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Was, kein Kreuz? Beim Computer hingegen könne man dies nicht mitverfolgen. Doch auch ohne politische Mehrheit bereitet man sich im Innenministerium auf den Fall der Fälle vor, immerhin will man dann gewappnet sein.

Was, kein Kreuz?

Schwerpunkt

In Österreich ist es selbstverständlich: Das Kreuz auf dem Stimmzettel. Doch nicht überall ist das der Fall, und auch hierzulande war das nicht immer so.

Oh, das ist eine gute Frage! Das gibt’s ja nicht, man beschäftigt sich mit so vielen Themen rund um die Wahl, doch so ein Detail lässt man links liegen“, ärgert sich ein Historiker. Immerhin geht es um die einfache Frage, ob man in Österreich eigentlich schon immer ein Kreuzerl auf dem Stimmzettel gemacht hat. Schließlich ist das zum Beispiel in Frankreich anders.
Dort erhält man mehrere Stimmzettel, auf denen die Namen der Parteien oder KandidatInnen stehen. In der Wahlkabine steckt man nur jenen ins Kuvert, den man wählen möchte. Die Zettel werden den WählerInnen nach Hause geschickt, außerdem liegen sie im Wahllokal auf. Eigentlich sollte man alle Stimmzettel mit in die Wahlkabine nehmen, doch gibt es mehrere KandidatInnen oder Parteien, nehmen manche WählerInnen nur zwei Stimmzettel mit, um dem Wahlgeheimnis Genüge zu tun. Andere wiederum verzichten selbst darauf und nehmen nur einen Stimmzettel mit.

Die Frage nach dem Stimmzettel

Das Interessante ist, dass das Kreuz bei der Wahl im deutschsprachigen Raum offenbar so normal ist, dass es gar nicht so leicht ist, seiner Geschichte auf die Spur zu kommen. Google spuckt nur sehr dürftige Ergebnisse aus, wenn man den Suchbegriff „Stimmzettel“ eingibt. Anders im Übrigen auf den englischen Seiten, denn dort ist einiges zu finden. In politikwissenschaftlichen Lexika wird der Begriff nicht einmal extra angeführt. Sucht man nach Wahlrecht oder Wahlsystemen, findet man natürlich mehr – nur keine Antwort auf die Frage nach dem Stimmzettel und wie dieser früher ausgesehen hat.

Wahlrecht nur für Steuerzahlende

Dabei ist das doch die Essenz der Demokratie: Die Stimme, die man abgibt, unbeeinflusst, also geheim – einer der vielen Grundsätze der Demokratie, ebenso wie jener, dass jeder Stimmzettel gleich viel wiegt. All das aber musste hart erkämpft werden. Immerhin hatte lange nur ein bestimmter Personenkreis das Recht, seine Stimme abzugeben: die Steuerzahlenden nämlich.
So wurden in Österreich lange Honoratioren gewählt, und zwar ohne Kreuz: „Deren Namen wurden von den Wahlberechtigten auf einen Stimmzettel geschrieben“, erzählt Politikwissenschafter Ferdinand Karlhofer. Im Jahr 1907 wurde das „allgemeine Männerwahlrecht“ eingeführt, erst im Jahr 1919 konnten auch Frauen ihre Stimme abgeben. Und es war in der Tat nicht immer so, dass man in Österreich ein Kreuzerl machte. Auch wurden die Stimmzettel nicht immer schon vom Staat gedruckt und im Wahllokal zur Verfügung gestellt. Vielmehr schickten die Parteien diese den WählerInnen zu oder VertreterInnen verteilten sie am Wahltag. Oder aber sie waren in Zeitungen abgedruckt und man musste sie – kein Scherz! – ausschneiden.
Gesetzlich waren die Farbe sowie die Größe des Stimmzettels festgelegt. So steht etwa im Wahlgesetz aus dem Jahre 1945, dass der Stimmzettel gültig ist, wenn er „1. aus weichem weißlichem Papier ist und 2. das ungefähre Ausmaß von 9 1/2 bis 11 1/2 cm in der Länge und von 6 1/2 bis 8 1/2 cm in der Breite aufweist und 3. a) die Parteibezeichnung oder b) wenigstens den Namen eines Bewerbers der gewählten Parteiliste unzweideutig dartut oder c) nebst der Parteibezeichnung den Namen eines oder mehrerer Bewerber der von dieser Partei aufgestellten Parteiliste enthält“.

Stimmzettel zum Ausschneiden

Stöbert man im Archiv der Arbeiterzeitung, so findet man in der Ausgabe vom 24. November 1945 einen Stimmzettel für die Nationalrats- und Landtagswahl – und auf dem steht nur ein Name: Sozialistische Partei. Auch zur Arbeiterkammerwahl wird man fündig: In der Arbeiterzeitung vom 23. Oktober 1949 ist auf Seite 1 zu lesen: „Wir veröffentlichen auf Seite 11 einen richtigen Stimmzettel, der ausgeschnitten und abgegeben werden kann.“ Auf diesem Stimmzettel steht ebenfalls nur ein Name: „Sozialistische Partei (Fraktion der sozialistischen Gewerkschafter im Österreichischen Gewerkschaftsbund)“.
Etwas entdecken kann man auch im Innenministerium: Der stellvertretende Bundeswahlleiter Robert Stein hat in seinem Büro verschiedene Stimmzettel aufgehängt. Von der Bundespräsidentenwahl im Jahr 1951 gibt es verschiedene Stimmzettel mit den Namen der Kandidaten. Auch von der Nationalratswahl im Jahr 1956 hängen dort welche: Es sind vier verschiedene, auf denen jeweils „Sozialistische Partei Österreichs“, „Österreichische Volkspartei“, „Freiheitliche Partei Österreichs“ und „Kommunisten und Linkssozialisten“ steht. Das heißt allerdings nicht, dass der Staat keine Stimmzettel zur Verfügung stellte, vielmehr gab es beides.
Im Jahr 1959 schließlich taucht der Begriff „Kreuz“ im Gesetz auf. In der Nationalratswahlordnung bzw. dem Bundespräsidentenwahlgesetz ist von einem Kreis rechts neben dem Namen des Kandidaten/der Kandidatin bzw. der Partei die Rede. Die Stimme ist dann gültig, heißt es im Gesetz, „wenn der Wähler in einem der (...) Kreise ein liegendes Kreuz (...) macht“. Außerdem wurde der „amtliche Stimmzettel“ bei der Nationalrats- und Präsidentschaftswahl zur Norm und jeder andere für ungültig erklärt. Bei der Arbeiterkammerwahl war dies im Jahr 1969 der Fall.

Ein „Ticket“ zur Wahl

Wer kann sich heute noch vorstellen, dass es keinen von der Wahlbehörde ausgegebenen Stimmzettel gibt? Und doch ist dies auch heute noch NiederösterreicherInnen oder VorarlbergerInnen nicht unbekannt. Denn in diesen Bundesländern ist es immer noch so, dass es bei Landtags- und Kommunalwahlen amtliche und nicht-amtliche Stimmzettel gibt.
Rechtswidrig ist dies nicht, wie der Verfassungsgerichtshof feststellte. Schreibt ein/eine WählerIn auf den nicht-amtlichen Wahlzettel nur einen Namen, geht diese Stimme an die Partei, auf deren Liste die betreffende Person steht. Zusätzlich bekommt diese Person eine Vorzugsstimme. Amtliche Stimmzettel gibt es in Niederösterreich übrigens erst seit den 1990er-Jahren.
Auch in den USA war es einst so, dass es mehrere Stimmzettel gab und man kein Kreuz machte. Heute ist vom Obama-Biden- oder Romney-Paul-Ticket die Rede. Hintergrund für den Begriff „Ticket“ sind die von Republikanern oder Demokraten ausgegebenen Stimmzettel, auf denen die KandidatInnen aufgelistet waren.
Weil diese die Größe von Fahrscheinen, also „railroad tickets“ hatten, ist bis heute vom „Ticket“ die Rede. Man vermutet, dass auch diese früher in Zeitungen publiziert wurden, aus denen man sie ausschneiden konnte. Und auch dort steckte man nur das Ticket von jener Partei ins Kuvert, die man wählen wollte. Das ist lange her und inzwischen wird mit Wahlmaschinen gewählt.

Gedanken zum E-Voting

Nicht zuletzt die Schwierigkeiten, die man im Jahr 2000 bei den Präsidenten-Wahlen mit eben diesen Maschinen hatte, sind der Grund dafür, dass man in Österreich nicht über eine Einführung von Wahlmaschinen nachdenkt. Außerdem seien sie zu teuer, erklärt Wahlleiter Stein: „Die Anschaffung rechnet sich nicht bei einem System wie dem österreichischen, das auf Freiwilligen und ParteienvertreterInnen beruht.“ Sehr wohl aber denkt man im Innenministerium über E-Voting nach, selbst wenn dieses im Moment keine politische Mehrheit hat.
Ein Vorbehalt lautet, dass nicht auszuschließen ist, dass die Stimme am Ende einem bestimmten Computer und damit einer Person zugeordnet werden kann – ein Grundsatz der Wahl, nämlich jener der geheimen Wahl, wäre damit nicht mehr garantiert.
Für einen weiteren Vorbehalt bemüht Wahlleiter Stein eine Metapher: „Wenn ich heute im Casino spiele und ich setze auf Rot, es gewinnt aber Schwarz, so kann ich die Kugel verfolgen“, also nachvollziehen, wo sie landet. Beim Computer hingegen könne man dies nicht mitverfolgen. Doch auch ohne politische Mehrheit bereitet man sich im Innenministerium auf den Fall der Fälle vor, immerhin will man dann gewappnet sein.
Bis dahin aber werden österreichische WählerInnen weiterhin ihr Kreuzerl auf einem amtlichen Stimmzettel aus Papier machen.

Mehr Infos unter: de.wikipedia.org/wiki/Stimmzettel

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin sonja.fercher@chello.at oder die Redaktion aw@oegb.at
 

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