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Familienpolitik für das 21. Jahrhundert Investitionen in Kinder- und Altenbetreuung, Bildung, Pflege etc. - kurz: soziale Infrastruktur - sind wirtschaftlich wie sozial extrem sinnvoll. Sie schaffen nämlich einen breiten "Wohlfahrts- und Wohlstandsgewinn".

Familienpolitik für das 21. Jahrhundert

Schwerpunkt

Investitionen in die soziale Infrastruktur fördern die Nachhaltigkeit.

Österreich ist ein konservatives Land in Sachen Familienpolitik. Dabei würde moderne Familien-politik für mehr Beschäftigung und Gleichstellung sorgen und wäre auch aus einer volkswirtschaftlichen Perspektive gewinnbringend. Das zeigen etwa neue Studien von AK Wien (2012) und Eurofound (2012).

Wohlfahrts- und Wohlstandsgewinn
Das Ziel einer modernen Familienpolitik muss es sein, sowohl die Lebens- und Einkommenschancen der Familien – insbesondere der Kinder – zu verbessern als auch die strukturellen Rahmenbedingungen für einen wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort zu ermöglichen. Investitionen in Kinder- und Altenbetreuung, Bildung, Pflege etc. – kurz: soziale Infrastruktur – sind dabei wirtschaftlich wie sozial extrem sinnvoll. Sie schaffen nämlich einen breiten „Wohlfahrts- und Wohlstandsgewinn“. Die verbesserte soziale Infrastruktur hilft nicht nur den Menschen, sie wird zunehmend zu einem Standortvorteil und ebenso zu einem Wachstums- und Beschäftigungsmotor! Länder mit moderner Familienpolitik setzen genau auf diese Strategie. Österreich hinkt hier noch deutlich nach. Österreich gibt im internationalen Vergleich sehr viel Geld für Familien aus. Mit 2,6 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt liegt das Land deutlich über dem OECD-Schnitt von 2,2 Prozent (Daten 2007).
Aber während Österreich bei den Geldleistungen in Europa die vierthöchsten Ausgaben verzeichnet und diese deutlich über dem OECD-Durchschnitt liegen (Ö: 2,15 Prozent des BIP, gegenüber 1,22 Prozent des BIP im OECD-Ø), fallen hierzulande die Sach- und Dienstleistungen mit 0,45 Prozent des BIP weit geringer aus als im Schnitt aller Industrienationen (0,78 Prozent vom BIP). Damit liegt Österreichs Familienpolitik in dieser Hinsicht im internationalen Vergleich im schlechtesten Drittel.

Ländervergleich
Diese Politik bringt weder die ersehnte Vereinbarkeit für Beruf und Familie, noch den Kinderse-gen, den sie zu fördern behauptet. Das wird im Ländervergleich deutlich.
In „konservativen“ Ländern wie Italien, Deutschland und Österreich, die unterdurchschnittliche Ausgaben für Sachleistungen und Kinderbetreuung haben, klaffen die Arbeitszeiten von Frauen und Männern stark auseinander: Männer sind hauptsächlich 40 Wochenstunden und mehr beschäftigt, während Frauen vor allem in Teilzeit unter 30 Stunden – nicht selten sogar unter 20 Stunden und damit oft kaum existenzsichernd – arbeiten.
Auf der anderen Seite stehen Länder wie Dänemark, Frankreich oder die Niederlande, die mit ihren Ausgaben für Sachleistungen weit über dem Durchschnitt der OECD-Staaten liegen. Hier ist die Arbeitszeit zwischen den Geschlechtern viel ausgewogener, Wochenarbeitszeiten zwischen 30 bis 39 Stunden sind hier der „Normalzustand“ für Männer wie Frauen. Zwei besonders positive Aspekte daran: Es gibt viel weniger gesundheitsbeeinträchtigende überlange Arbeitszeiten in diesen Staaten und die Menschen dort können ihren Kinderwunsch leben. Geburtenraten, die deutlich über denen der konservativen Staaten liegen, zeigen dies.
Erfolgreiche Länder – im Sinne z. B. einer hohen (Frauen-)Beschäftigung (Vollzeit oder Teilzeit in hohem Stundenausmaß), hoher Produktivität und Wertschöpfung, hoher Geburtenraten etc. – setzen also auf ein breites Angebot an sozialer Infrastruktur, vor allem Kinder- und Altenbetreuung, Pflege, Bildungseinrichtungen.

Wachstums- und Jobmotor
Fortschrittliche Familienpolitik würde eine Umorientierung hin zu mehr Sach- und Dienstleistungen erfordern, die viele Vorteile mit sich bringt. Im Ländervergleich fällt auch auf, dass besonders in den nordischen Staaten Frauen ihre Potenziale und Qualifikationen besser am Arbeitsmarkt einbringen können und dadurch eine höhere volkswirtschaftliche Wertschöpfung möglich ist als beispielsweise im mediterranen Raum. Das Ziel der höheren Erwerbsintegration von Frauen in den nordischen Staaten bedingt auch höhere Investitionen in das Humankapital (Aus- und Weiterbildung, Qualifizierungsmaßnahmen etc.) mit hohen volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erträgen (vgl. „wissensbasierte Wirtschaft/Gesellschaft“).

Investitionen rechnen sich
Welcher evident positive Zusammenhang zwischen dem Ausbau der Kinderbetreuung und einem nachhaltigen Beitrag zum Budget der öffentlichen Haushalte bzw. zur Budgetkonsolidierung besteht, belegen neue Modell-Berechnungen der AK (vgl. AK Wien 2012).
Durch den schrittweisen Ausbau des Kinderbetreuungsangebots bis zum Jahr 2017 können 35.000 zusätzliche Betreuungsplätze für Kleinkinder geschaffen bzw. die Öffnungszeiten bei 70.000 bestehenden Plätzen verlängert werden.
Für den notwendigen Ausbau sollen vom Bund in den nächsten vier Jahren durchschnittlich rund 100 Mio. im Jahr geleistet werden. Entsprechend der bereits gültigen 15a-Vereinbarung zum Ausbau der Kinderbetreuung ist von den Ländern im ersten Jahr eine Zuzahlung in gleicher Höhe zu leisten. Die laufenden Kos-ten sind aufgrund ihrer Zuständigkeit von den Ländern und Gemeinden zu tragen.
Je nachdem, welche wirtschaftliche Entwicklung bzw. indirekten Beschäftigungseffekte unterstellt werden, ergeben sich unterschiedlich hohe Nettokosten (Gesamtkosten vermindert um Rückflüsse und andere Einsparungen). Die Spitze der Nettokosten für Personal und Bauinvestitionen wird im Jahr 2015 erreicht und beträgt je nach Szenario zwischen 61 und 148 Mio. Ab 2016 sinken sie bereits deutlich und „drehen“ ab 2017 auch im schlechtesten Szenario in ein Plus für die öffentliche Hand (zwischen 14 und 168 Mio. Euro Überschussertrag gegenüber den Investitionskosten).
Insgesamt werden durch die Realisierung dieser Investitionen der Wirtschaftsstandort attraktiver, die Beschäftigungsquote insbesondere von Frauen und die entsprechenden Lohnabgaben gesteigert und die strukturellen Mängel in der aktuellen Familienpolitik abgebaut. Die Nachhaltigkeit dieser Maßnahmen und das daraus resultierende Haushaltsplus unterstützen die aktuellen Bemühungen zur Budgetkonsolidierung.

Modell von AK und IV
Konkrete Konzepte zur Umsetzung müssen nicht neu erfunden werden: Von Arbeiterkammer und der Industriellenvereinigung wurde ein Modell der Neuausrichtung der Familienpolitik ausgearbeitet, das eine Mittelumschichtung von der steuerlichen Familienförderung zugunsten eines Ausbaus und einer Qualitätsverbesserung der Kinderbetreuung vorsieht.
Analog zur Kinderbetreuung sind entsprechende Investitionen in den Ausbau der mobilen und stationären Pflegeangebote hinsichtlich ihrer mittel- und langfristigen Entlastungswirkung für die öffentlichen Budgets zu sehen.

„Modernisierungsschub“ durch EU?
Seitens der EU-Kommission – allen voran von László Andor, EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration (siehe Speech/12/852) – wird auch zunehmend das Beschäftigungspotenzial der Sozialen Dienste erkannt und deren Ausbau eingefordert. Es gibt bereits die Ankündigung, dass der Ausbau der sozialen Infrastruktur ein wesentlicher Bestandteil des sogenannten „Social Investment Package“ sein soll, das im kommenden Jahr in Brüssel vorgestellt werden soll.
Es bleibt also die Hoffnung bestehen, dass der oft einseitige Haushaltskonsolidierungspfad in der EU verlassen wird und die Notwendigkeit erkannt wird, Investitionen im Sozial- und Bildungsbereich als „Zukunfts- und Standortinvestitionen“ zu sehen.

Internet:
OECD-Studie zur Familienförderung:
tinyurl.com/d2yx7zk
AK-IV-Projekt:
tinyurl.com/cavs6zk

Schreiben Sie Ihre Meinung an die AutorInnen adi.buxbaum@akwien.at und sybille.pirklbauer@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

 

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Kommentare
Gerhard Steinmayer 21.12.2012 09.53 OECD-Studie zur Familienförderung betreffend Sach- statt Geldleistungen zur Fmilienförderung: gelten Kindergarten- bzw. Vorschuljahr(e)als Sachaufwand???
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