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Der Vertrauensmann Die Beschneidung der Mitspracherechte, dieser Angriff auf die Demokratie, war es auch, die ihn 2001 erneut aktiv werden ließ: Anton Benya sah es als seine Verpflichtung an, im Alter von knapp 90 Jahren noch einmal öffentlich aufzutreten.

Der Vertrauensmann

Aus AK und Gewerkschaften

Am 8. Oktober wäre Anton Benya 100 Jahre alt geworden. Dieser Text ist die Kurzfassung eines Beitrags, der im Buch "Anton Benya. Der Vertrauensmann" erschien.

Der Blick in die Vergangenheit hat letztlich nur dann einen Sinn, wenn er uns hilft, die Aufgaben der Gegenwart besser zu bewältigen und Kräfte für die Gestaltung der Zukunft freizumachen.“1 Mit diesem Zugang, den Anton Benya 1975 beschrieb, gedenken wir 2012 seines 100. Geburtstages. Nicht etwa, weil wir der Vergangenheit nachtrauern und uns die „alten Zeiten“ zurückwünschen. Weil wir für die Zukunft lernen wollen, und weil wir daran erinnern wollen, dass GewerkschafterInnen – unter ihnen Anton Benya ganz besonders – bei der Entwicklung unseres Landes und beim Aufstieg der ArbeitnehmerInnen eine bedeutende Rolle gespielt haben. Wir erinnern uns auch, um es ins Gedächtnis zu rufen, dass gerade für die ArbeitnehmerInnen noch nie etwas vom Himmel gefallen ist, dass sie sich jeden Millimeter an Fortschritt immer hart erkämpft haben – und das in Zukunft weiterhin werden tun müssen.

Engagement für den Fortschritt

Anton Benyas 100. Geburtstag ist auch ein guter Anlass, so manche Selbstverständlichkeit – Lohn- und Gehaltserhöhungen, Mitbestimmung und vieles mehr – ins rechte Licht zu rücken: Engagierte Menschen haben die Fortschritte erreicht. Und es sind auch heute engagierte Menschen, die dafür sorgen, dass es weiterhin Fortschritte gibt, keine Rückschritte. Die Verbesserungen, die wir heute erreichen können – bei Lohn- und Gehaltsverhandlungen, auf betrieblicher Ebene oder in der Sozialpolitik –, haben in vielen Bereichen ihr Fundament in der Zeit Anton Benyas.

Benya-Formel veraltet?

Eine unmittelbare Verbindung zwischen Benyas Wirken und der Gegenwart zeigt sich in der „Benya-Formel“2. Im Zuge von Lohn- und Gehaltsverhandlungen ist immer wieder davon die Rede. Mitte 2012 haben manche Wirtschaftsexperten und Arbeitgebervertreter diese Formel angezweifelt. Dazu muss man sich einige Fragen stellen: Nützt oder schadet es den ArbeitnehmerInnen im Land, wenn die Lohn- und GehaltsverhandlerInnen der Gewerkschaften die Benya-Formel archivieren? Haben sie einen besseren Weg gefunden, um sowohl das gesamtwirtschaftliche Wohl als auch die Verbesserung von Einkommen und Lebensstandard der Beschäftigten weiterzuentwickeln? Nein, haben sie nicht. Es ging nur darum, die Macht und die Kraft der Gewerkschaften, die auch in dem Begriff „Benya-Formel“ ihren Ausdruck finden, infrage zu stellen, altmodisch erscheinen zu lassen, um so andere, neoliberale Wege zu beschreiten.
Anton Benya legte einen der Grundsteine für die Sozialpartnerschaft: Gemeinsam mit dem damaligen Präsidenten der Bundeswirtschaftskammer, Julius Raab, vereinbarten Unternehmervertreter und Gewerkschaft im Raab-Benya-Abkommen die Errichtung eines Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen. Dass es auch anderer Mittel bedarf und er keine Scheu hatte, sie anzuwenden, hat uns der Sozialpartner Anton Benya ebenso vorgelebt. Die Weigerung der Metallarbeitgeber im Jahr 1962, die Ist-Löhne zu erhöhen und die in höchstem Maß diskriminierenden Frauenlohngruppen abzuschaffen, war am Verhandlungstisch nicht zu beseitigen. Es folgten Streiks mit massiver Beteiligung der Belegschaften, die schlussendlich erfolgreich waren. Und Benya sollte noch einmal für einen Kollektivvertrag kämpfen: 1996 kam es im Metallgewerbe zu einem Konflikt, eine Kundgebung vor der Zentrale der Wirtschaftskammer sollte ein deutliches Warnsignal sein. Als Anton Benya die Bühne betrat und sprach, war seine Empörung bis in die letzten Reihen zu spüren. „Dass ich das noch erleben muss, dass man für einen Kollektivvertrag heute noch auf die Straße gehen muss.“

Sozialer Fortschritt

Im Arbeits- und Sozialrecht gab es in der Ära Benya zahlreiche Verbesserungen zum Nutzen der ArbeitnehmerInnen. Man könnte meinen, dass viele Gesetze, die zwischen Mitte der 1960er- und Ende der 1980er-Jahre beschlossen wurden, heute nicht mehr gelten, unmodern oder in der Form gar nicht mehr in Kraft sind. Das Gegenteil ist aber aus meiner Sicht der Fall: Bis heute profitieren wir von den sozialpolitischen und arbeitsrechtlichen Errungenschaften der Ära Anton Benya. Niemand würde wohl behaupten, dass Mutterschutz, Mindesturlaub oder Regelungen für Schwerarbeit heute unmodern sind und nicht mehr gebraucht werden. Was damals erreicht wurde, geschah in einer Zeit des Aufbruchs im noch jungen Österreich, die man natürlich nicht mit der heutigen Zeit vergleichen kann. Das Prinzip, nach dem wir handeln, bleibt aber dasselbe: Fortschritt für die ArbeitnehmerInnen.
Mitsprache und Mitbestimmung statt Abhängigkeit und Fremdbestimmung, das war es, was Anton Benya mit dem Arbeitsverfassungsgesetz erreichen wollte. Er war aus tiefstem Herzen Demokrat. Fremdbestimmung oder gar Diktatur waren ihm ein Gräuel, hatte er sie doch selbst miterlebt und war für seinen Widerstand dagegen inhaftiert worden.
Die Beschneidung der Mitspracherechte, dieser Angriff auf die Demokratie schlechthin, war es auch, die ihn 2001 – viele Jahre nach seinem Rückzug aus der Politik – erneut aktiv werden ließ: Anton Benya sah es als seine Verpflichtung an, im Alter von knapp 90 Jahren noch einmal öffentlich aufzutreten.
Am 5. Juli 2001 stand er bei einer Demonstration gegen die per Gesetz verfügte Ablöse des damaligen GPA-Vorsitzenden Hans Sallmutter von der Spitze des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger auf der Bühne vor 50.000 DemonstrantInnen. Er warnte die schwarz-blaue Bundesregierung davor, sich am Sozialstaat zu vergreifen.

Kampf für Demokratie ist aktuell

Wie aktuell der Kampf für die Demokratie heute noch ist, sehen wir in vielen Staaten Europas angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise: Nationale Parlamente kommen aufgrund hoher Staatsschulden, die durch die Kosten der Finanz- und Bankenkrise stark angestiegen sind, unter Druck und müssen Entscheidungen über Sparmaßnahmen treffen, die letztendlich unregulierte Finanzmärkte oder Ratingagenturen diktieren, die in keinster Weise demokratisch legitimiert sind.

Wozu Gewerkschaften fähig sind

Anton Benyas Verhandlungsgeschick in der Sozialpartnerschaft, sein Blick für das große Ganze, seine einfache, aber wirkungsvolle Fokussierung auf die Verbesserung der Lage der ArbeitnehmerInnen, seine unverfälschte, den ArbeitnehmerInnen immer verbundene Art – an all das erinnern wir uns zu seinem 100. Geburtstag.
Wir erinnern vor allem die jungen Menschen daran, dass vieles, das für sie selbstverständlich ist, von GewerkschafterInnen hart erkämpft wurde und immer wieder aufs Neue verteidigt werden muss. Und wir erinnern auch daran – ganz im Sinne von Benyas Worten bei der Demonstration 2001 –, dass wir jederzeit in der Lage sind zu zeigen, wozu die Gewerkschaften in diesem Land fähig sind: zu Verhandlungen, zu Konsens und Kompromiss, zu Einigungen, genauso aber auch zu Konflikten – wenn nötig.

1 Stenographisches Protokoll, 145. Sitzung des Nationalrates, Mai 1975
2 Siehe dazu den Beitrag von Sepp Zuckerstätter, Seite 16

Mehr Infos unter: tinyurl.com/968qu42

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