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Benya-Formel für Europa Durch die Produktivitätsorientierung sollen die realen Löhne und Gehälter etwa gleich schnell steigen wie die Menge der Güter und Dienstleistungen, die pro Stunde oder Monat produziert werden.

Benya-Formel für Europa

Aus AK und Gewerkschaften

Die "Benya-Formel" stellt seit Jahrzehnten die Leitlinie für die Lohnpolitik der österreichischen Gewerkschaften dar.

Wenn sich die Lohnpolitik an der legendären „Benya-Formel“ orientiert, sichert sie eine Nachfrageentwicklung, die in Einklang mit der Produktion steht. Dann ist sichergestellt, dass weder von Profiten zu Löhnen noch von Löhnen zu Profiten umverteilt wird und dass alle Beschäftigten am gesamtwirtschaftlichen Fortschritt Anteil haben.

Der einzige Weg aus der Krise

Für die weitere Entwicklung der Zusammenarbeit in Europa ist die Orientierung der Löhne an der Benya-Formel der einzige Weg, der Krise zu entkommen. Die Benya-Formel fordert, dass die Höhe der Lohnsteigerung der Inflation plus dem mittelfristigen gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszuwachs entsprechen muss. In den Beschlüssen des ÖGB-Bundeskongresses wird als Ziel eine „gesamtwirtschaftlich ausgerichtete, produktivitätsorientierte, solidarische Lohnpolitik“ vorgegeben.
Dabei geht es nicht nur um den ökonomischen Inhalt, sondern auch darum, dass diese Ziele nicht als mathematische Formel vorgegeben werden. Lohnverhandlungen haben keinen statistisch vorbestimmten Ausgang. Es ist kein Fall bekannt, in dem Unternehmen die Löhne erhöht haben, nur weil neue Zahlen publiziert wurden. Lohnsteigerungen kommen nur zustande, wenn sich die ArbeitnehmerInnen organisieren und Lohnerhöhungen durchsetzen. Denn Lohnpolitik ist das Ergebnis von Verhandlungen zwischen den VertreterInnen von ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen.

Mehr Produktivitätsorientierung

Durch die Produktivitätsorientierung sollen die realen Löhne und Gehälter etwa gleich schnell steigen wie die Menge der Güter und Dienstleistungen, die pro Stunde oder Monat produziert werden. Wenn dies nicht der Fall ist, bleibt die Nachfrage zurück und die Unternehmen müssen mangels Absatz ihre Produktion drosseln.
Die Lohnforderungen der Gewerkschaft orientieren sich dabei nicht am kurzfristigen Auf und Ab der Produktion pro Beschäftigtem, sondern am längerfristigen Trend. So können die Löhne eine stabilisierende Funktion für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und auch für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft erfüllen. Nicht jeder kurzfristige Produktionseinbruch des Unternehmens soll gleich zu massiven Problemen der Beschäftigten führen, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren und ihren laufenden Zahlungsverpflichtungen wie Mietzahlungen und Kredittilgungen nachzukommen.
Gesamtwirtschaftlich bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sich die Lohnerhöhungen in den einzelnen Branchen an der Produktivitätsentwicklung der Gesamtwirtschaft orientieren sollen. Dadurch stellt die Benya-Formel eine breite Beteiligung aller Beschäftigtengruppen am technischen und organisatorischen Fortschritt sicher. Die Beschäftigten in Sektoren mit schnellem technischem Fortschritt nutzen die Produktivitätssteigerungen nicht gänzlich für Lohnforderungen aus. Damit bleibt ein Spielraum für Preissenkungen bei diesen Produkten. Gleichzeitig können die Dienstleistungssektoren im Vergleich zu ihrer schwächeren Produktivitätsentwicklung höhere Löhne bezahlen, die sie teilweise durch höhere Verkaufspreise finanzieren können. Da die anderen Waren billiger werden, steigt die Inflation insgesamt nicht an.

Europäische Dimension

Um zu erkennen, warum eine solche Politik die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa verhindern könnte, sollte man folgende Entwicklungen betrachten: Mit der Einführung der gemeinsamen Währung kam es zu einem deutlichen Sinken der Zinsen in der Euro-Zone. Gerade in Ländern wie Spanien oder Irland, die bereits vorher einen rasanten Aufholprozess gestartet hatten, führte dies zu einem Wachstumsschub.
Da aber in dieser Zeit die Lohnentwicklung in Deutschland oder auch Österreich hinter der Produktivität zurückblieb, sich also nicht an der Benya-Formel orientierte, entstand daraus kein zusätzliches Wachstum für den Kauf der Produkte aus den aufholenden Ländern.
Einfach gesagt: Die Deutschen verkauften den SpanierInnen zwar mehr Autos, konnten sich aber den Urlaub in Spanien nicht mehr leisten, weil ihre Löhne stagnierten. So wie es innerhalb eines Landes nicht aufwärts gehen kann, wenn alle nur Güter verkaufen und keiner Güter kaufen will, so kann es in Europa nicht aufwärts gehen, wenn Länder zwar viel exportieren, umgekehrt aber ihren Partnerländern nichts abkaufen.
Auch in Österreich will jede Firma billige ArbeiterInnen und gut verdienende Kundinnen und Kunden. Wenn jedoch alle nach diesem Prinzip handeln, geht es sich nicht aus, denn ohne gut verdienende Arbeitskräfte gibt es zu wenig kaufkräftige Kundschaft.
Die Orientierung der Lohnpolitik an der Benya-Formel befreite die Unternehmen in Österreich lange Zeit aus diesem Dilemma.

Europa produziert für Europa

Europa produziert zu fast 90 Prozent Güter für Europa. Wenn Europa dauernd mehr produziert als die EuropäerInnen kaufen wollen oder können, führt das in die Krise. Um die Eurozone stabil zu halten, muss die Nachfrage mit der Produktion wachsen. Mittelfristig geht das nur, wenn die Löhne und Gehälter, die die ArbeitnehmerInnen pro Stunde oder Monat erhalten, etwa gleich schnell steigen wie die Menge der Güter und Dienstleistungen, die sie pro Stunde oder Monat herstellen. Die EU kann nur gedeihen, wenn die EU sich nicht am Prinzip „je geringer die Löhne, desto besser“, sondern am Prinzip „fairer Lohn für faire Leistung“ orientiert.
Ein zentraler Aspekt der Benya-Formel ist, sie niemals als strenge Formel zu verstehen. Lohnpolitik im Zeichen der Benya-Formel ist und war immer ein Verhandlungsprozess.
Im Sinne der Tarifautonomie kann Lohnpolitik immer nur von demokratisch legitimierten VertreterInnen der ArbeitnehmerInnen und UnternehmerInnen gemacht werden und nicht von statistischen Ämtern. Eine angemessene Einschätzung gesamtwirtschaftlich sinnvoller Lohnerhöhungen gibt es nur innerhalb von Verhandlungen, in denen auch auf unvorhergesehene Entwicklungen oder Irrtümer der Vergangenheit reagiert werden kann.
Mit einer im Kern verteilungsneutralen Lohnpolitik und einer auf Vernunft und Pragmatismus beruhenden Verhandlungskultur lassen sich wirtschaftliche Erfolge erzielen – wie das österreichische Beispiel zeigt. Auf europäischer Ebene ginge es zunächst darum, die Institutionen zu schaffen bzw. zu stärken, die eine solche gemeinsame Orientierung ermöglichen.
Die momentane Krisenpolitik der EU und der Euro-Zone ist gesamtwirtschaftlich gesehen bisher nur den halben Weg gegangen. Die Stabilisierung der Finanzsysteme wird inzwischen solidarisch angegangen, Finanzstabilität wird als europäische Aufgabe gesehen.
Der halbe Weg in die falsche Richtung
Bei der Stabilisierung der Arbeitsmärkte ist die EU, oder besser die Troika aus EU, Weltwährungsfonds und Europäischer Zentralbank, ebenfalls nur den halben Weg gegangen, allerdings in die falsche Richtung. Statt auf konstruktive Verhandlungen und auf die gleichgewichtige Entwicklung von Angebot und Nachfrage in der Union, setzt sie auf Lohnkürzungen, die Einschränkung der Grundrechte von ArbeitnehmerInnen und das Prinzip „Jeder gegen jeden“.

Eine Politik wie von Benya

Nach den Europäischen Gewerkschaften sollten endlich auch die ArbeitgeberInnenverbände eine Lohnleitlinie beschließen, die auf Produktivitätsorientierung in den Mitgliedsstaaten abzielt.
Die Troika müsste all jene stärken, die in den Krisenstaaten eine gesamtwirtschaftlich orientierte Lohnpolitik betreiben können. Die EU und die Euro-Zone sollten diese Orientierung auch bei der neuen wirtschaftspolitischen Koordination unterstützen.
Solidarität zwischen und mit den Banken sowie Wettbewerb und Konkurrenz zwischen den ArbeitnehmerInnen werden die Menschen nicht von der Idee des gemeinsamen Europas überzeugen.
Eine Politik, die alle Beschäftigten gleichmäßig am Wohlstand teilhaben lässt, wie von Anton Benya angestrebt, schon eher.

Mehr Infos unter: de.wikipedia.org/wiki/Benya-Formel

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor josef.zuckerstaetter@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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