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Der Papa wird’s schon richten Die Schulbildung der Eltern sowie deren soziale und ökonomische Situation sind in Österreich stark für Bildungswegentscheidungen der Kinder verantwortlich und somit auch dafür, ob ein Studium aufgenommen wird und welches.

Der Papa wird’s schon richten

Schwerpunkt

Auch ohne Studiengebühren können sich nach wie vor eher Kinder aus begüterten Haushalten ein Studium in Österreich leisten.

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle war im Frühling 2012 Gast im WIFO-Ökonomenclub, wo eine von seinem Haus in Auftrag gegebene Studie zum Thema Studiengebühren vorgestellt wurde. Für den Minister waren flächendeckende Gebühren nicht nur vorstellbar, sondern auch ratsam, da diese seiner Meinung nach das „Commitment“, die Verbindlichkeit bzw. den Einsatz für das Studium stark erhöhen würden. Den Einwurf aus dem Publikum, dass laut „Studierenden-Sozialerhebung“ etwa 60 Prozent der Studierenden im Durchschnitt 20 Stunden pro Woche arbeiten müssten, um sich ihr Studium finanzieren zu können, und dass mehr Zeit fürs Studium das „Commitment“ wohl wesentlich mehr erhöhe als zusätzliche Belastungen, ließ Töchterle unbeantwortet. Umso interessanter erscheint es, einen genaueren Blick auf eben jene Studie zu werfen, die, obwohl vom eigenen Haus beauftragt, dem Minister ein Dorn in seiner Argumentation sein dürfte.

44.000 Studierende online befragt

Für die Studierenden-Sozialerhebung wurden im Sommersemester 2011 mehr als 44.000 Studierende an allen öffentlichen Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen vom Institut für Höhere Studien (IHS) online befragt. Diese Erhebung umfasste unterschiedlichste Bereiche des Studierendenalltags, von Studienmotiven und -wahl über Erwerbstätigkeit unter Studierenden und deren finanzielle Schwierigkeiten bis hin zu Studieren mit Kind.
Für die Fragestellung „Wer kann wie in Österreich studieren und mit wie viel Einsatz?“ finden sich also viele Antworten auf den über 1.000 Seiten der Erhebung. Einige wenige sollen hier nun genauer beleuchtet werden.

Soziale Herkunft entscheidend

Die Schulbildung der Eltern sowie deren soziale und ökonomische Situation sind in Österreich stark für Bildungswegentscheidungen der Kinder verantwortlich und somit auch dafür, ob ein Studium aufgenommen wird und welches. Die soziale Herkunft hat massive Auswirkungen auf die persönlichen Rahmenbedingungen und vor allem auf die finanziellen Möglichkeiten, unter denen ein Studium stattfinden kann.
Ein Viertel der inländischen StudienanfängerInnen an Unis und Fachhochschulen stammt aus AkademikerInnenhaushalten. Die Studierwahrscheinlichkeit für Kinder aus sogenannten „bildungsnahen“ Familien ist also zwei- einhalbmal höher als für solche aus sogenannten „bildungsfernen“ Familien, bei denen weder Vater noch Mutter Matura haben. Der Faktor ist seit Anfang der 1990er-Jahre zwar deutlich gesunken – damals war die Wahrscheinlichkeit sogar viermal so hoch –, allerdings lässt sich die Annäherung hauptsächlich durch die Ausweitung des Fachhochschulsektors erklären, dessen soziale Zusammensetzung ausgeglichener ist als jene an den Universitäten: Studierende mit Vätern mit mindestens Matura sind an FHs um den Faktor zwei, an Universitäten um den Faktor drei gegenüber der Gesamtbevölkerung überrepräsentiert. Auch im Vergleich mit anderen europäischen Staaten sind in Österreich Studierende aus bildungsnahen Schichten unverhältnismäßig stark vertreten.
Erstmals wurden auch Rekrutierungsquoten nach beruflicher Stellung der Eltern berechnet. Es zeigt sich, dass besonders beim Beruf des Vaters starke Unterschiede vorliegen. Die Quoten von Studierenden, deren Väter Beamte, Angestellte oder Selbstständige sind, belaufen sich auf etwa vier StudienanfängerInnen pro 100 Väter, jene von Arbeitern auf lediglich einen/eine AnfängerIn je 100 Väter – Landwirte schlagen mit einer Quote von zwei von 100 zu Buche. Diese Struktur findet sich sowohl an wissenschaftlichen Universitäten als auch an FHs. Nur Kinder von Landwirten erreichen dort eine ähnlich hohe Quote wie jene von Angestellten, Beamten etc. Besonders alarmierend ist die Unterrepräsentanz von Kindern Erwerbsloser (etwa 0,3:100).

Studium und Job vereinbaren

Über 60 Prozent der Studierenden arbeiten während des Semesters, Männer mit 21 Stunden durchschnittlich etwas mehr als Frauen (18 Stunden), wobei es große Unterschiede nach Studienfach gibt. So arbeiten z. B. „nur“ die Hälfte der MedizinerInnen in einem durchschnittlichen Ausmaß von 12 Stunden, wohingegen 68 Prozent der JuristInnen auf ein durchschnittliches Stundenausmaß von 24 Stunden kommen. Besonders markant sind die Unterschiede, wenn es um die finanzielle Notwendigkeit als Motiv für die Erwerbstätigkeit geht: Je jünger und je höher die Schicht, desto weniger häufig besteht die Notwendigkeit zu jobben. So gibt nicht einmal die Hälfte der 20-jährigen Studierenden aus hoher Schicht an, arbeiten zu müssen, wohingegen dies bei über drei Viertel der Studierenden aus niedriger Schicht der Fall ist. Mit zunehmendem Alter wird mehr gearbeitet: Die Quote der Erwerbstätigen beläuft sich bei den 28-Jährigen auf etwa 90 Prozent.

28 Minuten weniger Studierzeit

Etwa ein Fünftel aller Studierenden sieht sich als in erster Linie erwerbstätig an, etwa die Hälfte studiert zwar hauptsächlich, arbeitet aber daneben. Lediglich ein Drittel ist zum Erhebungszeitpunkt (noch) nicht erwerbstätig.
Die StudienautorInnen errechnen, dass jede Erwerbsstunde die Zeit, die für das Studium aufgewendet wird, um durchschnittlich 28 Minuten reduziert: Bis zu zehn Stunden Erwerbstätigkeit pro Woche lassen sich ohne größere Probleme mit einem Vollzeitstudium vereinbaren, danach beginnen die Schwierigkeiten. Circa 60.000 Studierende haben Vereinbarkeitsprobleme. Je älter also die Studierenden sind, je mehr sie nebenher arbeiten und je niedriger ihre soziale Schicht, desto länger dauert das Studium. Umso wichtiger erscheint ein funktionierendes Stipendiensystem.
Die Zahl der StipendienbezieherInnen sank in den letzten Jahren kontinuierlich, obwohl die Studierendenzahlen stark gestiegen sind. Nur knapp 40.000 der über 300.000 Studierenden bekommen überhaupt eine Beihilfe. Vor allem die „normale“ – elternabhängige – Studienbeihilfe ist seit 2009 von 18 Prozent auf 14 Prozent zurückgegangen, nur sieben Prozent bekommen ein vom Elterneinkommen unabhängiges sogenanntes SelbsterhalterInnen-Stipendium und gar nur jede/r 500. ein Studienabschluss-Stipendium. Das heißt: Knapp vier Fünftel aller „BildungsinländerInnen“ (das sind Studierende, die ihre Hochschulberechtigung in Österreich erworben haben) bekommen gar keine Studienbeihilfe!
Das liegt vor allem daran, dass es mehr internationale und mehr ältere Studierende gibt, sowie an der „kalten Progression“: Die Fördersätze und Grenzwerte sind bei nicht zu vernachlässigenden Inflationsraten seit 2007 nicht angehoben worden.

Kaum Ausgleich durch Beihilfe

Die durchschnittliche „normale“ Studienbeihilfe beträgt 272 Euro/Monat, liegt also deutlich unter der Höchststudienbehilfe (674 Euro/Monat). Daher kann die Studienförderung die geringeren familiären Zuwendungen an Studie- rende aus niedrigeren Schichten nicht zur Gänze ausgleichen. Diese haben deshalb öfter finanzielle Schwierigkeiten als jene aus hoher Schicht (33 Prozent vs. 19 Prozent).
Auch bei den BeihilfenbezieherInnen gibt es Probleme, vor allem bei den BezieherInnen von SelbsterhalterInnen- und Studienabschluss-Stipendien, wegen der eingeschränkten Erwerbstätigkeit (infolge der eher niedrigen Zuverdienstgrenze von 8.000 Euro).
Die Studierenden-Sozialerhebung konstatiert daher einen eindeutigen Zusammenhang zwischen sozialer Schichtzugehörigkeit, finanzieller Ausstattung und erfolgreichem Studienabschluss.

Reformbedarf bei Stipendien

Alles in allem zeigt sich, dass die finanzielle Unterstützung der Eltern eine, wenn nicht die wesentliche Komponente ist, wenn es darum geht, ob jemand in Österreich studiert und ob er oder sie dieses Studium auch positiv abschließen wird. Das Gesamtbild, das die Studierenden-Sozialerhebung zeichnet, zeigt den dringenden Reformbedarf im Stipendien-Förderwesen, vor allem bei den Alters- und Zuverdienstgrenzen.
Und es belegt weiters, dass die (Wieder-)Einführung von Studiengebühren nicht der Weisheit letzter Schluss ist, wenn es darum geht, das „Commitment“ beim Studieren zu erhöhen …

Studierenden-Sozialerhebung:
www.sozialerhebung.at/Ergebnisse
WIFO-Studie Hochschulen 2025:
tinyurl.com/aw7zf6j

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin petra.voelkerer@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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