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Herbert Tumpel: Der Stratege tritt ab Herbert Tumpel gelang es, die Arbeiterkammer souverän durch existenzgefährdende Krisen zu lotsen und sie zusammen mit dem ÖGB zu einem wichtigen Player in der Politik zu machen.

Der Stratege tritt ab

Aus AK und Gewerkschaften

Herbert Tumpel, der 16 Jahre lang Präsident der Bundesarbeitskammer war, geht heuer in Ruhestand.

Im August 2012 wusste es bereits die Presse, wiewohl es selbst im engsten Kreis nur die wenigsten glauben wollten: Der langjährige Stratege der Gewerkschaftsbewegung und erfolgreiche AK-Präsident Herbert Tumpel kandidiert nicht mehr für die Arbeiterkammerwahlen 2014. Anfang März wurde der Vorsitzende der Gewerkschaft vida, Rudolf Kaske, von der Wiener Vollversammlung zu seinem Nachfolger gewählt.

Basisgruppe „Roter Börsenkrach“

Herbert Tumpel, Sohn eines Schriftsetzers und Betriebsrates der Staatsdruckerei, studierte nach seiner Ausbildung als Textilingenieur an der HTL Volkswirtschaft an der Universität Wien. In der „linken Basisgruppe“ – „Roter Börsenkrach“ – an der Wiener Volkswirtschaft lernte Tumpel auch seine Frau Gertrude Tumpel-Gugerell, bis vor Kurzem Direktorin der Europäischen Zentralbank, kennen. 1973 wurde Herbert Tumpel Mitarbeiter im Volkswirtschaftlichen Referat des ÖGB. Thomas Lachs, damals Leiter des Referats, imponierte das exzellente ökonomische Wissen und das rasche Erkennen von wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhängen des jungen Mitarbei-ters. Weniger erfreut war er – als deklarierter Antimilitarist – über dessen Rangerausbildung beim österreichischen Bundesheer. Doch gerade diese sollte sich nach den theoriegeladenen Studien und Diskussionen über Marx, Keynes und andere als weiterer habituell prägender Bestandteil Tumpelscher Sozialisation erweisen.
Wie damals im „VoWi-Referat“ des ÖGB üblich mit weitgehender Selbstverantwortung ausgestattet – die politische Linie wurde gemeinsam mit Heinz Kienzl, Tommy Lachs, Erich Schmidt und später Werner Muhm in den Morgenbesprechungen bei Präsident Anton Benya festgelegt –, begab sich Herbert Tumpel in die „Niederungen der (Verhandlungs-)Praxis“ und gewann alsbald bei Kolleginnen und Kollegen sowie Sozialpartnern ob seines Verhandlungsgeschicks großen Respekt. Wie nur wenige andere durchschaute der im strategischen Denken militärisch Geschulte die Taktik und Winkelzüge seiner Verhandlungsgegner. Entscheidend dabei war, die Verhandlungspartner über die eigene Taktik im Dunkeln zu lassen, über geplante detailreich vorbereitete Strategien zu schweigen sowie „Win-win-Erfolge“ anzupeilen. Und: Der Verhandlungsgegner sollte, wenn man ihm schon mit Erfolg nach langen mühsamen Verhandlungen Positives für die ArbeitnehmerInnen entreißen konnte, sein Gesicht wahren können. Auch diese – wohl aus der Zeit Anton Benyas stammende – praktizierte  Kunst des für das Land und die ArbeitnehmerInnen positi-ven Kompromisses bei Achtung der Interessen des Verhandlungspartners sollte Herbert Tumpel im Denken und politischen Handeln prägen.
1983 wurde Herbert Tumpel, nach der Berufung von Erich Schmidt zum Staatssekretär im Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie, Leiter des Volkswirtschaftlichen Referats und 1987 von Fritz Verzetnitsch zum Leitenden Sekretär zuständig für Grundsatzpolitik und Finanzen bestellt. Obwohl er häufig sehr wortkarg war, gar oft die anderen palavern ließ, um letztlich ein Problem auf den Punkt zu bringen, ihm vorgelegte Papiere (etwa des sozialpartnerschaftlichen Beirates für Wirtschafts- und Sozialfragen) bis ins Detail hinterfragte, so konnte er – immer sehr belesen – in geselliger Runde ungemein unterhaltsam sein.

1997 Wahl zum BAK-Präsidenten

Wiewohl bereits seit 1979 Kammerrat der Kammer für Arbeiter und Angestellte, hatte er es nicht leicht, als er 1997 zum Präsidenten der Kammer gewählt wurde. Nach dem 1994 medial und durch die SPÖ-Parteispitze zum Rücktritt gezwungenen „Vater des AKG 1992“ Heinz Vogler und der allseits beliebten Lore Hostasch, die durch den fulminanten Erfolg bei der Mitgliederbefragung der AK ein neues Gesicht gab, wurde der Leitende Sekretär des ÖGB nicht gerade mit Begeiste-rung empfangen. Fritz Dinkhauser, wortgewaltiger ÖAAB/FCG-Präsident der Tiroler Arbeiterkam-mer, sprach gar beleidigend vom „Buchhalter des ÖGB“, der nun die Wiener AK und Bundesarbeitskammer leiten sollte. Doch alsbald sollte er, wie viele andere auch, seine abwertende Meinung nicht nur revidieren, sondern vielmehr mit Hochachtung vom Präsidenten der Bundesar-beitskammer sprechen. Denn Herbert Tumpel gelang es, die Arbeiterkammer souverän nicht nur durch existenzgefährdende Krisen zu lotsen, sondern sie vielmehr zusammen mit dem ÖGB zu einem wichtigen Player in der österreichischen und nicht zuletzt auch europäischen Politik zu machen.

Eineinhalb erfolgreiche Jahrzehnte

Es würde zu weit führen, wollte man all die Erfolge von eineinhalb Jahrzehnten anführen, die ganz oder zumindest zu einem großen Teil Herbert Tumpel zuzuschreiben sind: Doppelte Preisauszeichnung bei der Euro-Einführung, Aktion AK plus, AK-Bildungsgutschein, AK-Internetauftritt, Ausnützung der Übergangsfristen der osteuropäischen EU-Beitrittsländer, Entschärfung der Dienstleistungsrichtlinie, Abfertigung neu, Verhinderung des von der Regierung geplanten Kahlschlages bei den Pensionen, Jugendbeschäftigungsgarantie, Konjunkturpakete, kostenloses Nachholen von Bildungsabschlüssen, Ausbau von Ganztagsschulen, Einführung der Finanztransaktionssteuer – die Liste ließe sich lange fortsetzen. Dabei ging es immer wieder um eine gemeinsame und arbeitsteilige politische Vorgangsweise von Arbeiterkammern, ÖGB und Gewerkschaften. Und ob dieses gemeinsamen erfolgreichen Agierens versuchte denn auch die Regierung unter Bundeskanzler Schüssel zweimal die Arbeiterkammern durch Senkung der AK-Umlage mundtot zu machen, was von Herbert Tumpel erfolgreich verhindert werden konnte.
Die hohe Anerkennung der Institution der Arbeiterkammern in der Öffentlichkeit und insbesondere bei den ArbeitnehmerInnen war dem Präsidenten immer wichtiger als die mediale Profilierung seiner Person. Und: Die „Einheit des Konzerns“, das Zusammenwirken von ÖGB, Gewerkschaften, Betriebsrätinnen/Betriebsräten und Arbeiterkammern, durfte nicht infrage gestellt werden. Für Herbert Tumpel ist die Zusammenarbeit der österreichischen ArbeitnehmerInnenvertretungen und deren Fraktionen nicht allein für einen Erfolg für die ArbeitnehmerInnen von ausschlaggebender Bedeutung, vielmehr sind die einen ohne die anderen nicht denkbar. Darum verabscheut Tumpel mit Recht mediale Zurufe, die geeignet gewesen wären, das einheitliche Bild der österreichischen Gewerkschaftsbewegung zu zerstören. Sein erfolgreiches Bestreben ging deshalb immer in die Richtung, bei Anerkennung unterschiedlicher ideologischer Positionen über alle Fraktionsgrenzen hinweg zu gemeinsamen Beschlüssen und zum gemeinsamen politischen Handeln zu kommen.

Insistieren auf harte Fakten

Nicht zuletzt darum hatte das Wort des Präsidenten der Bundesarbeitskammer in der Öffentlichkeit und bei den Sozialpartnern, aber auch in den Kammer- und Gewerkschaftsgremien Gewicht. Wenn auch im alltäglichen Dienstbetrieb das „Knurren“ und die Schweigsamkeit des Präsidenten sowie sein oftmaliges Insistieren auf „harte Fakten“ und Zahlen MitarbeiterInnen gar oft zur Verzweiflung brachten, so mussten sie doch neidvoll vor seiner glasklaren Analytik, seinem immer auf den Kern der Sache zielenden Problembewusstsein und seiner politischen Lösungskompetenz kapitulieren.

Gewerkschafter mit Leib und Seele

Mit Herbert Tumpel geht nicht nur der bisher am längsten dienende Präsident der Arbeiterkammer Wien (und somit der Bundesarbeitskammer) in Ruhestand, sondern ein Gewerkschafter mit Leib und Seele, der in schwierigen sozialen, wirtschaftlichen und politischen „Umbruchzeiten“ die Arbeiterkammern in die richtige Richtung führte, um den großen Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden. Es bleibt zu hoffen, dass der Stratege auch weiterhin der österreichischen Gewerkschaftsbewegung zur Verfügung steht. In der Arbeiterkammer Wien und der Bundesarbeitskammer wurde mit Rudolf Kaske ein würdiger Nachfolger gefunden, der – wie jeder „frontman“ mit eigenen, neuen Akzenten und Schwerpunkten – das erfolgreiche Werk seines Vorgängers im Interesse der österreichischen ArbeitnehmerInnen mit Elan und Freude fortführen wird.

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor klaus.mulley@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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