topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
We are family Im Rahmen dieser umfassenden Reform wurde die Haushaltsbesteuerung (der Haushalt wird als die zu besteuernde Einheit gesehen) durch die Individualbesteuerung (das Einkommen der einzelnen Person wird besteuert) ersetzt.

We are family

Schwerpunkt

"Jedes Kind ist gleich viel wert", lautete die Devise der 1970er-Jahre. Wenn Familienförderung über steuerliche Begünstigungen läuft, ist das nicht so.

Wie familienpolitische Förderungen aussehen sollen, daran scheiden sich die Geister. Aktuell reichen die Maßnahmen von Geldleistungen über Sachleistungen und Beihilfen bis hin zu steuerlichen Begünstigungen – und eben diese steuerlichen Begünstigungen sollen hier etwas genauer unter die Lupe genommen werden.

1970er-Jahre: Steuerreform

Anfang der 1970er-Jahre wurde in Österreich eine groß angelegte Einkommenssteuerreform umgesetzt, das bis dahin geltende System wurde dabei grundlegend umgekrempelt. Im Rahmen dieser umfassenden Reform wurde die Haushaltsbesteuerung (der Haushalt wird als die zu besteuernde Einheit gesehen) durch die Individualbesteuerung (das Einkommen der einzelnen Person wird besteuert) ersetzt. Ziel war es, die Berufstätigkeit von Frauen zu fördern. Die bis dahin geltenden steuerlichen Familienfreibeträge wurden in Beihilfen umgewandelt – die heutige Familienbeihilfe. Damit konnten auch Personen mit geringem Einkommen von den Fördermaßnahmen profitieren.
In den vergangenen Jahren ist allerdings eine Abkehr von diesem System zu beobachten. Familienpolitische Fördermaßnahmen werden wieder vermehrt über das Steuerrecht gewährt. Für diese Fördermaßnahmen stehen zwei Instrumentarien zur Verfügung – der Freibetrag und der Absetzbetrag.
Der wesentliche Unterschied dieser zwei Instrumente liegt in ihrer unterschiedlichen Verteilungswirkung.

Hohe Einkommen – mehr Freibeträge

Freibeträge haben die Eigenschaft, SteuerzahlerInnen – absolut gesehen – unterschiedlich zu begünstigen. Demnach profitieren BezieherInnen von hohen Einkommen stärker als BezieherInnen von geringen Einkommen. Das reicht sogar so weit, dass ab einem monatlichen Bruttoeinkommen von weniger als 1.200 Euro überhaupt kein steuerlicher Effekt mehr gegeben ist, und der/die Steuerpflichtige leer ausgeht, mögen die Ausgaben noch so hoch sein.
Freibeträge schmälern die steuerliche Bemessungsgrundlage (also die Grundlage, von der die Steuer berechnet wird). Mit der Höhe des Einkommens steigt auch der Grenzsteuersatz an (das ist jener Prozentsatz, mit dem der letzte Euro des Einkommens zu versteuern ist). Die Steuerersparnis bei hohen Einkommen ist dadurch eine größere als mit einem geringeren Einkommen.
Absetzbeträge sind hingegen grundsätzlich von der Einkommenshöhe unabhängig und werden direkt von der zu bezahlenden Steuer abgezogen, vorausgesetzt das Einkommen ist so hoch, dass sich eine Steuer ergibt. Das bedeutet, dass die, die wegen ihres geringen Einkommens keine Steuer zahlen, häufig um ihre Förderung umfallen.
Derzeit gibt es eine ganze Fülle von familienbezogenen steuerlichen Begünstigungen: Alleinverdiener-, Alleinerzieher-, Unterhalts-, Kinderabsetzbetrag, Mehrkindzuschlag, Kinderfreibetrag, Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten, Freibetrag für die auswärtige Berufsausbildung von Kindern, Freibeträge für Kinder mit Behinderungen.
Absetzbeträge wirken sich nur dann aus, wenn tatsächlich Steuer zu bezahlen ist. Der Kinderabsetzbetrag und der Alleinverdiener-/Alleinerzieherabsetzbetrag (AVAB/AEAB) bilden dabei eine Ausnahme. Selbst wenn das Einkommen so gering ist, dass sich keine Steuer ergibt, werden der AVAB und der AEAB als Negativsteuer in voller Höhe ausbezahlt. Der Kinderabsetzbetrag wird gemeinsam mit der Familienbeihilfe als Transferleistung ausbezahlt und muss somit nicht gesondert beantragt werden. Auch er ist völlig unabhängig von der Einkommenshöhe.

Kinderzuschlag nicht für alle

Im Jahr 2004 wurden der AVAB und der AEAB um den Kinderzuschlag, der von der Anzahl der Kinder abhängt, erweitert. Diesen Kinderzuschlag gibt es aber selbstverständlich nur dann, wenn der AVAB oder der AEAB zusteht. Etwa die Hälfte der 1,8 Mio. Kinder profitiert von dieser Regelung, wohingegen für 900.000 Kinder kein Anspruch auf den Kinderzuschlag besteht, weil die Eltern die Voraussetzungen für den AVAB nicht erfüllen. In den 1970ern wurde als oberster Grundsatz ausgegeben, „dass jedes Kind gleich viel wert ist“ – gegen diesen Grundsatz verstößt die Regelung eindeutig.
Im Jahr 2009 wurden unter medienstarkem Getöse die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten und der Kinderfreibetrag eingeführt. Den Kinderfreibetrag gibt es in zwei Varianten. Entweder nur ein Elternteil nimmt diesen in Anspruch (220 Euro), oder beide Elternteile können jeweils 132 Euro beantragen – und bei diesem Beantragen bleibt es dann auch vielfach. Wie aus einer parlamentarischen Anfrage hervorgeht, wurde für das Jahr 2009 für bisher 1.245.000 Kinder der Kinderfreibetrag beantragt, jedoch wirkte sich dieser tatsächlich nur für 800.000 Kinder bei deren Eltern steuersparend aus. Ein Grund, dass diese steuerliche Förderungsmaßnahme für gut 400.000 Kinder und deren Eltern ins Leere geht: Der Kinderfreibetrag wird häufig von den Müttern beansprucht, deren Einkommen aber vielfach unter der Steuergrenze liegt. Auch in diesem Punkt wird der Grundsatz „jedes Kind soll gleich viel wert sein“ verfehlt.

Mühsamer Weg der Veranlagung

Wenn der Gesetzgeber den Familien Förderungen zukommen lassen möchte, stellt sich die Frage, warum diese den mühsamen Weg der Veranlagung gehen müssen, um das zu bekommen, was ihnen dem Grunde nach zusteht. Zum einem muss die Existenz der steuerlichen Förderung bekannt sein, zum anderem muss diese noch extra beantragt werden.
Wie beim Kinderabsetzbetrag zu erkennen ist, wäre durchaus ein anderer Lösungsweg möglich. Ein einfacher Weg, um diesen Missstand aufzuheben, könnte über eine entsprechende Anhebung der Familienbeihilfe führen. Oder nimmt der Gesetzgeber ganz bewusst in Kauf, dass Eltern mit geringem Einkommen von diesen Maßnahmen ausgeschlossen werden?

Existenzminimum: 7.000 Euro

Anstatt den Fokus auf mehr Verteilungsgerechtigkeit zu legen, ist ein weiterer Ausbau der Freibeträge angedacht – es wird dabei ein steuerliches Existenzminimum für jedes Kind in Höhe von 7.000 Euro im Jahr in Erwägung gezogen. Dieses Existenzminimum wäre erneut als Freibetrag konzipiert, die Steuerersparnis wäre wieder von der Einkommenshöhe und dem entsprechenden Grenzsteuersatz abhängig.
Es ist offensichtlich, dass mit diesem Modell die BesserverdienerInnen bevorzugt werden und Menschen mit niedrigen Einkommen durch die Finger schauen. Da wird der Eindruck erweckt, man würde etwas bekommen, was einem bisher verweigert wurde. Über die tatsächliche Wirkungsweise und die sich daraus ergebenden Konsequenzen wird aber wohlweislich geschwiegen. Um die Finanzierung des Modells zu gewährleisten, wäre es erforderlich, die Familienbeihilfe zu kürzen oder zu streichen. Für viele Familien würde das einen finanziellen Verlust bedeuten, da der Freibetrag aufgrund der Einkommenshöhe nicht greift. Meistens fließt die Familienbeihilfe den Müttern zu, wogegen das Existenzminimum nur einem Steuerpflichtigen zukommen kann. Das wird in der Regel der Mann sein. Es tut sich hierbei ein Problem auf: Bisher bezog die Frau in den meisten Fällen die Transferleistung (Familienbeihilfe), mit dem Existenzminimum würde ihr der direkte Geldzufluss aber entzogen werden.
Hat man es mal geschafft, den Dschungel steuerlicher Förderungsmaßnahmen zu durchschauen, stellt man häufig fest, dass Verteilungsgerechtigkeit meistens dort endet, wo die Freibeträge beginnen. Je mehr jemand verdient, desto mehr Gutschrift darf er/sie vom Finanzamt auf seinem/ihrem Konto erwarten. Viele verdienen mit ihrer Arbeit aber zu wenig, um in den Genuss der Steuerzuckerl zu kommen. Davon bleibt oft nicht mehr als ein bitterer Nachgeschmack übrig.
Um dieser Schieflage entgegenzuwirken und für mehr Verteilungsgerechtigkeit einzutreten, ist es endlich an der Zeit, Freibeträge und Absetzbeträge durch Beihilfen, direkte Förderungen und kostenlose Sachleistungen zu ersetzen. Daraus resultiert, dass die Kinder in den Mittelpunkt gerückt und alle gleich gefördert werden. Das Einkommen der Eltern tritt in den Hintergrund und hat keinen Einfluss auf die Höhe der Förderung. Damit in unserer Gesellschaft endlich wieder „jedes Kind gleich viel wert ist“.

Mehr Infos unter: www.kindergeld-neu.at

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin petra.innreiter@akwien.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum