 mit „Die Grenzen des Wachstums“ weltweite Beachtung fand. „2052: A Global Forecast for the Next Forty Years“, ein Bericht, der 2012 erschienen ist, beleuchtet die Möglichkeiten der zukünftigen 40 Jahre. Mitglieder des „Club of Rome“ – ForscherInnen, ÖkonomInnen und Industrielle, jedoch keine hochrangigen PolitikerInnen – haben sich „die gemeinsame Sorge und Verantwortung um bzw. für die Zukunft der Menschheit“ zum Ziel gesetzt. Wird die Welt kollabieren? Diese Frage soll nach Jørgen Randers, Professor an der BI Norwegian Business School, dem Hauptautor des Buches, nicht beantwortet, sondern erstmals gestellt werden. Er zeigt mögliche Szenarien auf, die dazu führen könnten, dass der Weltkollaps in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts auf uns zukommt.

Debatten ohne Handlungen

Besonders in der Kritik stehen die langsamen und kurzsichtigen Entscheidungsmechanismen, auf die, wie die Debatten über Nachhaltigkeit zeigten, kaum Handlungen folgten. Der „Human Short-Termism“, der besonders im Kapitalismus und der Demokratie vorherrsche, könne sich nicht den zukünftigen Herausforderungen stellen, die nur mit längerfristig angedachten Innovations- und Investitionslösungen zu meistern seien. Eine Ablösung dieser Systeme durch ein „Strong Government“ könne theoretisch dieses Dilemma lösen, jedoch praktisch sei es schwer umzusetzen. Theoretisch sollten, nach Ansicht des Autors, mehr supranationale Institutionen wie Zentralbanken über die zukünftigen Entwicklungsrichtungen entscheiden. Die EU kann nicht mehr als historische Schicksalsgemeinschaft verstanden werden und muss den Weg in eine zukunftsorientierte Erfolgsgemeinschaft antreten, so die Autoren des Szenarienkatalogs des „Centrum für angewandte Politikforschung“. Um einen besseren Blick auf die Zukunft der EU zu bieten und die Bandbreite von Möglichkeiten der Integration und der zukünftigen Entwicklung der EU zu skizzieren, hat das Autorenteam folgende Auflistung an möglichen Richtungsentwicklungen der EU veröffentlicht.

Centrum für Politikforschung

Szenario 1: Titanic

Reformversuche schlagen fehl, weil unüberbrückbare Unterschiede der politischen und sozialen Systeme die Handlungsunfähigkeit der EU weiter vorantreiben. Die Mitgliedsstaaten stoppen den Machttransfer an die EU und bemühen sich um die Rücklagerung der vergemeinschaftlichten Kompetenzen. Die EU verliert an Substanz, der Wettbewerb wird geschwächt und die Idee eines vereinigten Europas geht verloren. Interessenskonflikte sorgen für eine politisch instabile Lage, sicherheitspolitisch wird Europa unfähiger, was den Einfluss der USA stärkt. Durch die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und schließlich die Auflösung der Währungsunion verliert Europa seine finanzpolitische Kontinuität, monetäre Turbulenzen im Weltwirtschaftssystem sind die Folge.

Szenario 2: Geschlossenes Kerneuropa

Die europapolitischen Vorstellungen sind sehr verschieden und lassen Reformversuche scheitern, was die Enttäuschung der BürgerInnen über das Projekt Europa verstärkt und europakritische Parteien aufs Parkett ruft. Die EU-Freiheiten und die Währungsunion werden zwar geschätzt, Pragmatismus macht sich jedoch breit und PolitikerInnen scheuen weitere Integrationsschritte. Der Gedanke einer politischen Union scheitert, jedoch entschließen sich die Staaten „Kerneuropas“ außervertraglich zur intergouvernementalen Zusammenarbeit. Außerhalb der traditionellen Strukturen wird das Kerneuropa regiert, wobei Kommission und EuGH keine Rolle spielen. Die Kommission übernimmt grobe Koordinierungsaufgaben, das Ziel einer Wirtschaftsunion wird allerdings immer mehr verworfen. Die „Freihandelszone de luxe“, die restlichen Staaten der EU, die nicht zum Kern zählen, erweitert sich immer mehr, da die Beitrittskriterien nicht so streng auszulegen sind.

Szenario 3: Methode Monnet

Die Union ist lethargisch, jedoch nicht gelähmt. Den BürgerInnen ist bewusst, dass es keine ernsthafte Alternative zur EU gibt und dass die Fehler nicht nur bei der Union, sondern auch bei den Mitgliedsstaaten zu suchen sind. Der mangelnde politische Wille und die fehlende Weitsicht der Regierungen verhindert, dass die EU weltpolitisch in einer neuen globalen Ordnung mitbestimmt. Beitrittsperspektiven rücken in die Ferne.

Szenario 4: Offener Gravitationsraum

Regierungen, Parteien und Zivilgesellschaft befürworten eine Integrationsvertiefung. Die Herausforderungen des ökonomischen Konkurrenzdruckes verstärken den Wunsch nach Beitrittsverhandlungen. Durch Flexibilität, also schrittweise Umsetzung von einzelnen Mitgliedsstaaten, wird Reformstillstand vermieden. Der Gravitationsraum ermöglicht vertiefte Kooperation der alten und neuen Mitgliedsstaaten auf Grundlage der Verträge, aber auch verstärkte Zusammenarbeit. Die restlichen Balkanländer, EWR-Staaten und die Schweiz treten bei, während die peripheren Nicht-Mitgliedsstaaten durch verstärkte Partizipationsmöglichkeiten miteinbezogen werden.

Szenario 5: Supermacht Europa

Reformerfolge und Transparenz wirken sich positiv auf das Image Europas aus. Die europäische Zivilgesellschaft und das Vorantreiben der politischen Union fördern die Staatswerdung Europas. Zentrale Kompetenzen werden an die EU abgegeben und das Ziel der Lebensverhältnisangleichung fördert ein eigenes Staats- und Regierungsverständnis der Supermacht Europa. Territorial expandiert Europa stetig, nach dem Beitritt der Türkei machen auch nichteuropäische Länder wie Marokko und Israel Druck in Bezug auf Beitrittsverhandlungen. Durch die Stärke Brüssels entsteht ein Machtgleichgewicht zwischen Europa und den USA.

Internet:
EU-Kommission:
tinyurl.com/yk66334
Club of Rome:
www.clubofrome.org/?p=703
Centrum für angewandte Politikforschung:
www.cap.uni-muenchen.de

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